Knaller an der Zeitungsfront

Saturday, July 26, 2008

Sonntag ist Schlachttag (taz)

26.07.2008
Schrift
Gemüseschlacht auf der Oberbaumbrücke
Sonntag ist Schlachttag
Nach dreijähriger Pause gehen Kreuzberger und Friedrichshainer wieder mit Glibber und Gemüse aufeinander los. Auf der Oberbaumbrücke hoffen die Kreuzberger auf einen historischen Sieg. VON MARTIN KAUL

Verfaulte Mettwürste über Totalveganern ausdrücken, fremden Menschen mit eigens kultiviertem Faulwasser die Haare waschen, mit schimmeligen Brotbelägen den Nebenmann füttern - das alles sind keine perversen Fantasien. Am Sonntag ab 12 Uhr herrscht auf der Oberbaumbrücke Krieg. Nach dreijähriger Abstinenz rüstet die Berliner Ekelavantgarde wieder zur Wasserschlacht auf.

Zu klären sind die Gebietsstreitigkeiten über die Hoheitsgewalt von Friedrichshain-Kreuzberg, die mit den Plänen zur Berliner Bezirksgebietsreform Ende der 90er-Jahre ihren Ausgang nahmen. Seitdem beanspruchen die Gemüsesöldner beider Kieze die Gesamthoheit jeweils für sich. Kreuzberg gilt für Friedrichshainer als Unterfriedrichshain; umgekehrt heißt Friedrichshain in der Oranienstraße nur Ostkreuzberg - beides freilich als Ausdruck des Protestes gegen die Berliner Annexionspolitik.
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Dabei könnte es in diesem Jahr schwer für die Kreuzberger Brigaden werden, die in den vergangenen Kämpfen durch die Kreuzberger Patriotischen Demokraten/Realistisches Zentrum (KPD/RZ) vertreten waren und zusätzlich mit Unterstützung aus Neukölln rechnen konnten. Nach taz-Informationen ist die revolutionär-demokratische Riege der KPD/RZ mittlerweile geschlossen in den Untergrund gegangen. Die Nachfolgeorganisation Freier Kreuzberger Heimatschutz (FKH) hat die Kampfleitung aufgenommen.

Außerdem haben die ehemaligen Neuköllner Sympathisanten ihre Abspaltung erklärt. Nach jahrelangen Solidaritätskämpfen an der Seite der Kreuzberger Obstverwerter fühlt sich eine Neuköllner Minderheit nun bedroht von der "Yuppisierung" des Nachbarkiezes - und will diese aktiv bekämpfen. Am letzten Sonntag überfiel die Anti-Dehydration League Neukölln (ADLN) die Kreuzberger bereits an der Thielenbrücke. Für Sonntag hat die ADLN angekündigt, den Kreuzbergern bei der großen Schlacht an der Oberbaumbrücke in den Rücken zu fallen. Das wäre gar nicht nötig, denn aufgrund der massiven Armeepräsenz der Wasserarmee Friedrichshain (WAF) konnten die diversen Kreuzberger Bündnisse auch sonst noch nie einen Sieg für sich verbuchen - auch wenn die Kreuzberger Faulveteranen das gerne anders darstellen.

Doch trotz kampfbetonter Großbezirkansprüche hegen beide Bezirke auch gemeinschaflich separatistische Ziele. Denn bei allem Hass, der die Kiezparteien trennt, vereint sie doch eine aufrührerische Ablehnung gegen die staatliche Autorität: Als die Gesamtberliner Polizei im Jahr 2004 Auflagen erteilte und das Mitbringen von Weichmachern und Wurfgeschossen unterbinden wollte, flogen die Stinkbomben, Wackelpuddings und Gemüsegeschosse vereint auf die übergeordneten Ordnungshüter. Die Folge: eine Unordnung, die den Uniformierten den Rückzug bescherte - und dem Polizeipräsidenten später eine öffentliche Kapitulation im Innenausschuss abnötigte. Seitdem hält sich die Polizei zurück und kommentiert gegenüber der taz pflichtbewusst: "Unser Auftrag ist es, die angekündigte Kundgebung zu schützen."
Damit die Polizei nicht in zu große Versuchung gerät, dies offensiv zu tun, haben die Kommandostäbe bereits eigene Maßnahmen angekündigt: Erstmals wird es Wurfgeschosskontrollen und eigene Ordnungshüter auf dem Kampffeld geben, auch um sicherzustellen, dass wirklich nur weiche und glitschige Materialien Verwendung finden. Zuletzt war es vereinzelt auch zu Flaschenwürfen gekommen. Erlaubt ist nur Wasser, Mehl - und alles, was weich und glitschig ist.

Wasser- und Gemüseschlacht auf der Oberbaumbrücke, Sonntag ab 12 Uhr

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