Die Importweltmeister (Welt am Sonntag)
25. März 2007,
Die Importweltmeister
Der Internetboom geht in die zweite Runde. Leider fällt den Deutschen immer noch wenig dazu ein. Sie klauen lieber Ideen aus den USA
Von wegen "Land der Ideen"! Wenn es um das Internet geht, recycelt der Deutsche lieber die Einfälle anderer. Diesen Eindruck jedenfalls vermitteln die Start-ups der neuen Generation, die sich das Label Web 2.0 angeheftet haben. Überall wird kopiert, was das Zeug hält: Das amerikanische Videotauschportal YouTube erlebt seine deutsche Inkarnation als MyVideo. Die Studenten-Community StudiVZ entpuppt sich als Eins-zu-eins-Kopie des US-Vorbilds Facebook. Und das soziale Netzwerk Xing (ehemals OpenBC) vollzieht erfolgreich nach, was Firmen wie LinkedIn vorgemacht haben.
Es soll die Version 2.0 der Internetwirtschaft sein, doch die Strategie der Gründer stammt noch aus der alten New Economy: US-Webideen kopieren, in Deutschland hochziehen, wenn alles gut läuft, mit Profit an den Ideenlieferanten verkaufen. Oder an sonst wen. Der heilige Gral der sogenannten Copycats scheint immer noch das Auktionshaus Alando zu sein: Dieser deutsche Klon des US-Auktionshauses Ebay wurde Ende der 90er nur vier Monate nach der Gründung vom großen US-Vorbild übernommen - für 43 Millionen Dollar.
Diese Rechnung scheint allerdings heute kaum noch aufzugehen: "Selbst in Deutschland liegen die US-Angebote vor den Nachahmern", sagt Rainer Wiedmann von Aquarius Consulting. Das Münchner Beratungsunternehmen hat in einer Studie die aktuelle Web-2.0-Szene untersucht und herausgefunden, dass trotz der diversen nationalen Konkurrenten die allermeisten Surfer immer noch das Original aus Übersee bevorzugen. Unter den zehn beliebtesten Web-2.0-Portalen in Deutschland etwa finden sich nur drei heimische Anbieter.
Warum gelingt es den Deutschen nicht, zum amerikanischen Wettbewerb aufzuschließen? "Das ist das Gesetz der großen Zahl", meint Frank Böhnke von Wellington Partners, einem der bekanntesten Wagniskapitalgeber hierzulande. Der Finanzprofi hat schon den ersten Goldrausch miterlebt und gehört zu den Veteranen der Branche. Dass Deutschland seitdem nicht aufgeholt hat, führt er vor allem auf die schiere Masse der Angelsachsen zurück: 300 Millionen Menschen in den USA, Kanada und Großbritannien stehen 100 Millionen im deutschen Sprachraum gegenüber, ergibt Faktor drei, rechnet Böhnke vor. Hinzu komme, dass in den USA mehr Menschen schnelle Internetanschlüsse hätten und diese stärker nutzten. "Alles in allem ist der US-Markt um den Faktor fünf größer."
Überdies spielt die geografische Lage gegen Deutschland. Anders als oft gedacht, macht es nämlich auch im elektronischen Geschäft einen Unterschied, wo der Unternehmer sitzt. "Im Silicon Valley haben Sie direkten Zugriff auf Yahoo und Google, diese Firmen vereinen drei Viertel des Suchmarktes auf sich", sagt Investor Böhnke. Hintergrund: Die meisten Web-2.0-Geschäftsmodelle basieren auf Werbeeinnahmen, die wiederum von den Suchmaschinen kommen. Im Vorgarten der Schwergewichte zu sitzen, ist da sehr von Vorteil.
Aber es ist nicht nur der Standort, der den Unterschied macht. "Die deutsche Finanzierungsszene ist zu konservativ", meint Berater Wiedmann, "ein YouTube hätten Sie bei uns nicht finanziert bekommen." Tatsächlich ist die Zahl der Wagniskapitalgeber, die sich noch an Internetfirmen beteiligen, von 100 zur Jahrtausendwende auf ein gutes Dutzend zusammengeschrumpft, schätzt Wellington Partners. Und die verbleibenden Abenteuerlustigen öffnen die Kasse nur zaghaft. "Es vergehen mindestens drei Monate, bis Geld fließt", schätzt Wiedmann. In der Welt des Netzes, wo täglich neue Konkurrenz auf den Markt drängt, ist das eine halbe Ewigkeit.
Paradoxerweise schadet es gerade bei der Kapitalbeschaffung nicht, sich in ausgetretenen Pfaden zu bewegen. Das musste auch Stephan Uhrenbacher, Gründer des Unternehmens Qype, erfahren. Der 37-Jährige hatte vor zwei Jahren die Idee, eine elektronische Version der Gelben Seiten aufzubauen, in denen man Kommentare zu Gaststätten und Geschäften abgeben kann. Zunächst brachte Uhrenbacher die Seite mit eigenen Mitteln ans Netz. Just in dem Monat, als der Gründer auf die Suche nach zusätzlichem Fremdkapital ging, startete in den USA mit Yelp ein ähnlicher Dienst. "Hätte es die nicht gegeben, wäre es uns deutlich schwerer gefallen, Geld zu bekommen", sagt Uhrenbacher. Denn die Investoren fragten nach einem Beweis, dass das Geschäftsmodell funktionieren kann. Weil der Qype-Mann auf ein US-Unternehmen verweisen konnte, stiegen die Chancen, ebenfalls finanziert zu werden. Obwohl die Amerikaner weder sein Vorbild noch erfolgreich waren.
In einem sind sich die Experten allerdings auch einig: Sprachbarrieren, Marktgröße, das etablierte Computertechnik-Soziotop und der Zugang zu schnellem Geld reichen als Erklärungen für die Erfolgs- und Ideenarmut der Deutschen auch in dieser zweiten Runde des Internetbooms nicht aus. Letztendlich gibt ein recht banaler Faktor den Ausschlag, der im Web 2.0 aber besonders wichtig ist: der Mensch. "Sich miteinander verbinden, das können die Amerikaner viel besser", sagt Experte Wiedmann.
Bis der Importweltmeister von Ideen im Web zum Impulsgeber wird, kann es also noch dauern. "Der Aufstieg von der vierten Liga in die Champions League dauert nun mal lange", sagt Böhnke. Dennoch: Bei der nächsten Gründerwelle in fünf Jahren könnte die Alte Welt mehr als nur ein Sparringspartner für das schwergewichtige US-Netzgeschäft sein. "Firmen aus Skandinavien und Deutschland werden stärker wahrgenommen", sagt Uhrenbacher von Qype.
Tatsächlich tauchen zunehmend Global Player mit deutschsprachigen Wurzeln auf - Jajah etwa, ein von zwei Wienern gegründetes Internettelefonie-Unternehmen. Finanziert wird Jajah von großen Westküsten-Kapitalgebern. Dafür mussten die Gründer ihr Hauptquartier allerdings im kalifornischen Mountainview aufschlagen.
Die Importweltmeister
Der Internetboom geht in die zweite Runde. Leider fällt den Deutschen immer noch wenig dazu ein. Sie klauen lieber Ideen aus den USA
Von wegen "Land der Ideen"! Wenn es um das Internet geht, recycelt der Deutsche lieber die Einfälle anderer. Diesen Eindruck jedenfalls vermitteln die Start-ups der neuen Generation, die sich das Label Web 2.0 angeheftet haben. Überall wird kopiert, was das Zeug hält: Das amerikanische Videotauschportal YouTube erlebt seine deutsche Inkarnation als MyVideo. Die Studenten-Community StudiVZ entpuppt sich als Eins-zu-eins-Kopie des US-Vorbilds Facebook. Und das soziale Netzwerk Xing (ehemals OpenBC) vollzieht erfolgreich nach, was Firmen wie LinkedIn vorgemacht haben.
Es soll die Version 2.0 der Internetwirtschaft sein, doch die Strategie der Gründer stammt noch aus der alten New Economy: US-Webideen kopieren, in Deutschland hochziehen, wenn alles gut läuft, mit Profit an den Ideenlieferanten verkaufen. Oder an sonst wen. Der heilige Gral der sogenannten Copycats scheint immer noch das Auktionshaus Alando zu sein: Dieser deutsche Klon des US-Auktionshauses Ebay wurde Ende der 90er nur vier Monate nach der Gründung vom großen US-Vorbild übernommen - für 43 Millionen Dollar.
Diese Rechnung scheint allerdings heute kaum noch aufzugehen: "Selbst in Deutschland liegen die US-Angebote vor den Nachahmern", sagt Rainer Wiedmann von Aquarius Consulting. Das Münchner Beratungsunternehmen hat in einer Studie die aktuelle Web-2.0-Szene untersucht und herausgefunden, dass trotz der diversen nationalen Konkurrenten die allermeisten Surfer immer noch das Original aus Übersee bevorzugen. Unter den zehn beliebtesten Web-2.0-Portalen in Deutschland etwa finden sich nur drei heimische Anbieter.
Warum gelingt es den Deutschen nicht, zum amerikanischen Wettbewerb aufzuschließen? "Das ist das Gesetz der großen Zahl", meint Frank Böhnke von Wellington Partners, einem der bekanntesten Wagniskapitalgeber hierzulande. Der Finanzprofi hat schon den ersten Goldrausch miterlebt und gehört zu den Veteranen der Branche. Dass Deutschland seitdem nicht aufgeholt hat, führt er vor allem auf die schiere Masse der Angelsachsen zurück: 300 Millionen Menschen in den USA, Kanada und Großbritannien stehen 100 Millionen im deutschen Sprachraum gegenüber, ergibt Faktor drei, rechnet Böhnke vor. Hinzu komme, dass in den USA mehr Menschen schnelle Internetanschlüsse hätten und diese stärker nutzten. "Alles in allem ist der US-Markt um den Faktor fünf größer."
Überdies spielt die geografische Lage gegen Deutschland. Anders als oft gedacht, macht es nämlich auch im elektronischen Geschäft einen Unterschied, wo der Unternehmer sitzt. "Im Silicon Valley haben Sie direkten Zugriff auf Yahoo und Google, diese Firmen vereinen drei Viertel des Suchmarktes auf sich", sagt Investor Böhnke. Hintergrund: Die meisten Web-2.0-Geschäftsmodelle basieren auf Werbeeinnahmen, die wiederum von den Suchmaschinen kommen. Im Vorgarten der Schwergewichte zu sitzen, ist da sehr von Vorteil.
Aber es ist nicht nur der Standort, der den Unterschied macht. "Die deutsche Finanzierungsszene ist zu konservativ", meint Berater Wiedmann, "ein YouTube hätten Sie bei uns nicht finanziert bekommen." Tatsächlich ist die Zahl der Wagniskapitalgeber, die sich noch an Internetfirmen beteiligen, von 100 zur Jahrtausendwende auf ein gutes Dutzend zusammengeschrumpft, schätzt Wellington Partners. Und die verbleibenden Abenteuerlustigen öffnen die Kasse nur zaghaft. "Es vergehen mindestens drei Monate, bis Geld fließt", schätzt Wiedmann. In der Welt des Netzes, wo täglich neue Konkurrenz auf den Markt drängt, ist das eine halbe Ewigkeit.
Paradoxerweise schadet es gerade bei der Kapitalbeschaffung nicht, sich in ausgetretenen Pfaden zu bewegen. Das musste auch Stephan Uhrenbacher, Gründer des Unternehmens Qype, erfahren. Der 37-Jährige hatte vor zwei Jahren die Idee, eine elektronische Version der Gelben Seiten aufzubauen, in denen man Kommentare zu Gaststätten und Geschäften abgeben kann. Zunächst brachte Uhrenbacher die Seite mit eigenen Mitteln ans Netz. Just in dem Monat, als der Gründer auf die Suche nach zusätzlichem Fremdkapital ging, startete in den USA mit Yelp ein ähnlicher Dienst. "Hätte es die nicht gegeben, wäre es uns deutlich schwerer gefallen, Geld zu bekommen", sagt Uhrenbacher. Denn die Investoren fragten nach einem Beweis, dass das Geschäftsmodell funktionieren kann. Weil der Qype-Mann auf ein US-Unternehmen verweisen konnte, stiegen die Chancen, ebenfalls finanziert zu werden. Obwohl die Amerikaner weder sein Vorbild noch erfolgreich waren.
In einem sind sich die Experten allerdings auch einig: Sprachbarrieren, Marktgröße, das etablierte Computertechnik-Soziotop und der Zugang zu schnellem Geld reichen als Erklärungen für die Erfolgs- und Ideenarmut der Deutschen auch in dieser zweiten Runde des Internetbooms nicht aus. Letztendlich gibt ein recht banaler Faktor den Ausschlag, der im Web 2.0 aber besonders wichtig ist: der Mensch. "Sich miteinander verbinden, das können die Amerikaner viel besser", sagt Experte Wiedmann.
Bis der Importweltmeister von Ideen im Web zum Impulsgeber wird, kann es also noch dauern. "Der Aufstieg von der vierten Liga in die Champions League dauert nun mal lange", sagt Böhnke. Dennoch: Bei der nächsten Gründerwelle in fünf Jahren könnte die Alte Welt mehr als nur ein Sparringspartner für das schwergewichtige US-Netzgeschäft sein. "Firmen aus Skandinavien und Deutschland werden stärker wahrgenommen", sagt Uhrenbacher von Qype.
Tatsächlich tauchen zunehmend Global Player mit deutschsprachigen Wurzeln auf - Jajah etwa, ein von zwei Wienern gegründetes Internettelefonie-Unternehmen. Finanziert wird Jajah von großen Westküsten-Kapitalgebern. Dafür mussten die Gründer ihr Hauptquartier allerdings im kalifornischen Mountainview aufschlagen.
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