Knaller an der Zeitungsfront

Wednesday, May 30, 2007

Kacheln statt Kinder (FR)

Kacheln statt Kinder
Vier Jahre nach dem Ende ihrer Schwimmkarriere will die Olympiadritte Cathleen Rund wieder gewinnen - auf der Langstrecke
VON NADJA ERB

Ihr Leben mit knapp 30 Jahren hatte sich Cathleen Rund eigentlich so vorgestellt: Kinder, Ehemann, fester Job. Ein Haus, das sie schön einrichten kann, mit einem kleinen Gemüsegarten. Vielleicht ein Hund. Die Realität sieht anders aus. Der Tag der 29-Jährigen beginnt um 6 Uhr morgens mit zwei Stunden Training in der Schwimmhalle des SC Wiesbaden. Um halb neun fängt ihr Dienst bei der Polizei in der hessischen Landeshauptstadt an, wo sie sich zur Kommissarin ausbilden lässt. Nach Dienstschluss um 17 Uhr ist wieder Kachelnzählen angesagt - bis 20 Uhr."Klar, das ist hart, aber ich habe es nicht anders gewollt", sagt die gebürtige Berlinerin, die früher für die SG Neukölln startete. Im August 2006 hat sie den Schalter umgelegt: Sie verschob ihre Diplomarbeit in Sportwissenschaften, begann ihre Ausbildung bei der Sportfördergruppe der Polizei und gleichzeitig mit umfangreichem Leistungstraining - ganze vier Jahre nach dem Ende ihrer Schwimmkarriere will sie auf der Langstrecke noch einmal um internationale Titel kämpfen. Der Polizeipräsident habe sie gebeten, es doch noch einmal zu versuchen, erzählt Rund, die trotz ihrer langen Haare, der schlanken Figur und der mädchenhaften Sommersprossen kraftvoll, zäh und durchsetzungsfähig wirkt. Sie habe Ja gesagt. "Und ich mache keine halben Sachen."

Zweimal EuropameisterinIn den 90er Jahren war Cathleen Rund eine der erfolgreichsten deutschen Schwimmerinnen: 1995 und 1997 wurde sie Europameisterin über 200 Meter Rücken, bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 holte sie Bronze über ihre Paradestrecke. Die Tochter der Schwimmeuropameisterin Evelyn Stolze und des DDR-Nationalspielers im Wasserball, Peter Rund, begann ihre Laufbahn als Elfjährige auf der Ostberliner Sportschule. Ihr Trainer war Dieter Lindemann, der auch Franziska van Almsick zu ihren ersten großen Erfolgen führte. "Bei ihm habe ich das Fundament erworben: Disziplin, Kampfgeist, Durchhaltevermögen", sagt Rund.Doch in Sydney 2000 und in den Jahren danach blieben die Medaillen aus. Als sie 2003 die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Barcelona knapp verpasste, beschloss sie, einen Schlussstrich zu ziehen. "Ich wollte einfach keine mittelmäßige Athletin sein", erklärt Rund. Dann lieber eine gute Trainerin: 2004 kam sie zur SG Frankfurt und betreute dort die Leistungssportler.Zweifel, es nicht zu schaffen, ihre Klasse von einst nicht mehr zu erreichen, beschleichen die ehrgeizige Frau auch jetzt hin und wieder, obwohl sie bislang gut abschnitt. Bei der nationalen Wintermeisterschaft in Hannover im November war sie Schnellste über zehn Kilometer, zuletzt gewann sie bei der süddeutschen Meisterschaft in Karlsruhe die Titel über 200 Meter Lagen und Rücken. Trotzdem: "Im Schwimmen ist man mit 29 asbach-uralt", stellt sie trocken fest. Um gleich hinterherzuschicken, dass ja auch Über-40-Jährige in Ausdauerdisziplinen wie Marathon noch gut unterwegs seien. "Das motiviert."
Das Ziel heißt Peking 2008Pragmatisch, wie Cathleen Rund ist, konzentriert sie sich auf die Langstrecken, "das halte ich für am realistischsten". Ihr Ziel: 2008 in Peking die zehn Kilometer zu schwimmen. Dass sie da auf harte Konkurrenz im deutschen Lager trifft, schreckt sie nicht - im Gegenteil. Als Ansporn hat sie sich schon mal zu Hause das Bild von Langstreckenweltmeisterin Angela Maurer aufgehängt. "An der will ich vorbei", sagt Cathleen Rund.Wichtigste Stütze auf dem Weg dorthin ist ihr Lebensgefährte und Trainer Oliver Großmann. Dass ihr Partner ein Insider im Schwimmsport sei, helfe sehr, meint Cathleen Rund. "Was ich hier mache, verstehen ja sonst nur ganz wenige Leute. Außerdem sehe ich ihn so wenigstens jeden Tag, zumindest in der Schwimmhalle."Sie sei glücklich, wieder Leistungssportlerin zu sein, sagt die Wiesbadenerin. Wieder auf ein Ziel hinzuarbeiten. Auch wenn sie dafür kaum Zeit hat, sich um ihre Wohnung zu kümmern oder die Zeitschrift National Geographic durchzulesen, die sie abonniert hat ("mein Kontakt zur Außenwelt"). Vielleicht kommen Kinder und Haus und Hund irgendwann. Aber wohl erst nach Peking 2008.

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