Der Spaß wird ernst (Tagesspiegel)
(12.04.2007)
Der Spaß wird ernst
Zu Besuch auf der größten deutschen Blogger-Konferenz „re-publica“ in Berlin
Von Johannes Boie
Als vor circa zwei Jahren der Hype um Weblogs – kurz: Blogs – über die Medienwelt hereinbrach, war die Freude im Netz groß: Von der Demokratisierung des Wissens träumte man, von der Möglichkeit für jeden, per Mausklick weltweit zu publizieren. Doch auf der Konferenz „re-publica“, die seit gestern in Berlin stattfindet, zeigt sich, in welchem Dilemma die Blogger heute stecken – und wie sie versuchen, es zu bewältigen.
Der Ansturm ist groß. Über 700 Leute wollen sich drei Tage lang über die Herausforderungen des Publizierens im Internet informieren und unterhalten. Sich den Traum zu erfüllen, statt als Leser auch als Autor im Netz aktiv zu werden, ist nicht so einfach, wie viele meinen. In technischer und organisatorischer Hinsicht mögen Blogs durchaus ein neues Zeitalter der Massenkommunikation eingeläutet haben. In inhaltlicher Dimension und auch bezüglich ihrer Wahrnehmung haben sich die Hoffnungen bis heute nicht erfüllt. Denn wer gelesen werden will, muss schreiben können, zumindest ein bisschen.
Für den, der die Schreibhürde erfolgreich nimmt, geht der Ärger mitunter erst richtig los. Die Tagesspiegel-Online-Chefin Mercedes Bunz, die selbst ein privates Weblog führt, sieht bereits „eine Welle an Abmahnungen, die auf Blogger niedergehen“. Die allermeisten Netzautoren seien darauf nicht vorbereitet. „In der Verlagswelt gehören rechtliche Fragen zur Tagesordnung, für Privatpersonen stellen Anwaltskosten dagegen oft unbezahlbare Kosten dar“, sagt Bunz. Rechtsanwalt Udo Vetter, der zu den bekanntesten deutschen Bloggern gehört, sieht auch auf Seiten der Autoren Probleme: „Das ist oft ein Aufeinanderprallen von Menschen, die in der digitalen Welt leben und sich der Macht ihrer Online-Publikationen nicht bewusst sind, und von Leuten aus dem analogen Leben, die sehr schnell klagen.“
Neben teuren Abmahnungen gibt es eine weitere Ursache der Professionalisierung: Viele Unternehmen versuchen die Blogosphäre für Schleichwerbung zu missbrauchen. „Gerade jüngere Blogger wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen“, erklärt Johnny Haeusler, der als Gründer von spreeblick.com die Konferenz mitorganisiert hat. Auch mit dem Geldverdienen für Blogger klappt es bislang nicht wie geplant. Abhilfe soll ein von Haeusler gegründetes Werbenetzwerk schaffen, das die Anzeigen für die Betreiber vermarktet. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Eine der ersten Geschäftshandlungen war, präventiv Geld für Abmahnungen bereitzustellen.
Trotz der erzwungenen Professionalisierung wird auf der „re-publica“ der Traum vom demokratischen Massenmedium weitergeträumt. „Es fehlt lediglich an Rahmenbedingungen“, sagt Markus Beckedahl von netzpolitik.org, der ebenfalls zu den Organisatoren gehört. Für ihn ist die Legislative gefordert: „Im Internet müsste man viel mehr gesetzlich regeln.“ Die Zeit der „alten Massenmedien“, glaubt er, sei vorbei.
Dem widerspricht Jan Schmidt, der sich als Soziologe mit Blogs auseinandersetzt. Er sagt, die meisten der Netzautoren hätten gar kein Interesse daran, die etablierten Massenmedien abzulösen. Bei einer Untersuchung zur Themenwahl von Bloggern konnte Schmidt erst an neunter Stelle „Politik“ finden. „Die Mehrheit der Autoren befasst sich mit ihrem persönlichen Befinden oder kommentiert andere Blogs“, erklärt er. Irrelevant sei die Blogosphäre deshalb aber nicht: „Das interessiert zwar 99 Prozent der Leute nicht, ist aber für die Leute selber relevant.“
Bekannt geworden sind bislang nur wenige Weblogs. Sie werden als sogenannte „A-Blogs“ bezeichnet; ein Begriff, der bei vielen Anhängern der traditionell alternativen Blogosphäre Stirnrunzeln auslöst. „A“ hört sich irgendwie undemokratisch an, zumindest für die Bs und Cs. „Die Anzahl der A-Blogs blieb bislang konstant auf einem minimalen Wert“, sagt auch der Soziologe Schmidt. Die Professionalisierung gelingt den wenigsten, viele kommen über das Niveau eines bloßen Internettagebuchs nicht hinaus. Ihre Relevanz beschränkt sich auf den Bekanntenkreis. Und selbst da lebt es sich nicht ganz ungefährlich. Oder, wie der bloggende Anwalt Vetter sagt: „Wer heute ein Weblog hat, braucht Geld, Zeit, Nerven – und einen guten Anwalt.“
Links zum Thema:
Markus Beckedahl: netzpolitik.org
Mercedes Bunz: mercedes-bunz.de und tagesspiegel.de
Jan Schmidt: bamberg-gewinnt.de
Udo Vetter: lawblog.de
Der Spaß wird ernst
Zu Besuch auf der größten deutschen Blogger-Konferenz „re-publica“ in Berlin
Von Johannes Boie
Als vor circa zwei Jahren der Hype um Weblogs – kurz: Blogs – über die Medienwelt hereinbrach, war die Freude im Netz groß: Von der Demokratisierung des Wissens träumte man, von der Möglichkeit für jeden, per Mausklick weltweit zu publizieren. Doch auf der Konferenz „re-publica“, die seit gestern in Berlin stattfindet, zeigt sich, in welchem Dilemma die Blogger heute stecken – und wie sie versuchen, es zu bewältigen.
Der Ansturm ist groß. Über 700 Leute wollen sich drei Tage lang über die Herausforderungen des Publizierens im Internet informieren und unterhalten. Sich den Traum zu erfüllen, statt als Leser auch als Autor im Netz aktiv zu werden, ist nicht so einfach, wie viele meinen. In technischer und organisatorischer Hinsicht mögen Blogs durchaus ein neues Zeitalter der Massenkommunikation eingeläutet haben. In inhaltlicher Dimension und auch bezüglich ihrer Wahrnehmung haben sich die Hoffnungen bis heute nicht erfüllt. Denn wer gelesen werden will, muss schreiben können, zumindest ein bisschen.
Für den, der die Schreibhürde erfolgreich nimmt, geht der Ärger mitunter erst richtig los. Die Tagesspiegel-Online-Chefin Mercedes Bunz, die selbst ein privates Weblog führt, sieht bereits „eine Welle an Abmahnungen, die auf Blogger niedergehen“. Die allermeisten Netzautoren seien darauf nicht vorbereitet. „In der Verlagswelt gehören rechtliche Fragen zur Tagesordnung, für Privatpersonen stellen Anwaltskosten dagegen oft unbezahlbare Kosten dar“, sagt Bunz. Rechtsanwalt Udo Vetter, der zu den bekanntesten deutschen Bloggern gehört, sieht auch auf Seiten der Autoren Probleme: „Das ist oft ein Aufeinanderprallen von Menschen, die in der digitalen Welt leben und sich der Macht ihrer Online-Publikationen nicht bewusst sind, und von Leuten aus dem analogen Leben, die sehr schnell klagen.“
Neben teuren Abmahnungen gibt es eine weitere Ursache der Professionalisierung: Viele Unternehmen versuchen die Blogosphäre für Schleichwerbung zu missbrauchen. „Gerade jüngere Blogger wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen“, erklärt Johnny Haeusler, der als Gründer von spreeblick.com die Konferenz mitorganisiert hat. Auch mit dem Geldverdienen für Blogger klappt es bislang nicht wie geplant. Abhilfe soll ein von Haeusler gegründetes Werbenetzwerk schaffen, das die Anzeigen für die Betreiber vermarktet. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Eine der ersten Geschäftshandlungen war, präventiv Geld für Abmahnungen bereitzustellen.
Trotz der erzwungenen Professionalisierung wird auf der „re-publica“ der Traum vom demokratischen Massenmedium weitergeträumt. „Es fehlt lediglich an Rahmenbedingungen“, sagt Markus Beckedahl von netzpolitik.org, der ebenfalls zu den Organisatoren gehört. Für ihn ist die Legislative gefordert: „Im Internet müsste man viel mehr gesetzlich regeln.“ Die Zeit der „alten Massenmedien“, glaubt er, sei vorbei.
Dem widerspricht Jan Schmidt, der sich als Soziologe mit Blogs auseinandersetzt. Er sagt, die meisten der Netzautoren hätten gar kein Interesse daran, die etablierten Massenmedien abzulösen. Bei einer Untersuchung zur Themenwahl von Bloggern konnte Schmidt erst an neunter Stelle „Politik“ finden. „Die Mehrheit der Autoren befasst sich mit ihrem persönlichen Befinden oder kommentiert andere Blogs“, erklärt er. Irrelevant sei die Blogosphäre deshalb aber nicht: „Das interessiert zwar 99 Prozent der Leute nicht, ist aber für die Leute selber relevant.“
Bekannt geworden sind bislang nur wenige Weblogs. Sie werden als sogenannte „A-Blogs“ bezeichnet; ein Begriff, der bei vielen Anhängern der traditionell alternativen Blogosphäre Stirnrunzeln auslöst. „A“ hört sich irgendwie undemokratisch an, zumindest für die Bs und Cs. „Die Anzahl der A-Blogs blieb bislang konstant auf einem minimalen Wert“, sagt auch der Soziologe Schmidt. Die Professionalisierung gelingt den wenigsten, viele kommen über das Niveau eines bloßen Internettagebuchs nicht hinaus. Ihre Relevanz beschränkt sich auf den Bekanntenkreis. Und selbst da lebt es sich nicht ganz ungefährlich. Oder, wie der bloggende Anwalt Vetter sagt: „Wer heute ein Weblog hat, braucht Geld, Zeit, Nerven – und einen guten Anwalt.“
Links zum Thema:
Markus Beckedahl: netzpolitik.org
Mercedes Bunz: mercedes-bunz.de und tagesspiegel.de
Jan Schmidt: bamberg-gewinnt.de
Udo Vetter: lawblog.de
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