Knaller an der Zeitungsfront

Monday, March 26, 2007

"Wenn er das ernst meint, ist er verrückt" (Welt am Sonntag)

"Wenn er das ernst meint, ist er verrückt"
Der Kabarettist und Boxexperte Werner Schneyder über Henry Maskes Kampf gegen Virgil Hill und warum der Ex-Weltmeister danach aufhören muss

Werner Schneyder erlangte in den 90er-Jahren Kultstatus als Kommentator der Kämpfe von Henry Maske. Sein Fernsehpublikum begrüßte der Österreicher stets mit der Anrede: "Liebe Box-Freunde, Box-Skeptiker, Box-Gegner". Von allen habe er etwas, sagt der jung gebliebene 70-Jährige.

Herr Schneyder, Joyce Carol Oates hat in ihrem Essay "Über Boxen" geschrieben: Boxen hat sehr viel mit Lügen zu tun. Man kultiviert systematisch eine doppelte Persönlichkeit - eine gesellschaftlich akzeptable und die andere, die sich im Ring zeigt. Sind Boxer Lügner?

Das glaube ich nicht. Sie treffen eine Verabredung und benehmen sich innerhalb der Verabredung so, wie sie sich verabredet haben. Das Ballyhoo vor einem Kampf ist keine größere infantile Lüge als die Werbung in unserem Sozialleben.

Warum aber gibt es gerade im Boxen diese Comebacks?

Weil Boxen eine besonders narzisstische Angelegenheit ist, bei dem es ins Heldenhafte geht. Was ich aber in Anführungszeichen setze. Insofern ist das Ganze von Dummheit bestrahlt. Diese Eitelkeit, dieses Nicht-abtreten-Wollen, dieses Ich-bin-immer-noch-der-Dollste-Gefühl, ist im Boxen so ausgeprägt wie in keiner anderen Sportart. Kein Becker, kein Muster, kein Sampras der Welt würde das Gefühl haben, er könnte noch Roger Federer schlagen.

Warum nicht?

Weil er darüber nachdenkt und zu dem Schluss kommt, er kriegt die Bälle um die Ohren. Ich glaube allerdings, bei einem wie Henry Maske ist es ein wenig differenzierter zu sehen als bei Schulz. Schulz hat sich einem 31-Jährigen gestellt, das zeugt von einer Risikobereitschaft, die an Naivität grenzt, um es nett auszudrücken. Maske bedient sich eines Marketingtricks, indem er gegen einen Gleichaltrigen boxt. Das ist ein Seniorenmatch, das ist so, als würde eine Mannschaft von Alt-Internationalen gegen die Ex-Europameister spielen.

Virgil Hill ist aber erst voriges Jahr wieder Weltmeister geworden.

Nichtsdestotrotz ist er als Boxer alt. Maske ist ein ehrgeiziger Trainierer, wird eine fabelhafte Kondition haben, rechnet sich aus, dass sein 43-jähriger Gegner auch keine entschieden größere Physis hat als er. Andererseits ist natürlich unzweifelhaft, dass ein paar Jahre Trainingspause - und hier handelt es sich gleich um zehn - nicht aufholbar sind. Schon gar nicht im Boxen.

Die Boxexperten schütteln auch nur mit dem Kopf. Es jubeln lediglich jene, die damit verdienen.

Es ist dem Boxen immanent, unverantwortliche Dinge zu tun, wenn es ein Geschäft ist. Klar sagen alle Ratgeber - in Anführungszeichen - das Management, die Leute, die mitverdienen: Junge, du bist toll, du bist unverbraucht, du haust noch immer alle vor dir her. Maske hatte ursprünglich gesagt, dass er nur diesen einen Kampf machen möchte. Jetzt sinniert er schon darüber, bei einem Sieg dort weiterzumachen, wo er vor zehn Jahren aufgehört hat. Das ist doch völliger Blödsinn. Wenn er das ernst meint, ist er verrückt. Ein exzellenter 25-Jähriger haut ihn aus den Socken. Das ist Naturgesetz.

Unterliegt Maske der gleichen Selbsttäuschung wie Axel Schulz?

Man kann es nicht ganz vergleichen, aber es handelt sich um eine ähnliche perspektivische Täuschung, der insbesondere Boxer unterliegen. Schulz hätte selbst in seiner besten Zeit größte Schwierigkeiten gehabt, Minto zu schlagen. Genau den gleichen Verdacht habe ich bei Henry Maske. Aber wie das Wort Verdacht sagt, ich bin mir nicht ganz sicher. Maske hat doch verlauten lassen, dass er sich in Testwettkämpfen gewissenhaft geprüft hat. Ich halte ihn für so bewusst und intelligent, dass er in der Lage ist festzustellen: Bin ich nach acht Runden platt, oder bin ich es noch nicht?

Was spricht denn für diesen Kampf?

Aus meiner Sicht gar nichts. Meine These lautet deshalb: Da will das eitle Kind im eitlen Manne noch einmal zu pathetischer Musik einmarschieren, es will noch einmal die Hymne seinetwegen gespielt hören, es will noch einmal seinem Volk schwitzend und atemlos erklären, wie gut er war, wie unglaublich stark der Gegner und wie fabelhaft er selbst. Und dann will dieses im Gesicht leicht verschwollene Machokind im Abgehen noch einmal den Rängen zuwinken.

Das klingt sehr zynisch. Gönnen Sie Maske den Erfolg nicht?

Natürlich. Ich halte ihm sogar ein bisschen die Daumen. Wenn er genug Kondition hat, passiv boxt, wenn es kein sehr kämpferischer, sondern ein von Taktik und Kalkül geprägter Kampf wird, und der Wolke immer sagt: Ruhig, ruhig atmen, ruhig - wer weiß, ob Henry da nicht eine Siegchance hat.

Empfänden Sie Mitleid, wenn er verliert?

Ja, weil ich ein Mensch bin, und weil ich ihn mag.

Haben Sie jemals gedacht, dass Maske nach seinem tränenreich inszenierten Rücktritt 1996 in den Boxring zurückkehren würde?

Nein. Was kann einem auch Besseres passieren, als aus solch einer Karriere als eleganter, nicht deformierter, geistig offenbar gesunder Mann mit Wer-bewert herauszukommen. Ich habe mal gesagt: Eines Tages wird der liebe Max Schmeling sterben, und dann gibt es eine Vakanz im öffentlichen Image. Vorzeigeboxer ist eine gesellschaftliche Position. Und die ist für Maske frei. Die riskiert er jetzt.

Inwiefern?

Wenn er eine schlechte Figur abgibt oder verliert oder nur mühselig gewinnt. Ich habe die ganze Zeit gehofft, und tue das noch immer, dass es zu einer Absage des Kampfes kommt. Denn Maske kann nichts gewinnen - außer Geld.

Ist denn Image so wichtig?

Für Maske ganz speziell. Er ist ein Mann, der gern irgendwo hinkommt, und die Leute sagen hört: Schau, da ist Henry Maske. Und zwar mit einem bewundernden, respektvollen Ton. Der Gentleman-Boxer, der in der RTL-Ära das Boxen so aufgewertet hat, dass wie zu Schmelings Zeiten die Kunstszene, die Gesellschaftsszene wieder am Ring sitzen wollte. Auch bei Schulz, der jetzt alles verspielt hat.

Und was droht Maske?

Das Schlimmste, was einem eitlen Menschen drohen kann: Nämlich, dass die Leute nicht mehr sagen: Toll, der Maske - sondern: Hat er das notwendig gehabt?

Das fragt man sich doch schon jetzt.

Was glauben Sie, wie sehr man sich das erst fragt, wenn der Kampf nicht gut wird. Wo steht denn geschrieben, dass Hill gewinnen will?

Hat Hill möglicherweise so viel Geld bekommen, dass er nicht gewinnen darf?

Im Berufsboxen schließe ich nichts aus. Das gilt aber auch für Pferde- oder Autorennen. Oder Radsport. Wenn man sich die Wettskandale im deutschen und italienischen Fußball anschaut, kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, im Berufssport ist nichts mehr auszuschließen. Und das Berufsboxen ist seit jeher ein bevorzugter Platz für Manipulationen.

Sie haben alle zwölf WM-Kämpfe von Maske kommentiert. Freuen Sie sich, ihn wieder im Ring zu sehen?

Ganz klar: nein.

Aber beim Maske-Comeback sitzen Sie sogar als Experte für RTL wieder am Ring. e

Das ist Quatsch. Ich wurde von RTL eingeladen und komme als stinknormaler Zuschauer, weil ich hautnah erleben möchte, ob ich meine Gedanken bestätigt bekomme oder nicht. Es stimmt aber, dass mir RTL ursprünglich die ganze Reportage angeboten hatte.

Und warum machen Sie es nicht?

Nach dem Kampf Schulz gegen Klitschko habe ich gesagt: Ich kommentiere kein Berufsboxen mehr. Für kein Geld der Welt. Der damalige RTL-Chef Hans Mahr hat mich für wahnsinnig erklärt, weil ich doch auf eine - für mich - riesige Gage verzichtet habe, aber einen Rücktritt vom Rücktritt gibt es für mich nicht. Ich kann doch nicht sagen, dass der bei Boxern falsch ist, wenn ich ihn mitmache.

25. März 2007, 00:00 Uhr

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