Knaller an der Zeitungsfront

Saturday, September 13, 2008

Unter Krautern (FR)

Unter Krautern
In der Berliner CDU fiel die Mauer nie
VON BERNHARD HONNIGFORT
Berlin. Der dunkle Anzug: tadellos. Das blütenweiße Hemd: kein Fältchen. Die orangefarbene Krawatte: perfekt. Da stand er nun im Flur vor dem Zimmer 311 des Berliner Abgeordnetenhauses, äußerlich eine makellose Erscheinung. Nur das düstere Gesicht sprach die Wahrheit: Es tut so weh. Ich bin ein Wrack, politisch am Ende. "Ich liebe diese Stadt", jammerte der Mann. "Meine Kinder werden hier groß. Ich möchte für sie arbeiten. Das ist meine Lebensaufgabe." Kämpferisch wollte er klingen. Es war Mitleid erregend.Friedbert Pflügers kurze Karriere in der Berliner CDU neigt sich dem Ende zu. Die mächtigen Kreisvorsitzenden wollen ihn nicht, in der Fraktion hagelte es Abwahlanträge gegen den Chef. Am heutigen Donnerstag um elf Uhr wollen sie den Schlussstrich ziehen. Berlins CDU demontiert ihren einzigen vorzeigbaren Politiker.

Das Zerstörungswerk ist schnell beschrieben: Der Fraktionsvorsitzende Pflüger wollte vor einer Woche auch den Landesvorsitz von Parteichef Ingo Schmitt, nachdem ihm Putschgerüchte zu Ohren gekommen waren. Etwas ungeschickt forderte er den Posten. Aber er hatte sich überschätzt und mit den Falschen angelegt. Als hätte er in ein Wespennest gepikst, fiel die CDU über ihren Ex-Hoffnungsträger her. In null Komma nichts machten sie ihn fertig.Die Berliner CDU ist sehr speziell, Pflüger hat das jetzt erfahren. Als er vor knapp drei Jahren kam, sollte er der Retter sein. Er war dritte oder vierte Wahl, denn niemand traute sich, als Spitzenkandidat der CDU in eine Wahl gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu ziehen. Nicht so sehr wegen Wowereit, sondern wegen der CDU. Reihenweise hatten Spitzenleute abgesagt wie Friedrich Merz oder Klaus Töpfer. Nicht einmal in Schutzanzügen wollten sie der CDU nahe kommen.

Pflüger scheiterte grandios

Berlins CDU ist der verstaubteste Landesverband im Reiche Angela Merkels. Dort ist die Mauer nie gefallen: Die allermeisten der 12 000 Mitglieder sitzen in WestBerlin, die tonangebenden Figuren stammen aus dem Westen. Dort liegt die Partei bei 25 Prozent in Umfragen, im Osten bei 13. Sie ist eine 80er-Jahre-Partei geblieben, ein Klüngelverein, der sich so anfühlt, als würde der gemütliche Eberhard Diepgen noch regieren, der Rias senden und Harald Juhnke auf dem Ku'damm singen. Eine schlichte Kleinbürgerpartei mit Bulettengeruch, miefig und krautig, eingemauert wie das alte West-Berlin.

So regierte sie noch bis 2001. Dann fegte der Beinahe-Untergang der Landesbank Diepgen und die CDU davon. Mit ihm Jörg Schönbohm, den knarzigen Innenminister, der gerne die Kreuzberger Multikultiszene aufbrachte. Und Volker Hassemer, den angesehenen Kultursenator. Außerdem Fraktionschef Klaus Landowsky, den alten Strippenzieher.Nach den Westberlinern kam der Sozialdemokrat Klaus Wowereit, der erste Gesamtberliner. Er passte zur Stadt, die sich plötzlich Metropole nannte: frech, leichtlebig, nachtaktiv, ruppig, hemdsärmelig. Er regierte rot-rot und sparte wie ein Schwarzer.

2006 packte Pflüger in Hannover die Koffer. Er gab seinen Posten als Staatssekretär im Verteidigungsministerium auf, gab sein Bundestagsmandat zurück, ließ sich ganz auf Berlin ein. Er wollte die alte CDU auffrischen, öffnen für Junge, Ostberliner, Migranten. Er redete über Klimaschutz und schwarz-gelb-grüne Bündnisse. Er wollte die CDU aus ihrem Kiez befreien und fit machen gegen den Partymeister Wowereit.Er scheiterte grandios. An den Berlinern, die ihn weder mochten noch 2006 wählten. An seiner gestelzten Art. Vor allem aber an seinen Parteifreunden, die ihn und das Erneuerungswerk lieber opfern, als ihm das Pöstchen des Parteivorsitzenden zu geben. Könnte ja jeder kommen.

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