Knaller an der Zeitungsfront

Thursday, May 31, 2007

Der G8 oder Das Dach der Welt (taz)

Der G8 oder Das Dach der Welt

O seht, wie sie den Himmel tragen: Der Everest voll stiller Macht Seht weiß den Chimborazo ragen Und den K2 und den G8.

G8, du Gipfel ohne Grenzen. G8, du bist das Dach der Welt. Seht ihr das Gipfelkreuz dort glänzen? Georg Bush, der hat es aufgestellt.

O nein, jetzt kann ich's besser sehen: Er ist es selbst, ist selbst das Kreuz. Wir sehn ihn christusartig stehen, die Arme breitend beiderseits.

Der Felsgrat da im Sonnenscheineheißt Merkel und dräut steil und schwer. Und da mit bröckelndem Gesteine liegt das Geröllfeld Tony Blair.

Daneben gleißend und gefährlich der Putingletscher tückisch glatt. Dagegen wirkt, sei'n wir mal ehrlich, die Harperwand ein wenig matt.

Den Klotz da rechts hat man vor Tagen in Sarkozy-Fels umbenannt. Und da ragt lächelnd (könnt' man sagen) die autoblanke Shinzo-Wand.

Darunter schimmert kurz ein Zipfel des Sumpfgebietes Prodi auf. O, welch ein Berg. O, welch ein Gipfel! Und doch, wir können nicht hinauf.

Kein Mensch soll diesen Gipfel stürmen. Kein Mensch. Was sag ich? Keine Sau.Denn seht, schon hier im Tale türmen sich Schroffen wie ein Drahtverhau.

Das sind die rauen SchäublemauernUnd quasi vorgelagert lauern die Bullenklippen wie ein Schild.

Ihr Gipfelstürmer wollt nicht hören.Wird Zeit, dass ihr die Segel streicht. Ein solcher Berg lässt sich nicht stören. Der trägt den Himmel. Und das reicht!

Klaus Pawlowski
taz vom 31.5.2007, S. 20,

Vom Junkie zum Ironman (FR)

Vom Junkie zum Ironman
Mit eisernem Willen
Andreas Niedrig lebte die Extreme: erst als Junkie, dann als Triathlet. Für den Extremsport ist er nicht mehr fit genug. Was kommt jetzt?
VON JÖRG HUNKE

Andreas Niedrig sitzt auf einer Wiese im Ruhrgebiet, trinkt einen Schluck Mineralwasser und schaut seinem Sohn Lorenz beim Fußballtraining zu. Nichts Ungewöhnliches für einen Vater, der seine Freizeit gerne mit seinem neun Jahre alten Sohn verbringt und sich für Sport interessiert. Bei Andreas Niedrig staunt man allerdings, denn der Lebenslauf dieses Mannes ließ nie viel Platz für die Familie, sein Leben verlief bisher so aufregend, dass Bücher darüber geschrieben wurden und sogar ein Kinofilm für das kommende Jahr geplant ist.

Andreas Niedrig war Junkie. Er hatte Probleme zu Hause, flüchtete sich in Drogen und nahm jahrelang, was er kriegen konnte. Hasch, LSD, Kokain, Heroin. Zwischenzeitlich war er so verzweifelt, dass ihm sein Leben gleichgültig war. An einem Tag saß er in einem Ford Fiesta, setzte sich einen Schuss und gab Vollgas. Der Wagen raste gegen einen Baum, Niedrig hatte Glück, überlebte. In seinem Buch hat er das Kapitel aus dieser Zeit "Ich hatte mehr Angst vor dem Leben als vor dem Tod" überschrieben. Dann, im November 1990, begann er eine Therapie, schaffte tatsächlich den Absprung und stürzte sich drei Jahre später in den Extremsport. Triathlon. Er schwamm bis zur Erschöpfung, fuhr Rad, bis die Muskeln schmerzten, und lief, bis ihm übel wurde. Triathleten absolvieren das Jahrespensum eines Gelegenheitssportlers an einem Tag. Wer einmal einen Wettkampf beendet hat, nennt sich gerne Ironman, Eisenmann. Niedrig wurde nicht nur einmal zum Eisenmann, er wurde einer der besten Triathleten der Welt, belegte 1998 in Hawaii, dem bedeutendsten Wettbewerb weltweit, den siebten Platz und wurde drei Jahre später beim Ironman-Europe in Roth Zweiter. Am Anfang seiner Sportkarriere wurde er umjubelt, weil er fast unbemerkt innerhalb von nur vier Jahren die Weltspitze erreicht hatte, aber bald gab es Gerüchte um seine Vergangenheit. Er stimmte einer Buchveröffentlichung zu, ein Freund von ihm schrieb über die Drogenkarriere. Die Medien stürzten sich auf Andreas Niedrig. Kerner, Beckmann, RTL - alle wollten ihn in ihren Sendungen haben. Für die TV-Küchenpsychologen war der Fall schnell klar. Triathlon ist nur die Ersatzdroge, Extremsport gleich Suchtverlagerung. Und selbst der Spiegel fragte besorgt: "Was, wenn er zu alt ist für seinen Sport?"

Das war vor sieben Jahren, inzwischen ist Andreas Niedrig 39 Jahre alt, damit noch nicht zu alt für den Sport, aber der Körper machte nicht mehr mit. Die Achillessehne am linken Bein war nach einer Operation so stark lädiert, dass sie mit zwei Schrauben fixiert werden musste. Er kann nur noch gelegentlich an Wettkämpfen teilnehmen, gewonnen hat er schon lange nicht mehr. Und trotzdem sitzt er an diesem sonnigen Nachmittag gut gelaunt auf dem Rasen eines Fußballplatzes in Marl und kebbelt sich mit seinem Sohn, als der zum Spielfeldrand läuft und aus der Wasserflasche trinken will.

Von Christiane F., der wohl bekanntesten deutschen Fixerin, weiß man, dass sie rückfällig wurde und noch immer Schwierigkeiten hat, im Leben klar zu kommen. Andreas Niedrig nicht. Seine Stimme ist fest und kraftvoll. Wie es ihm geht? "Gut", sagt er, "einfach gut."

Und dabei lässt sich nicht behaupten, der Mann habe nach seiner Therapie nur Glück gehabt, weil seine Frau ihm vergab, zu ihm zurückkehrte, als er clean war, und sein Vater ihm zeigte, wie faszinierend Ausdauersport sein kann. Es gab Rückschläge. Von kleineren, die ihn früher aus der Bahn geworfen hätten, spricht er nicht, aber über die, die für ihn neue Grenzerfahrungen bedeuteten. Als er durch seine sportlichen Erfolge und seine Auftritte im Fernsehen bundesweit bekannt geworden war und hoffte, mit seiner Popularität endlich viel Geld verdienen zu können, wollten die Sponsoren nichts mehr von ihm wissen. Wenn das Fernsehen über Andreas Niedrig berichtete, zeigten die Sender auch Bilder von Dealern oder Junkies, die sich in zugigen Hinterhöfen einen Schuss setzten. Die Verträge platzten. Von Preisgeldern allein konnte Andreas Niedrig auch nicht leben. Eine schwierige Situation.

Aber er gab trotzdem nicht auf, fand neue Sponsoren und hoffte endlich auf die ganz großen Erfolge. Bis zum nächsten Rückschlag vor vier Jahren. Die Verletzung an der Achillessehne, Operationen, Entzündungen, lange Zeit ging nichts mehr. "Ich hatte nie an einen Rückfall gedacht, doch in diesen Tagen verlor ich die Lust am Leben", schreibt er in seinem Buch. Aber er dachte nur daran, er tat es nicht. Warum nicht? "So'n bisschen clean geht nicht. Wenn man sich seinen Problemen nicht stellt, dann ist man irgendwann wieder dauerbreit." Wie hat er das Problem gelöst? "Ich habe gelernt, mich in schwierigen Momenten nicht zurückzuziehen, sondern mir helfen zu lassen. Ich bin auf Menschen zugegangen, die mir auch in schlechten Zeiten helfen wollten."

Seine Willenskraft ist beeindruckend. Nach der neunten Klasse hatte er die Hauptschule mit einem Notendurchschnitt von 4,5 verlassen, inzwischen hat er seine Fachoberschulreife mit einem Schnitt von 1,7 gemacht. Nach der Therapie verdiente er sein erstes Geld damit, als Aushilfskraft Steine zu sortieren, inzwischen berät er Unternehmen in der Krise und warnt Schulkinder bei Seminaren des Vereins für Arbeits- und Erziehungshilfe vor Drogen.

Die Sachen, sagt er, will er in Zukunft größer aufziehen, mehr Seminare geben. Und gerade ist die Produktion eines Kinofilms über ihn abgeschlossen worden, der Streifen wird im kommenden Jahr bundesweit laufen.

Aber fehlt ihm nicht manchmal der große Kick im Leben? Grenzerfahrungen? Popstars wie Keith Richards von den Rolling Stones prahlen beispielsweise mit ihrem Drogenkonsum. "Diese Leute können mich nicht beeindrucken. Ich weiß doch, wohin das führen kann." Und wie ist es, Junkies zu sehen? "Da entsteht eine Leere in mir. Ich würde gerne helfen, aber ich weiß, ein Junkie kann sich nur selbst helfen."

Zur Person
Andreas Niedrig (39) gehörte Mitte der 90er Jahre zu den weltbesten Triathleten und schaffte die Bestzeit für Triathlon-Einsteiger, die bis heute nicht unterboten wurde. Bekannt wurde er auch, weil er offen über seine Drogenvergangenheit spricht.

Das Buch
"Vom Junkie zum Ironman" hat Andreas Niedrig zusammen mit dem Kriminalpolizisten Jörg Schmitt-Kilian geschrieben, es ist im Heyne-Verlag erschienen.

Der Kinofilm,
in dem das Leben zwischen Drogen und Extremsport gezeigt werden soll, ist für das kommende Jahr geplant. Die Dreharbeiten wurden vor einigen Tagen auf Lanzarote beendet. Der Arbeitstitel des Films lautet "Ironman". Der Sportler wird von Schauspieler Max Riemelt ("Napola") verkörpert, Uwe Ochsenknecht spielt seinen Trainer.

Wednesday, May 30, 2007

Alte, Lahme, Blinde (taz)

Alte, Lahme, Blinde
Es ist wieder Randgruppen-Saison auf dem Mount Everest

TOKIO ap/taz Wie jedes Jahr im Mai tummeln sich derzeit wieder auf dem höchsten Berg der Welt die Alten, Lahmen und Blinden - und die Handytelefonierer. In der vergangenen Woche berichteten wir vom ersten Mobilfunkgespräch eines Briten vom Gipfel des Everest. Jetzt hat endlich wieder ein Alter zugeschlagen und ist den Himalaja-Gipfel hinaufgekraxelt: Der 71 Jahre alte Japaner Katsusuke Yanagisawa hat als bislang ältester Mensch den Everest bezwungen und damit den Rekord eines 70-jährigen Landsmanns gebrochen. Dem Gesetz der Serie folgend, stellt dann demnächst wohl wieder ein Einbeiniger und danach ein Blinder einen Everest-Rekord auf. Und wie jedes Jahr schlagen wir auch diesmal vor: Auf dem Everest sollte endlich ein Alten- und Behindertenheim gebaut werden. Damit den tapferen Bergbezwingern wenigstens der mühsame Rückweg ins Tal erspart bleibt.

Im Stadion lachen die Schweine (taz)

Im Stadion lachen die Schweine
AUS PJÖNGJANG JUTTA LIETSCH

Wie ein erleuchtetes Raumschiff liegt das Stadion mit seinen 150.000 Plätzen auf einer Insel im Taedong-Fluss. Zur Massengymnastik-Show "Arirang", die ihren Namen einem in beiden Teilen Koreas populären Volkslied verdankt, sind über 60.000 Menschen aus ganz Pjöngjang zusammengekommen. Ihre Hoffnungen und ihre Zukunftswünsche bringen sie in riesigen lebenden Bildern zum Ausdruck.

Reise in das abgeschottete Nordkorea: Seitdem das kommunistische Regime im Jahr 2002 begann, Touristen mit der Turn-Show anzulocken, dürfen zu diesem Anlass auch ein paar ausländische Journalisten, die sonst äußerst ungern gesehen sind, Nordkorea besuchen.

Das Programm für solche Touren steht fest. Dazu gehören auch der Besuch des Elternhauses von Staatsgründer Kim Il Sung, die zweistündige Fahrt auf der leeren Autobahn nach Süden zum Grenzort Panmunjon und die große Freundschaftsausstellung im Norden der Hauptstadt.
Allerdings: Versuche, unbegleitet durch Pjöngjang zu gehen, vereiteln die Betreuer. Gespräche mit Einheimischen auf der Straße sind so gut wie unmöglich: "Sie sind hier nicht in einem freien Land", sagt Herr Kim, einer der Begleiter, die Besucher aus dem Ausland betreuen.

Monatelang haben die Schüler der Pjöngjanger Schulen nach dem Unterricht für ihren "Arirang"-Auftritt geübt, in perfektem Gleichklang die Farbtafeln umzuschlagen, mit denen sie immer neue Bilder über die ganze Breite des Stadions zaubern.

Sie zeigen wenig Militärisches - obwohl die offizielle Parole der Regierung "Armee an erster Stelle" lautet. Dafür erscheinen vor allem friedliche Motive - gelbe Kornfelder, lachende Schweine, frisches Gemüse, blühende Begonien, moderne Computer, Labors, Fabriken, Wohnsiedlungen. Am Horizont erhebt sich die goldene Sonne, das Symbol von Kim Il Sung, und eine Wiedervereinigungs-Eisenbahn braust von Nord- nach Südkorea.

Es ist eine Schau, die erstaunt und bestürzt: Hunderte Kinder, viele kaum mehr als sechs Jahre alt, überschlagen sich synchron in der Luft, landen im perfekten Spagat auf dem Boden. Junge Frauen wiegen sich grazil im Tanz. Trapezkünstler lassen sich aus großer Höhe wie Sternschnuppen ins Netz fallen. Und zu allem ertönt eine Mischung aus koreanischen Volksliedern, sozialistischer Marschmusik und aufmunterndem Propaganda-Pop. Doch die Zuschauertribünen im Stadion sind halb leer, und die Schau läuft deshalb kürzer als geplant.

Die Drei-Millionen-Metropole mit ihren enormen Monumenten, den vielen Stadien, breiten Straßen, gewaltigen Wohnblocks und Hochhaussiedlungen präsentiert sich in diesen Tagen freundlich. Trotz Energieknappheit sind die Häuser beleuchtet, an den Uferpromenaden der Flüsse Taedong und Potong blühen Flieder und Forsythien.

Nur wenig lässt erkennen, dass Nordkoreas Wirtschaft am Abgrund steht und seit Jahren mit ausländischer Hilfe vor dem Zusammenbruch bewahrt wird. Nichts verrät flüchtigen Betrachtern auch, dass die Mauer, mit der das Regime seine Untertanen vor äußeren Einflüssen bewahren will, durchlässiger ist als noch vor wenigen Jahren. Wer Kontakt zum Ausland oder zu Reisekadern hat, lässt sich südkoreanische Seifenopern, die neuesten Hollywoodfilme und Zeitschriften mitbringen. Südkoreanische Pop- und Filmstars sind auch im Norden beliebt.

Nordkoreaner, die verdächtigt werden, zu eng mit ausländischen Kollegen zusammenzuarbeiten, werden jedoch wie in früheren Zeiten oft abrupt abgelöst. Die Regierung wacht scharf darüber, dass die Zahl der Ausländer, die permanent in Pjöngjang leben, nicht zu groß wird, rund 300 sind es derzeit. Private Kontakte bleiben Tabu. "Ich bin noch nie bei meinen Mitarbeitern zu Hause eingeladen gewesen", berichtet ein Ausländer, der seit Jahren in Nordkorea lebt, "und ich kenne keinen, dem es anders geht."

Pjöngjang wirkt wie eine besonders gut aufgeräumte Stadt - nicht reich, aber auch nicht besonders arm, wenn man es mit anderen asiatischen Großstädten vergleicht. Einige der Betonsiedlungen sind bunt gestrichen.

Zwei Euro zum Leben

Ganz offensichtlich kann niemand nur von seinem regulären Einkommen leben: Zwischen 3.000 und 5.000 Won verdienen etwa Ärzte und Ingenieure im Monat. Das entspricht zehn bis sechzehn Portionen Eis - umgerechnet 1 bis 2 Euro nach dem Schwarzmarktkurs. "Jeder versucht, sich auf irgendeine Weise noch etwas dazuzuverdienen", sagt ein Mitarbeiter einer der wenigen internationalen Hilfswerke, die noch im Land verblieben sind.

Auf manchen Balkons von Pjöngjang stehen nicht nur Blumentöpfe, sondern Hühner- und Kaninchenkäfige. Wer Verwandte und Bekannte im Ausland hat, lässt sich Kleidung und Haushaltsgeräte mitbringen und verscherbelt sie auf privaten Verkaufstreffen. "Einige reparieren Radios, andere eröffnen eine kleine Garküche oder einen Friseursalon in der Wohnung."

Tausende Besucher drängen sich am Wochenende durch den Mangyongdae-Park zum nationalen Wallfahrtsort, dem Elternhaus des Staatsgründers: Da sind Studentinnen im weißblauen Kleid, Mitarbeiter von Behörden in dunklen Anzügen, Eltern mit ihren Kindern am Arm, dazwischen junge Frauen in leuchtend bunten Glockenkleidern, lieblich wie ein wandelndes Tulpenfeld. Aus den Büschen ertönt feierliche Musik.

Wer das propere Straßenbild stört, wird von Aufpassern verscheucht. So etwa eine Gruppe ärmlicher Frauen, die auf der Straße ein paar Kämme und gebrauchtes Plastikspielzeug feilbieten. Ausländer mit Fotoapparaten sollen nicht in ihre Nähe kommen.
Wie viel großartiger wirkt da doch der Besuch in der "Freundschaftsausstellung" in einem Ausflugsgebiet mit bewaldeten Bergen nördlich der Hauptstadt.

Dort liegen, in zwei Gebäuden hinter meterdicken Mauern, die als Bunker in den Berg hineingebaut sind, untrügliche Beweise für die große Liebe des Auslands zum toten "Präsidenten auf Ewigkeit" Kim Il Sung, und seinem Sohn: Über 220.000 Präsente an den Senior und mehr als 40.000 Geschenke an den Junior, den heutigen Regenten Kim Jong Il.

Die Pistole von Honecker

Neben nordkoreanischen Besuchergruppen wandern ein, zwei Dutzend Ausländer durch die endlosen Flure von Ausstellungsraum zu Ausstellungsraum: Touristen aus Europa und Australien - darunter eine Handvoll Verehrer des nordkoreanischen Regimes, die beim Erinnerungsfoto die Faust zum Himmel recken.

Eine bildhübsche Führerin im roten traditionellen Glockenkleid, Frau Hong, weist mit unermüdlicher Freude auf die Schätze hin: die Eisenbahnwaggons, die einst Stalin und Mao nach Nordkorea sandten; die Pistole von Honecker; der vom rumänischen Diktator Ceausescu selbst geschossene Bär.

Plötzlich wird die Stimmung eisig. Ein Besucher fragt, was denn die Nordkoreaner darüber dächten, dass die Regierung Kim Jong Ils sein teures Geschenkemuseum just im Jahr 1996 errichten ließ - in einer Zeit, als in seinem Land Hunderttausende Menschen verhungerten? Frau Hong wird bleich. "So etwas hat noch nie jemand gesagt!" Die Bevölkerung liebe den Führer, der ihnen seine Schätze geschenkt habe, sehr. Nicht die Regierung, sondern das Volk habe das Gebäude errichtet: "Das können Sie nicht verstehen."

Es ist wahr, Nordkorea ist schwer zu verstehen. Nach dem Willen der Regierung soll das auch so bleiben. Alle Versuche der Journalisten, in Pjöngjang so etwas Harmloses zu tun wie die Geschäfte an der Straße zu betreten, um etwas über Angebot und Preise zu erfahren, scheitern in diesen Tagen: "Das ist gegen die Vorschriften", sagt Herr Kim und steuert stattdessen einen der Devisenläden an, in denen heimische und importierte Schnäpse, Kekse, Waschmaschinen und Seidenstickereien gegen Euro, Dollar und chinesischen Renminbi angeboten werden. Auch Nordkoreaner mit Zugang zu Devisen dürfen hier einkaufen.

Lange Schlangen stehen an den Haltestellen der Oberleitungsbusse und uralten Straßenbahnen aus Leipzig und der früheren Tschechoslowakei. Auf den Straßen rollen betagte Mercedesse und Volvos, dazwischen neuere Toyotas und Nissans. Die Straßen sind, so bestätigen Bewohner Pjöngjangs, in den letzten Monaten trotz aller Wirtschaftssanktionen deutlich belebter als früher. Nur am Sonntag ist es still - Fahrverbot zum Benzinsparen.

Die meisten Hauptstädter sind zu Fuß unterwegs. Überall sind es Frauen, die im Rucksack schwere Bürden tragen. Die Männer hingegen halten oft nur ihre Aktentasche in der Hand - oder transportieren ihre Bündel auf dem Fahrrad.

Denn in Pjöngjang dürfen nur Männer Rad fahren, wie der große Führer befohlen hat. Herr Kim, ein schmaler Mann mit Sinn für Humor, findet das in Ordnung: "Frauen gehen gern zu Fuß", sagt er, ohne die Miene zu verziehen: "Männer hingegen brauchen mehr sportliche Ertüchtigung, deshalb müssen sie das Rad benutzen."

"Ich bin", sagt Kim am Ende der Reise bescheiden, "für den Job als Betreuer vielleicht nicht so gut geeignet, weil man sehr strikt sein muss, was mir eigentlich nicht liegt." Nach seinem Traumberuf gefragt, überlegt er kurz und sagt: "Geschäftsmann."

taz vom 30.5.2007, S. 4, 302 Z. (TAZ-Bericht), JUTTA LIETSCH

DIE ANTI-G-8-BEWEGUNG (taz)

DIE ANTI-G-8-BEWEGUNG AUF EINEN BLICK
Eine sehr bunte Truppe, die hinter den G-8-Protesten steht. Und eine ziemlich unübersichtliche. Parteien sind ebenso Teil der Bewegung wie Linksautonome, Kirchen oder Umweltgruppen. Eine grafische Momentaufnahme des Wirrwarrs kurz vor Beginn des Gipfels in Heiligendamm


Trotzkisten

Besondere Erkennungszeichen auf Demos: Auftreten in Reih und Glied, mit einheitlichen Demo-Schildern und klaren Antworten auf komplizierte Fragen. Aktionsschwerpunkte der trotzkistischen Gruppen in den vergangenen Jahren: zunächst der Versuch, Attac zu unterwandern, später dann die WASG. Die Gruppe Linksruck hat sich aufgelöst und ist in der neuen Linkspartei aufgegangen. Die sozialistische Alternative Voran (SAV) plant den Aufbau einer neuen Linksalternative. Beide pflegen gute Kontakte zu globalisierungskritischen Trotzkisten im Ausland.


Dissent

In diesem Netzwerk tummeln sich die ganz Radikalen: Altautonome, Neuanarchos, WagenburgbewohnerInnen, Hausbesetzer, Frauen-/Lesben-Gruppen und Antifas. Sie sind mal mehr, mal weniger organisiert, für den G-8-Protest aber unverzichtbarer Bestandteil. Aus dem Dissent-Netzwerk kommen die Leute, die für den wildromantischen Widerstandsflair sorgen, Volksküchen, Ökoklos und Bongo-Mucke inklusive. Das herrschende System lehnen sie ab, Hierarchien weitgehend auch. Ihre Plena sind basisdemokratisch organisiert, von den NGOs und Attac halten sie nicht viel. Ihr Aktionsschwerpunkt: die angekündigten und auch nicht angekündigten Blockaden.


Kirche von unten

Die Kirchen waren die Ersten in Deutschland, die sich mit den negativen Auswirkungen von Globalisierung in Deutschland beschäftigt haben. Brot für die Welt, Frieden auf Erden, Aidshilfe - viele der heutigen Attac-Protagonisten waren da noch nicht geboren. Das Dilemma in diesem Jahr: Zeitgleich zum G-8-Gipfel findet in Köln der Evangelische Kirchentag statt. Für die Landeskirche Mecklenburg dennoch keine schwere Entscheidung, wo die Prioritäten liegen: Sie ruft ihre Mitglieder zur Teilnahme an Aktionen in Rostock und Heiligendamm auf. Ihre Protestmittel: Lichterketten und - beten.


Interventionistische Linke
Aus Furcht, im Großbündnis gegen den G-8-Gipfel unterzugehen, haben sich linksradikale Gruppen und Einzelpersonen bereits vor zwei Jahren zum Netzwerk Interventionistische Linke (IL) zusammengeschlossen. Von einigen Autonomen und Anarchos misstrauisch beäugt, gibt es zum Teil personelle Überschneidungen mit Attac und linken NGOs. Weil die IL zugleich in der radikalen linken Szene fest verankert ist, kann man sie als radikal-reformerisches Netzwerk bezeichnen. Die IL organisiert die öffentlichen Blockaden (http://www.block-g8.org/) und gibt die Zeitung G8 Extra heraus.


Die NGOs
40 Nichtregierungsorganisationen vom Aktionsbündnis gegen Aids über Greenpeace bis zum Weltfriedensdienst haben sich zur NGO-Plattform zusammengeschlossen. Neben der Teilnahme an der großen Auftaktdemo am 2. Juni in Rostock organisieren die Gruppen und Verbände vor allem den Alternativgipfel in Rostock, der zeitgleich zum G-8-Gipfel stattfindet. Was die NGOs von den radikalen Gruppen unterscheidet: Sie reden mit den Staatschefs, stellen konkrete Forderungen und erkennen damit den G-8-Gipfel an. Nur der Gewerkschaftsbund ruft offiziell nicht zu den Protesten auf. Man könne nicht im Tagungshotel sitzen und zugleich am Zaun rütteln, lautet die Begründung. Linke Gewerkschafter und vor allem die Gewerkschaftsjugend wollen trotzdem blockieren - wahrscheinlich ihre eigenen Chefs.
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Parteien
Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler ist zwar inzwischen Attac-Mitglied, doch auch er weiß, mehr Unions-Mitglieder wird er deshalb nicht zum G-8-Protest bewegen. Eigentlich auch kein Wunder. Mehr schon, dass sich die Grünen genauso schwertun, den G-8-Protest zu unterstützen. Zwar bekräftigt die Parteispitze, Teil der Bewegung zu sein, den Aufruf des Aktionsbündnisses wollte Grünen-Chefin Claudia Roth aber nicht unterzeichnen. Da hat die Linkspartei mehr Mumm. Vor allem finanziell beteiligt sie sich am Widerstand.

Erst Döner, dann Randale (FR)

Erst Döner, dann Randale
Die autonome Szene übt für Heiligendamm / Das Ziel: Der Zaun soll fallen
VON BERNHARD HONNIGFORT

Hamburg. Vor dem "Pamukkale Grill" in der Hamburger Susannenstraße: Pfingstmontagabend, Nieselregen, langsam wird es dunkel. Ein Mann im grauen Pullover zieht sinnierend an seiner Zigarette. Er deutet auf den silbernen Geländewagen: "Wenn der jetzt kaputt geht, der ist bestimmt noch nicht bezahlt. Wer kommt für den Schaden auf?"Dann tritt er zurück in den Grill. Von rechts rennen vermummte Autonome die Straße herunter vorbei am Geländewagen. Der bleibt verschont. Einige zerbeulen mit Tritten und Stockschlägen einen kleinen Ford, der verloren an der Ecke steht. Die Restaurantbesitzer haben hastig ihre Tische von den Bürgersteigen geholt, Fahrräder losgekettet und in Sicherheit gebracht.

Ein Autonomer läuft in den Grill. Ein junger Mann, Sonnenbrille, St. Pauli und Totenkopf auf dem Shirt. Er kauft einen Döner, zahlt, geht weiter, nimmt draußen eine Biomülltonne mit, kippt sie auf die Bartelsstraße. Andere werfen weitere Mülltonnen dazu, versuchen vergeblich, den Haufen aus Tonnen, einer Kabelrolle und Salatresten anzuzünden.Von rechts rennt ein Trupp gepanzerter Polizisten auf die Barrikade zu. Die Autonomen flüchten in Nebenstraßen. Hastig eilen zwei Jugendliche mit einer Klappkiste voller Molotowcocktails davon. Einer trinkt sein Bier aus, wirft die Flasche durchs offene Fenster in den Grill. "Woher kommt eigentlich dieser Hass?", fragt der Mann mit der Zigarette. Die Flasche zerschellt auf dem Fußboden.So ging es stundenlang hin und her am Pfingstmontag vor dem Kulturtreff "Rote Flora" im Hamburger Schanzenviertel. Hunderte Polizisten mit Wasserwerfern hatten das verfallene Haus, einen Treffpunkt der autonomen Szene, abgeriegelt. Die meist angetrunkenen Autonomen warfen mit Steinen, Flaschen und Farbbeuteln. Die Polizisten gingen mit Wasserwerfern und Schlagstöcken dazwischen.Es war absehbar. Die große Demonstration - mehr als 4000 Menschen waren am Mittag nach St. Pauli gekommen, um gegen den G8-Gipfel und das Treffen der EU- und Asien-Außenminister in Hamburg zu protestieren - lief am Abend aus dem Ruder. 34 Festnahmen, 86 Menschen in Gewahrsam, ein Polizist zieht in seiner Not die Pistole, schießt aber nicht. Angeführt wurde der Zug von einem schwarzen Block aus etwa 1000 militanten Autonomen, dicht umschlossen von 2800 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet.

Kracher und Stinkbomben

Schon am Nachmittag flogen Kracher in die Polizeireihen, Rauch- und Stinkbomben. "Fight the police", riefen die Autonomen. Pfingstmontag in Hamburg, das war die Generalprobe für Heiligendamm: Die militante Szene, aufgestachelt nach Hausdurchsuchungen in der "Roten Flora", Postkontrollen und der massiven Polizeipräsenz, randaliert sich in Laune. Das große Ziel ist Heiligendamm, dort soll der Zaun fallen. Der Feind, das ist die Polizei, der Staat, die EU; Widerstand ist Pflicht. Die Polizei hält mit "Null Toleranz" und Wasserwerfern dagegen.

Merkwürdige Szenen spielen sich ab. Eine junge Frau verspeist ihren Flammkuchen im Bistro, zahlt, zieht sich Kapuze und Schal über, geht ein paar Schritte rüber zur Polizeikette und brüllt: "Ihr seid lächerlich."Als der Regen stärker wird, verschwinden die meisten. An der roten Ampel vor der Schanzenstraße wartet eine Gruppe Autonomer. Keine Autos, kein Verkehr, die Straße ist weiträumig gesperrt, aber die Autonomen warten an der Ampel. Als sie grün wird, gehen sie los. Tadellos. An der S-Bahnhaltestelle Sternschanze warten Polizisten vor ihren Autos auf den Feierabend. Als die Autonomen sie erblicken, ballen sie die Fäuste und rufen auf Englisch: "Revolution, Revolution."

Die "schönsten Franzosen" erobern Berlin (FR)

Die "schönsten Franzosen" erobern Berlin

Berlin (dpa) - Es ist eine Ausstellung der Superlative wie zur MoMA-Schau vor drei Jahren: Am 1. Juni eröffnet in Berlins Neuer Nationalgalerie eine spektakuläre Schau mit 150 französischen Spitzenwerken des 19. Jahrhunderts aus dem Metropolitan Museum of Art in New York. Und wie damals, als mehr als eine Million Besucher die Stars des 20. Jahrhunderts bestaunten, werden Manet, Gauguin und die anderen Meister aus Frankreich bis zum 7. Oktober der Hauptstadt wohl wieder das wichtigste Kulturereignis des Jahres bescheren.

"Die schönsten Franzosen kommen aus New York" - mit dem flotten Spruch auf den Plakaten, die als bunter Luftpostumschlag seit Wochen auf Bussen und Haltestellen für die Ausstellung werben, kündigt sich wieder ein langer Berliner Kunstsommer an. Nach dem sensationellen Erfolg mit der Schau aus dem Museum of Modern Art (MoMA), wird im gläsernen Bau Mies van der Rohes nun wieder Exklusives aus der Neuen Welt präsentiert. Viele Häuser bewarben sich um die Schätze - Berlin bekam den Zuschlag.Weil das Metropolitan Museum umbaut, schickten die New Yorker die Bilder auf Reisen. Das Haus am Central Park beherbergt neben dem Musee d'Orsay in Paris die größte Sammlung französischer Kunst des 19. Jahrhunderts. Viele Werke haben die USA zum ersten Mal verlassen.Mit den Erwerbungen aus Frankreich wollten die Initiatoren des 1870 gegründeten "Met" einen Grundstock der Moderne legen. Die Geschäftsleute, Bankiers und Intellektuelle verstanden ihre Aufgabe als Erziehungsauftrag, orientierten sich bei den Anschaffungen an "Weltkunst in einem umfassenden Sinne". In Berlin werden Sehenswürdigkeiten wie Ingres' "Odaliske in Grisaille", Courbets "Frau mit Papagei" oder Manets "Im Boot" präsentiert.Es ist eine Begegnung mit Ikonen der Kunst, zu denen Degas' "Tanzstunde" ebenso gehört wie Rodins Skulptur "Die Bürger von Calais", die als Blickfang in der obersten Etage der Nationalgalerie gezeigt wird. Erst im Untergeschoss öffnet sich den Betrachtern die Pracht der Bilder und die Kraft der Farben.Peter Raue, Initiator der Ausstellung und Vorsitzender des Vereins der Freunde der Neuen Nationalgalerie, rechnet in den vier Monaten der Ausstellung mit rund einer halben Million Besucher. Zur MoMA- Schau bildeten sich sieben Monate lang bis zum letzten Tag riesige Schlangen vor der Neuen Nationalgalerie und bescherten dem Verein einen Gewinn von rund sechs Millionen Euro, der in den Kauf neuer Werke investiert wird.Auch die "Franzosen" werden wieder die Kassen klingen lassen. Etwa acht Millionen Euro kostet die Ausstellung, eine Million wird für Werbung ausgegeben. Der Verein hat mit der WestLB und anderen Unternehmen gewichtigte Sponsoren gewonnen. Von Karten ab fünf Euro bis zu VIP-Tickets für 30 Euro, die den Besuch für bestimmte Termine und ohne Schlange garantieren - der Publikumserfolg dürfte jetzt schon feststehen.Über den kulturpolitischen Nutzen der Mega-Schau sind sich Berlins Museen offenbar nicht ganz sicher. Parallel zur "Met-"Schau präsentiert die Alte Nationalgalerie die Impressionisten aus den eigenen Beständen und setzt damit einen Kontrapunkt zum "Blockbuster" am Potsdamer Platz.

www.metinberlin.org

Kacheln statt Kinder (FR)

Kacheln statt Kinder
Vier Jahre nach dem Ende ihrer Schwimmkarriere will die Olympiadritte Cathleen Rund wieder gewinnen - auf der Langstrecke
VON NADJA ERB

Ihr Leben mit knapp 30 Jahren hatte sich Cathleen Rund eigentlich so vorgestellt: Kinder, Ehemann, fester Job. Ein Haus, das sie schön einrichten kann, mit einem kleinen Gemüsegarten. Vielleicht ein Hund. Die Realität sieht anders aus. Der Tag der 29-Jährigen beginnt um 6 Uhr morgens mit zwei Stunden Training in der Schwimmhalle des SC Wiesbaden. Um halb neun fängt ihr Dienst bei der Polizei in der hessischen Landeshauptstadt an, wo sie sich zur Kommissarin ausbilden lässt. Nach Dienstschluss um 17 Uhr ist wieder Kachelnzählen angesagt - bis 20 Uhr."Klar, das ist hart, aber ich habe es nicht anders gewollt", sagt die gebürtige Berlinerin, die früher für die SG Neukölln startete. Im August 2006 hat sie den Schalter umgelegt: Sie verschob ihre Diplomarbeit in Sportwissenschaften, begann ihre Ausbildung bei der Sportfördergruppe der Polizei und gleichzeitig mit umfangreichem Leistungstraining - ganze vier Jahre nach dem Ende ihrer Schwimmkarriere will sie auf der Langstrecke noch einmal um internationale Titel kämpfen. Der Polizeipräsident habe sie gebeten, es doch noch einmal zu versuchen, erzählt Rund, die trotz ihrer langen Haare, der schlanken Figur und der mädchenhaften Sommersprossen kraftvoll, zäh und durchsetzungsfähig wirkt. Sie habe Ja gesagt. "Und ich mache keine halben Sachen."

Zweimal EuropameisterinIn den 90er Jahren war Cathleen Rund eine der erfolgreichsten deutschen Schwimmerinnen: 1995 und 1997 wurde sie Europameisterin über 200 Meter Rücken, bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 holte sie Bronze über ihre Paradestrecke. Die Tochter der Schwimmeuropameisterin Evelyn Stolze und des DDR-Nationalspielers im Wasserball, Peter Rund, begann ihre Laufbahn als Elfjährige auf der Ostberliner Sportschule. Ihr Trainer war Dieter Lindemann, der auch Franziska van Almsick zu ihren ersten großen Erfolgen führte. "Bei ihm habe ich das Fundament erworben: Disziplin, Kampfgeist, Durchhaltevermögen", sagt Rund.Doch in Sydney 2000 und in den Jahren danach blieben die Medaillen aus. Als sie 2003 die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Barcelona knapp verpasste, beschloss sie, einen Schlussstrich zu ziehen. "Ich wollte einfach keine mittelmäßige Athletin sein", erklärt Rund. Dann lieber eine gute Trainerin: 2004 kam sie zur SG Frankfurt und betreute dort die Leistungssportler.Zweifel, es nicht zu schaffen, ihre Klasse von einst nicht mehr zu erreichen, beschleichen die ehrgeizige Frau auch jetzt hin und wieder, obwohl sie bislang gut abschnitt. Bei der nationalen Wintermeisterschaft in Hannover im November war sie Schnellste über zehn Kilometer, zuletzt gewann sie bei der süddeutschen Meisterschaft in Karlsruhe die Titel über 200 Meter Lagen und Rücken. Trotzdem: "Im Schwimmen ist man mit 29 asbach-uralt", stellt sie trocken fest. Um gleich hinterherzuschicken, dass ja auch Über-40-Jährige in Ausdauerdisziplinen wie Marathon noch gut unterwegs seien. "Das motiviert."
Das Ziel heißt Peking 2008Pragmatisch, wie Cathleen Rund ist, konzentriert sie sich auf die Langstrecken, "das halte ich für am realistischsten". Ihr Ziel: 2008 in Peking die zehn Kilometer zu schwimmen. Dass sie da auf harte Konkurrenz im deutschen Lager trifft, schreckt sie nicht - im Gegenteil. Als Ansporn hat sie sich schon mal zu Hause das Bild von Langstreckenweltmeisterin Angela Maurer aufgehängt. "An der will ich vorbei", sagt Cathleen Rund.Wichtigste Stütze auf dem Weg dorthin ist ihr Lebensgefährte und Trainer Oliver Großmann. Dass ihr Partner ein Insider im Schwimmsport sei, helfe sehr, meint Cathleen Rund. "Was ich hier mache, verstehen ja sonst nur ganz wenige Leute. Außerdem sehe ich ihn so wenigstens jeden Tag, zumindest in der Schwimmhalle."Sie sei glücklich, wieder Leistungssportlerin zu sein, sagt die Wiesbadenerin. Wieder auf ein Ziel hinzuarbeiten. Auch wenn sie dafür kaum Zeit hat, sich um ihre Wohnung zu kümmern oder die Zeitschrift National Geographic durchzulesen, die sie abonniert hat ("mein Kontakt zur Außenwelt"). Vielleicht kommen Kinder und Haus und Hund irgendwann. Aber wohl erst nach Peking 2008.

Wednesday, May 16, 2007

Wundersame Reise im Reich der großen Führer (Berliner)

Wundersame Reise im Reich der großen Führer
In Nordkorea erfährt der Tourist Erstaunliches: Das Volk findet Jeans unmodern, schützt das Klima und hat gut zu essen
Eduard Esser

PJÖNGJANG. Der "Marsch des großen Führers" erklingt in einer Endlosschleife aus mehreren Boxen. Die fensterlose Halle ist in rubinrotes Licht getaucht, vier Strahler leuchten den Sarg aus. Aufgebahrt hinter dickem Panzerglas liegt der Leichnam Kim Il Sungs, die Augen geschlossen. Der Körper im dunklen Zweireiher, die Beine sind von einer roten Fahne bedeckt. Männer im Sonntagsstaat mit Kim-Il-Sung-Anstecker am Revers und Frauen in Nationaltrachten warten geduldig vor dem Sarg des "großen Führers", um ihren Kotau machen zu dürfen. Einige Nordkoreanerinnen weinen still.

Bevor man zum Totenschrein vorgelassen wird, muss man sich strengen Sicherheitskontrollen unterwerfen. Ähnlich wie bei Tierseuchen waten die Besucher durch Desinfektionswannen. Metalldetektoren suchen Fotoapparate; die sind im Mausoleum verboten. Und direkt vor dem großen Saal pustet eine Luftdusche wie vor Reinsträumen der Chipindustrie den letzten Staub von den Schultern.

Kim Il Sung, der 1994 starb, wird verehrt wie kein anderer in Nordkorea. Überall im Land ist das Gesicht des Staatsgründers zu sehen. "Unser großer Führer Kim Il Sung ist immer bei uns", steht unter einem 20 Meter hohen Porträt im Pjöngjanger Zentrum gemeißelt. Viele Nordkoreaner tragen einen roten Anstecker mit dem Bild des "großen Führers", in keiner Wohnung fehlen seine Fotos und die seines Sohnes Kim Jong Il.

1 500 Besucher pro Jahr erlaubt

Jährlich lässt das Regime etwa 1 500 westliche Touristen in den Norden der koreanischen Halbinsel, jeden Dienstag und Samstag fliegt die nationale Fluglinie Air Koryo Peking an und verbindet das Reich der Kims mit der Außenwelt. In der Kabine der Tupolew 154 aus sowjetischer Produktion beschallen heroische klingende Revolutionslieder die Reisenden. In sozialistisches Rot gekleidete Stewardessen reichen zur Lektüre das englischsprachige Parteiorgan "Pyongyang Times", von dessen Titelbild der "geliebte Führer" Kim Jong Il verkrampft grinst.

"Herzlich Willkommen in Pjöngjang der Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Korea, dem Land des Präsidenten Kim Il Sung und des geliebten Führers Kim Jong Il. Es sind sechs Grad Außentemperatur, wir hoffen Sie hatten einen angenehmen Flug", flötet eine Flugbegleiterin nach anderthalb Stunden Flug in exzellentem Englisch.

Fortan wird der Reisende streng bewacht von zwei staatlichen Aufpassern. Für jedes Foto muss einer der Reiseleiter um Erlaubnis gebeten werden. Aufnahmen von Baustellen oder Motiven, die das Land rückständig oder in unvorteilhaftem Licht erscheinen lassen könnten, sind nicht erlaubt. Tabu sind Bilder von Soldaten, dabei wimmelt es im Land nur so von Uniformen. Bei einer Einwohnerzahl von 23 Millionen Menschen verfügt Nordkorea mit rund 1,2 Millionen Soldaten über die fünftgrößte Armee der Welt.

Nach ausgiebiger Gepäckkontrolle geht es mit dem Auto in Richtung Innenstadt. Kurz vor dem Zentrum versperrt ein monumentales Bauwerk den Weg: ein Triumphbogen. Um fünf Meter überragt das nordkoreanische Jubeltor sein Pariser Pendant. Im Schatten des Ehrenmals, das an den Krieg gegen die japanischen Besatzer erinnern soll, hat sich ein Stau gebildet: sieben blau-weiße Oberleitungsbusse. Das Stromkabel ist gerissen. In den Bussen fügen sich die dicht gedrängten Fahrgäste ihrem Schicksal. Einige schlafen, andere starren in die Ferne. Eine beschädigte Oberleitung passt nicht in die akkurate Planung. "Das ist doch nicht interessant, so etwas sehen sie zu Hause fast jeden Tag", versucht einer der nordkoreanischen Reiseleiter abzulenken.

Ein plumper Versuch, aber ansonsten hat die staatliche Propaganda auf so ziemlich alle Fragen eine Antwort parat. Warum sonntags ein Fahrverbot in Pjöngjang herrscht, wird nicht etwa mit mangelnden Treibstoffreserven begründet, sondern mit der Vorreiterrolle Nordkoreas im Kampf gegen die globale Erwärmung. Jeans würden nur aus einem einzigen Grund nicht getragen: Sie seien seit den 70er-Jahren aus der Mode, man könne nicht verstehen, warum sich die Menschen im Westen noch immer in Denim zwängen.

Die 70er-Jahre, das scheint das richtige Jahrzehnt für diese Stadt zu sein. Pjöngjang wirkt wie eine überdimensionierte Kulisse für einen Revival-Film der Schlaghosendekade. Plattenbauten prägen das Bild, die Straßen sind auffallend sauber, die öffentlichen Plätze menschenleer. In Pjöngjang ist die Zeit stehen geblieben, vom westlichen Einfluss und der Globalisierung losgelöst: keine schrille Leuchtreklame, stattdessen reichlich sozialistische Losungen.

Die staatliche Propaganda ist omnipräsent. Das Staatsfernsehen zeigt beinahe rund um die Uhr Diktator Kim Jong Il. Andere Informationen sind nicht zu bekommen. Radios, die in man Nordkorea kaufen kann, sind so manipuliert, dass südkoreanische Sender nicht zu empfangen sind. Das Internet ist nur einer kleinen Führungskaste zugänglich, und das funktionstüchtige Mobilfunknetz dürfen die Bürger nicht nutzen. Nach einer Testphase wurden sämtliche Handys wieder eingesammelt. Auch Touristen müssen am Flughafen das Taschentelefon abgeben.
Die einzigen Handys befinden sich hinter massiven Bronzetüren im Museum der Völkerfreundschaft, im Norden des Landes. In diesem 400 Meter tief in das Mjohjang-Gebirge getrieben Stollen sind angeblich sämtliche Geschenke ausgestellt, die Kim Vater und Sohn bekommen haben: Gepanzerte Autos von Stalin, ein geschmackvoll eingerichteter Eisenbahnwaggon von Mao, ein angeblich selbst erlegter Bär vom rumänischen Diktator Ceausescu und südkoreanische Mobiltelefone. In der Asservatenkammer finden sich viele Geschenke und Kunstschätze längst verblichener sozialistischer Regierungen. Seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Weltordnung und dem Beginn der internationalen Isolation Nordkoreas Anfang der 90er-Jahre sieht es mit Staatsgeschenken mau aus. Deshalb wird jedes Präsent, sei es noch so schäbig, ausgestellt und mit einer zweisprachigen Beschreibung versehen. So wird die milde Gabe eines anonymen "deutschen Staatsbürgers", das Standardwerk "Die Welt der Architektur" in Taschenbuchausgabe, als Staatsgeschenk gefeiert.
Zwölf Jahre ist Kim Il Sung schon tot, doch noch immer hat er das Amt als "Präsident Nordkoreas" inne. Sein Sohn führt das Land - auch ohne Präsidentenamt - mit einer aggressiven Politik. Das Thema Nuklearwaffen ist Teil der Propaganda: "Wir müssen uns verteidigen, schließlich sind in dieser Sekunde mehr als 1 500 amerikanische Atomraketen von Südkorea auf uns gerichtet", erklärt der Reiseleiter.

Tatsächlich waren während des Kalten Krieges etwa hundert Raketen mit Atomsprengköpfen in Südkorea stationiert, aber dass im September 1991 sämtliche Atomwaffen abgezogen wurden, verschweigt man bewusst. Dass sich im Januar 1992 Nord- und Südkorea vertraglich auf eine kernwaffenfreie Halbinsel geeinigt haben, ist in der nordkoreanischen Bevölkerung unbekannt. Vielmehr erklärt die nationale Propaganda die USA zum Hauptfeind und schwört die nordkoreanische Bevölkerung auf ein Duell zwischen Nordkorea und dem "amerikanischen Aggressor" ein.

Werden die Reiseleiter auf Unterernährung und Hunger angesprochen, geben sie offen zu, dass es in der Vergangenheit Probleme gegeben habe, doch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass durch das "großartige Engagement des Genossen Kim Jong Il" die Krise gemeistert worden konnte.

Wie zum Beweis findet Tag für Tag in einem etwa 50 Meter langen, weißen Wellblechcontainer im Pjöngjanger Stadtzentrum ein besonderes Spektakel statt: Gekonnt wirft ein Koch einen Pfannkuchen in die Luft und fängt ihn mit der Pfanne wieder auf. Eine junge Köchin erhitzt in einem Wok Bohnenmus für eine Süßspeise. Fest umklammern ihre Hände den Holzlöffel, gleichmäßig rührt sie die braune Masse. Für 3 000 nordkoreanische Won gibt es eine Pizza, belegt mit Hackfleisch, grüner Paprika und geriebenem Käse. 3 000 Won - das entspricht ungefähr einem Euro oder aber einem Drittel eines durchschnittlichen nordkoreanischen Monatslohns. Die meisten Nordkoreaner können diese Köstlichkeit deshalb nur bestaunen.

Berliner Zeitung, 16.05.2007