Knaller an der Zeitungsfront

Saturday, October 27, 2007

Um kein Wort verlegen (Tagesspiegel)

Um kein Wort verlegen
Der Soldat zog mit dem Lexikon an die Front, der Tourist braucht keines mehr: Wie die Deutschen fremde Sprachen lernen.

Von Deike Diening 27.10.2007 0:00 Uhr
Man würde es ihnen zutrauen, den Langenscheidts, es würde zu ihnen passen, dass sie die Bäume nach deren Färbung im Herbst aussuchen. Denn die Verleger sind dafür bekannt, im Hinblick auf ihre Marke nichts unversucht zu lassen. Vor der Unternehmenszentrale in München leuchten die Bäume in Langenscheidt-Gelb, als wären auch sie vorbildliche Angestellte des Familienunternehmens, das Gustav Langenscheidt sich 1856 zu gründen gezwungen sah, nachdem er mit 17 Jahren ein Jahr lang Europa bereist hatte. Genauer: Nachdem er in London auf der Suche nach einer Unterkunft versehentlich in einem Bordell gelandet war und erkannt hatte, dass die Beherrschung der Sprache eine Sache der Menschenwürde darstellt: „Es ist ein wahrhaft peinliches Gefühl unter Menschen nicht Mensch sein und seine Gedanken austauschen zu können.“ Er dachte sich die erste praktikable Lautschrift aus und verlegte, da war er 24 Jahre alt, die ersten „Selbstlernbriefe“ selbst. Als Gustav Langenscheidts 175. Geburtstag in der vergangenen Woche gefeiert wurde, da schmückten sie die Langenscheidt-Brücke in Schöneberg vor dem ehemaligen Hauptgebäude mit Kränzen, und auf Verlangen kurbeln sie hier in München ein Grammophon an und spielen den ersten Schellack-Sprachkurs von 1905 im militaristischen Tonfall der Zeit, aber auf dem Gebiet des Sprachelernens ist nichts mehr wie zuvor. 1870 wurde in einer Auflage von 100 000 das „Deutsch-Französische Tornister-Wörterbuch für Deutschlands Krieger“ gedruckt. Es entstand die paradoxe Situation, dass die Soldaten auszogen, sich gegenseitig zu erschießen, sich aber bei Misserfolg ihres blauen Sprachführers zur Völkerverständigung bedienen konnten. Unter „Krankheiten“ ließ sich im Notfall in dieser Reihenfolge nachschlagen: „Schüttelfrost, Schwindel, Schwindsucht, Seitenstechen, Sodbrennen.“ Auf eine makabre Art wurde Langenscheidt über die Grenzen hinaus bekannt. In der Chronik zum 150-jährigen Bestehen schreibt die Firma: „Nach heutigen Marketingregeln ist der schmale Band eine PR-Idee erster Güte.“ Im ersten Weltkrieg brauchten sie schon mehr Sprachen, diesmal Englisch, Französisch, Russisch und Polnisch. Und nach dem zweiten Weltkrieg tauchte ein Soldat auf, der nur wieder laufen lernte, weil ein Universalwörterbuch Spanisch-Deutsch in der rechten Brusttasche seiner Uniform am 11. Juli 1941 die Wucht einer russischen MG-Salve gebremst und vom Oberkörper abgelenkt hatte, bevor sie durch die rechte Hüfte ging. 1942 lief „30 Stunden Deutsch für Russen“ besonders gut, 1944 zerstörten Phosphorbomben das Berliner Verlagsgebäude in Schöneberg. Nach dem Mauerbau zog der Verlag nach München. Das Sprachenlernen ist seitdem friedlicher geworden. Das Ruder ging von einem Herrn Langenscheidt auf den nächsten über, und alle haben sie diese hohen Stirnen, und jeder einzelne hat auch eine Nase dafür, was der veränderte Sprachenmarkt gerade verlangt. Das charakteristische, seitenfüllende „L“ auf dem Einband, das 1956 eingeführt ist, und das eine Neuerung im Buchdesign darstellt, hat sich in einen Greifreflex der Lernenden im Buchhandel verwandelt. Seit 1954 gibt es den abwaschbaren Plastikeinband. Das Größensystem der Wörterbücher koppelt optisch Größe und Inhalt. Es rollen die Auswandererwellen und die Gastarbeiterwelle, die dafür sorgt, dass der Verlag auch Deutsch für Ausländer in sein Programm aufnimmt. Und als die Deutschen ihrerseits in Schwärmen nach Italien aufbrechen wie Zugvögel, als der Bayerische Rundfunk 1964 mit “Benvenuti in Italia“ eine erste Reihe mit Fernsehlektionen auflegt, produziert Langenscheidt das schriftliche Lernmaterial dazu. Draußen in der Welt schlägt das Reisen jetzt zu Buche. Die Lernmethoden werden vielfältiger. 1978 kommt der Konkurrent „Pons“ aus Stuttgart auf den Markt. In den Universitäten werden die Sprachlabore eingeführt, in denen Studenten Tonbänder vor und zurück spulen und die Aussprache üben, beim Tandem-Modell lernt der eine Muttersprachler vom anderen. Einige Unternehmen bewerben in Zeitschriften „Superlearning“, das unbewusste Lernen, „Lernen Sie im Schlaf“ – von dem sich allerdings später herausstellt, dass es genau so wenig funktionierte wie „Schlank im Schlaf“. Seit den 70er Jahren gibt es im Land Berlin gesetzlich verankerten Bildungsurlaub. Die Leute entdecken den Sprachurlaub im Ursprungsland. Die Figur des Touristen hat da längst die des Flaneurs abgelöst. Der Tourist hat Bedürfnisse, die überall gleich beantwortet werden. Die Touristen werden so zahlreich, dass nicht mehr sie sich auf ein unbekanntes Land vorbereiten mussten, sondern das Land sich auf sie. Eine dösende Masse zieht hinter einem Reiseführer her und macht halt, wo das Schild „Man spricht Deutsch“ ausgehängt ist. Touristen gibt es bald nur noch in der Mehrzahl. Der Tourist, der mit seinem Reiseführer vor der Nase nichts mehr vom Land wahrnahm, wird zu seiner eigenen Karikatur. Der englische Fotograf Martin Parr entlarvt, wie hier eine ganz eigene Karawane von Kamelen zu besichtigen ist. Braucht diese Figur überhaupt noch eine Sprache? Leistet der Tourist etwas zur Völkerverständigung? Wann braucht er schon mal ein Wörterbuch? Längst ist der Tourismus nicht mehr die treibende Kraft zum Sprachenlernen, sagt Silke Exius, Redaktionsleitung Multimediales Lernen bei Langenscheidt. Viele Leute führen im Urlaub in Resorts, in denen sie keine Fremdsprache mehr brauchen, und die massenhaften Exkursionen per Billigflieger in exotische Städte seien zu kurz, als dass sich da einer mit einer Sprache wappnen würde. Nicht alle gesellschaftlichen Entwicklungen sind im Verlagsprogramm gespiegelt. Aber sie merken hier deutlich, dass die Leute zur Zeit mehr nach Spanisch verlangen, das liege an der spanischen Musik, an der Begeisterung für Salsa und Tango, und der Öffnung der lateinamerikanischen Länder. Sie bemerken auch, dass die Leute zum Arbeiten in die skandinavischen Länder wollen, wenn sie sich für die Sprachen die Selbstlernkurse kaufen. Arabisch und Chinesisch werden auch immer mehr verlangt. Die Wissenschaft entdeckte das kindliche Zeitfenster, das „window of opportunity“, in dem es dem menschlichen Gehirn möglich ist, Sprachen einfach zu lernen. Wenn man in diesem Zeitfenster die Synapsenbildung nicht anregt, also im Gehirn nicht die notwendigen Verknüpfungen schafft, ließe sich das nie mehr aufholen, heißt es. Seit einigen Jahren gibt es in der dritten Klasse in Grundschulen die erste Fremdsprache. Langenscheidt entwickelte die „Hexe Huckla“. Seitens eines Verlags gebe es ja die „early birds“ und die „adapters“, sagt Silke Exius. Hier wären sie lieber die frühen Vögel, die sich das Neue zuerst einfallen lassen. Die Produkte müssen attraktiv aussehen. Die Reize müssen nicht unbedingt mit der Qualität des Inhalts gekoppelt sein. Nur so lässt sich erklären, dass 1983 der „alpha 8“, das erste elektronische Wörterbuch, das aussah wie ein Taschenrechner und nur 4 000 Vokabeln englische Vokabeln konnte, 125 000 Mal verkauft wurde. Der Gründer Gustav Langenscheidt hatte zum Sprachenlernen zusätzlich zum „gesunden Menschenverstand“ Zähigkeit und Ausdauer verlangt. Er hatte ja Selbstlernbriefe für den disziplinierten Individualisten entwickelt. Es war ihm persönlich peinlich, wenn die Kunden mit seiner Methode versagten. Inzwischen verlangen die Anwender die Anpassungsfähigkeit vom Buch. Im letzten Jahr erschien speziell für Schüler das „Explorer-Wörterbuch“, das heißt und aussieht wie eine Windows-Anwendung. „Bis zu 40% schneller nachschlagen“, steht auf einem Aufkleber. „Das sind die Sehgewohnheiten“, sagt Silke Exius etwas entschuldigend, die haben sich nämlich durch die Benutzung des Computers verändert: Lange hatten die Software-Anbieter versucht, die Bücher zu imitieren, nun imitiert das Analoge das Digitale. Geöffnete Windows-Ordner sind abgedruckt, Abhängigkeiten sind durch Unterordner deutlich gemacht. „Wir sollen ja nicht bewerten, das ist nicht unserer Aufgabe. Wir müssen auf Entwicklungen reagieren.“ Auch darauf, dass die Sprache im touristischen Zeitalter mobiler geworden ist, haben sie reagiert. „Die Orte, an denen Sprachen gelernt werden, sind vielfältiger geworden. Die Leute lernen mit Kopfhörern in der S-Bahn, beim Joggen, oder per Autoradio“, sie lernen insgesamt häufiger, aber die Lerngeschwindigkeit sei trotz allem gesunken. Als der „Focus“ 2004 mit einem Artikel „Die Ära der Simultanten“ verkündete, in der die Leute alles gleichzeitig zu tun versuchen, hat Silke Exius das schon längst gewusst. Und als in diesem Jahr Studien erwiesen, dass die bislang bewunderten, simultan Arbeitenden alles in allem auch nicht schneller sind, ganz im Gegenteil, da hat das für sie auch nichts mehr geändert. Silke Exius hatte, als sie vor sieben Jahren beim Verlag anfing, die Aufgabe, alle Inhalte in eine Datenbank einzuspeisen. Bei der Herstellung der Lerninhalte denken sie hier nicht mehr an ein bestimmtes Medium, sie nennen das „medienneutral“. Es ist so möglich, für verschiedene Anwendungen aus dem Datenpool Höraufgaben, Grammatikaufgaben oder Vokabeln entweder in eine Lektion für den Mp3-Player zu verwandeln, ein klassisches Lehrbuch zu drucken oder eine Lern-CD zu bespielen. Die Lexikografen von heute fragen sich dann, wie lange ein Wort lebt in dieser Zeit, ob die Jüngeren das Wort „Mauerspecht“ noch kennen, oder wie lange Harald Schmidts „Unterschichtenfernsehen“ noch als Wort gilt. Was bleibt eigentlich und was geht? Aber ob die Deutschen sich also dem Schönen (in Italien) zuwandten, dem Nützlichen (in Skandinavien und China) oder auch nur dem Unvermeidlichen (im Krieg), sie alle brauchten ein Wörterbuch. Oder? Dieter Graf war in den 70er Jahren weiter gereist, als die meisten Wörterbücher reichten. Es kam ihm manchmal vor, als hätte es Wörterbücher nie gegeben. Die Reisetätigkeit der 70er hatte die Kapazität für das Sprachenlernen längst überstiegen. Der unbekannte Weltreisende aus München war wieder dort angelangt, wo Gustav Langenscheidt gestrandet war – und fing noch einmal ganz von vorne an: Die Idee kam ihm in Indien, als er die vielen Piktogramme sah, auf die selbst die Inder angewiesen sind, so viele Sprachen gibt es im Land: Es müsste, dachte er, ein Bildwörterbuch geben! Das würde in allen Sprachen funktionieren. 17 Jahre hat er die Idee mit sich herumgetragen, auf jeder weiteren Reise skizziert, aufgeschrieben und fotografiert. Was er tat, war mit der Arbeit von Gustav Langenscheidt nicht zu vergleichen. Graf fotografierte sein Bilderwörterbuch selbst, unterwegs und im Freien auf seinem Münchner Balkon. „Die Rühreier gingen ja noch, aber die Spiegeleier!“ Erst hatte er noch vor, sie nach dem Fotografieren zu essen, aber es waren zu viele Versuche nötig, bis zwei mit unzerstörtem Eigelb in der Pfanne lagen. Als er den Schinken fotografieren wollte, stürzten sich die Wespen darauf. In den meisten Betten, die abgebildet sind, hat er selbst gelegen, und seine exorbitante Sammlung verschiedener Hocktoiletten hatte im Buch gar keinen Platz. Dieter Graf war 49 Jahre alt, als 1992 sein Leichtgewicht erschien.Seitdem hat er 1 800 000 Exemplare verkauft, in die neueren Auflagen hat er Internetcafés und iPods aufgenommen. Sein „point it“ von der Größe eines Reisepasses wird im MoMA in New York und in der Tate Gallery in London vertrieben, Graf ist der Langenscheidt des Bilder-Zeitalters. Schließlich, sagt er, funktioniert seine Idee ja auch anders herum: Dinge, die man viel braucht, lerne man auch als Wort. Man zeigt auf das Bild, die Adressaten sprechen es aus, dann lerne man die Worte wie ein Kind. Wenn man so will, ist es ein Wörterbuch für jede Sprache. Das Erste, was Dieter Graf auf diese Art lernte, war das indonesische Wort für Erdnüsse.Im Keller des Altbaus, der an den schnittigen Neubau des Münchner Langenscheidt-Sitzes grenzt, lagert hinter einer blauen Stahltür das Archiv. Da stehen in Büroschränken die ersten, nackten Wörterbücher, die ohne Einband geliefert wurden, damit die neuen Besitzer ihnen den Einband der eigenen Hausbibliothek verpassen konnten. Und wer geglaubt hatte, dass die aktuelle Ausfächerung nach Zielgruppen etwas Neues sei, lernt hier, dass die Zielgruppen früher einfach andere waren: Kolonisten. Einwanderer. Auswanderer. Da ist der Sprachführer „Ewe“ inklusive Kartenmaterial, Erscheinungsjahr 1913, brauchbar im südlichen Togo bis 7 Grad, im Osten bis 8 Grad nördlicher Breite, bei Erscheinen sollte es noch fünf Jahre deutsche Kolonie sein. Die Themen sind Abschiednehmen, Ackerbau, Arztbesuch: „Du musst ein Bruchband tragen“, „Du darfst keinen Palmwein trinken“ und „Sie haben einen Mann in der Hängematte gebracht.“ Auch: „Es wird nicht wehtun“ und „Dein Bruder ist aussätzig“. Und dann entdeckt man in den „Parisismen“, einem Wörterbuch für die Pariser Umgangssprache „Argot“, einen Verleger, der hin- und hergerissen ist zwischen seinem Drang zur Aufklärung, seiner Pflicht, vor dem Verfall der Sitten zu warnen und seiner Aussicht, Geld zu verdienen. Er schreibt im Vorwort: „Die eigentliche Gaunersprache, die Sprache der Diebe und Mörder, ist eine gemeine, zynische, viehische und unbarmherzige, ja eine gottesleugnerische und blutdürstige Sprache.“ Sie sei voller Wörter, die „aus einem unsauberen, neuerungssüchtigen Munde ausgespien und von gimpelhaften Ohren aufgelesen zu sein scheinen“. Deshalb schreibt er: „Dieses Buch ist durchaus nicht für die Französisch lernende Jugend geschrieben, sondern nur für Erwachsene bestimmt.“ Und damit keine Missverständnisse aufkommen: „Wir möchten dies Wörterbuch also aufgefaßt wissen als ein Verzeichnis der Wörter, die der Deutsche in Paris nicht brauchen soll.“ Man kann also nicht sagen, der Verleger hätte einen nicht gewarnt. Aber aufgeschrieben, gedruckt und verkauft hat er es doch.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 27.10.2007)

Monday, October 22, 2007

250 Jahre Hirschrufmeisterschaften /taz)

250 Jahre Hirschrufmeisterschaften
Ein Gedicht von Reinhard Umbach.

250 Jahre Hirschrufmeisterschaften

Wenn sich im Herbst ins Waldessehnen
so imposante Rufe dehnen,
dass selbst die Achtzehnender stocken
und sich zum Schutz ins Dickicht hocken,
dann geht es sicher um die Schale
im Hirschrufmeisterschaftfinale.
Da blicken wir doch gern zurück
auf den Beginn der Hirschkritik
In Kants "Kritik der reinen Brunft"
ist nur am Rande von Vernunft
und Geist die Rede. Überwiegend
schickt er versteckt in Deckung liegend
sein pralles Rufen in die Runde.

Und das zur späten Stunde.
Wer damals bei Kaliningrad
im Herbst auf eine Lichtung trat,
der konnte dieses Röhren
nur schwerlich überhören.
Noch bis ins ferne Bresewitz
vernahm im Feld der Alte Fritz
erstaunt die feuchten Strophen
des Lieblingsphilosophen.
Denn frei von jeder Urteilskraft
stand damals Kant so sehr im Saft
und in die Klänge eingeweiht,
dass Beethoven sehr lange Zeit
erwog, mit ebendiesen
die Neunte abzuschließen.
Bis heute scheiden sich die Geister,
ob Kant nun mehr als Hirschrufmeister
denn Philosoph zu schätzen sei.
Die Wahl steht freilich jedem frei.
Zumindest weiß man schon so viel:
Kants Ruf steht doppelt auf dem Spiel.

Saturday, October 20, 2007

Laufen Sie Ihrem Körper davon? (FAZ)

Fragen an einen „Skyrunner“
Laufen Sie Ihrem Körper davon?

Er ist dann mal häufiger weg...: Christian Stangl19. Oktober 2007 Flughafen München, Aussichtshügel: Mit lockeren Sätzen kommt ein schlaksiger Mann in einer Fleece-Jacke die Treppe herauf, die Augen strahlen blau, die Wangen sind hager - das ist Christian Stangl, der schnellste Bergsteiger der Welt. Und schnell kommt er auch zur Sache.

Herr Stangl, sind Sie als Kind eigentlich gerne gewandert?
Immer schon. Mit vierzehn bin ich allein losgezogen. Das wurde dann schnell exzessiv: Ich bin einfach sieben Tage in eine Richtung gewandert und habe drei Gebirgszüge überschritten. Damals schon sehr schnell, es hat mich immer gefreut, wenn ich jemanden überholt habe. Meine Mutter sagte immer: Kannst du nicht auch mal wie ein normaler Junge in deinem Alter ausgehen und dich mit Mädchen treffen - aber das hat mich überhaupt nicht interessiert. Meinen ersten Berg habe ich schon mit zwei Jahren gemacht. Aber das war kein richtiger Sky Run: Die letzten Meter zum Gipfel saß ich auf den Schulter meines Vaters.

Was ist denn ein richtiger „Sky Run“?
Beim Sky Running fällt einfach alles an Hilfsmitteln weg. Es gibt keinen künstlichen Sauerstoff - das sollte man sowieso ganz verbieten -, aber auch keine Proviantlager am Berg und keine Zelte. Es gibt nur ein Basislager und einen Gipfel, sonst nichts. Und diese Distanz legt man so schnell wie möglich zurück. Es muss sich aber um einen hohen Berg handeln, mindestens 4000 Meter - sonst wäre es ja ein gewöhnlicher Berglauf.

Sie kommen gerade aus Nepal und haben dort den 8201 Meter hohen Cho Oyu bestiegen. Wie lange haben Sie dazu gebraucht?
Fünfzehn Stunden und sechs Minuten, nonstop vom Basislager zum Gipfel.

Die Besteigung eines Achttausenders ist für die meisten Menschen unerreichbar, für viele Bergsteiger ein Lebensziel. Und Sie machen das - wie auch schon den Mount Everest - als Tagestour?
Genau.

Zu Reinhold Messners Zeiten war es eine Sensation, ohne Sauerstoff überhaupt auf Achttausender zu steigen. Das reicht heute nicht mehr, um von sich reden zu machen. Rennen Sie deswegen auf Berge?
Kopieren will ich nicht, deswegen interessiert mich die Besteigung der Achttausender im klassischen Stil nicht. Heute kann ich raufgehen, wo ich will, da war sicher schon einer oben. Da halte ich es lieber mit Che Guevara: Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. Leider muss ich wie Messner damals ständig erklären, welchen Sinn das hat.

Und welchen Sinn hat das?
Ich weiß natürlich, dass es den Verlauf der Welt nicht beeinflusst. Aber um den Alpinismus weiterzuentwickeln, gibt es eben nur die Schwierigkeit, den Stil und die Geschwindigkeit. Meine Sache sind der Stil und die Geschwindigkeit. Und so stelle ich auch Rekorde auf. Paul Preuß, ein österreichischer Alpinist, hat um die Jahrhundertwende gesagt: Sport ohne Rekord ist ein Begriff ohne Inhalt.

Ist Sky Running die ehrlichste Form des Bergsteigens?
Alles an Hilfestellung ist für mich kein fairer, ehrlicher Stil. Die ganze Lagertaktik, die seit fünfzig Jahren herrscht - das brauche ich alles nicht mehr. Die Energie, die andere für das Errichten von Lagern einsetzen, stecke ich in den Aufstieg. Außerdem ist Sky Running ökologisch vorbildlich. Man weiß ja, wie viel von den Lagern auf dem Berg liegenbleibt.

Wie war das, sind Sie irgendwann aufgewacht und haben gesagt: Ich bin jetzt Sky Runner?
Das war 2002 am Aconcagua in Südamerika. Da habe ich gemerkt, wie schnell ich sein kann: Ich bin in vier Stunden und 25 Minuten hoch. Bis dahin war ich Elektrotechniker. Damals habe ich mich entschieden, als Profi weiterzumachen, als Sky Runner eben. Dann kamen die Rekorde am Elbrus und am Mount Everest und schließlich die Idee mit den „Seven Summits“, die Besteigung der höchsten Gipfel der sieben Kontinente in neuen Rekordzeiten. Sechs habe ich schon gebrochen.

Über Ihren Rekord an der Castensz-Pyramide in Indonesien ist derzeit der Film „The Skyrunner“ zu sehen, der zeigt, wie hart Ihr Beruf ist.
Extrem war vor allem der lange Anmarsch durch den Dschungel. Der Hubschrauber war uns einfach zu teuer, und da sind wir sechs Tage durch den Regenwald gelaufen, durch Regen und Schlamm. Oben auf dem Hochmoor waren es dann nur noch zehn Grad, und das in der nassen Kleidung - das war schon hart.

Trotzdem haben Sie wieder einen Rekord aufgestellt.
Ja, und viel besser, als ich je zu träumen gewagt hätte.

Wie ist es, plötzlich ein Filmstar zu sein?
Ach, mir ist das eigentlich alles zu viel. Und wenn ich mir alle meine Reisen leisten könnte, würden wir jetzt gar nicht hier sitzen. Viele Leute sagen, ich sei naiv und verkaufe mich nicht gut. Aber mir ist das schon lästig, wenn ich auf einer Berghütte plötzlich von Wildfremden gefragt werde, wo die nächste Tour hingeht. Ich nehme das den Leuten nicht übel, aber irgendwie ist man halt nur „Berg“ und „schnell“, aber nicht die ganze Persönlichkeit. Außerdem gibt es keine Leistungstransparenz wie beim Fußball, wo der gewinnt, der Tore schießt: Zehn Sechstausender in sieben Tagen zum Beispiel, da weiß keiner so genau, was das bedeutet.
Könnten auch zwanzig sein.

Eines der größten Probleme beim Höhenbergsteigen ist die Anpassung des Körpers an die dünne Luft. Wer auf den Kilimandscharo steigt, muss bei 4000 Meter einen Akklimatisationstag einlegen. Deswegen brauchen normale Menschen sechs Tage. Sie haben es in nicht mal sechs Stunden gemacht. Wie geht das?
Die Frage kann ich nicht beantworten und auch nicht Martin Burtscher, mein Höhenmediziner der Uni Innsbruck: Offenbar bin ich so schnell, dass mein Körper gar nicht bemerkt, was mit ihm passiert. Bevor die Akklimatisation eintritt, bin ich schon wieder unten. Die Höhenkrankheit tritt meist nachts in den Lagern auf. Und das gibt es bei mir ja nicht. Ich überspringe sozusagen die Inkubationszeit der Höhenkrankheit.

Beim Höhenbergsteigen spricht man über 7000 Metern von der „Todeszone“, weil der Körper sich nicht mehr erholen kann, auch nicht im Schlaf.
Ich glaube, diese Todeszone ist willkürlich festgelegt. Ich habe es nie so erlebt, wie es immer beschrieben wird: einen Schritt machen, zehnmal atmen, wieder einen Schritt. Ich gehe einfach durch.

Wie trainiert man Sky Running?
Zwischen acht und zwölf Stunden täglich. Ich habe sehr viel von Langläufern und Radfahrern gelernt, wie man Kondition über Jahre aufbaut. Bei meiner Mount-Everest-Besteigung war es so, dass ich nach fünf Monaten Training meine maximale Leistungsfähigkeit innerhalb von 24 Stunden abrufen konnte.

Sie laufen mit einem Traktorreifen im Schlepptau dreißig Grad steile Schotterhänge hinauf.
Damit ich einen erhöhten Widerstand habe, ja. Der ist mit dreißig Kilogramm sogar ziemlich erhöht. Aber wenn ich mit dem Ding vier Stunden zügig bergauf gehe, dann spüre ich am nächsten Tag einen Effekt.

Sie gehen vier Stunden lang mit diesem Traktorreifen zügig bergauf?
Ja. Ich nenne den Reifen übrigens die „Bestie“, weil ich so eine spezielle Form von Aggression gegen ihn entwickelt habe.

69 Kilometer und 11.500 Höhenmeter - wäre das Ihre Definition eines schönen Wandertags?
Diese Tour habe ich im Nationalpark Gesäuse in meiner Heimat Steiermark gemacht. Ich bin an der Grenze des Parks entlanggelaufen und -geklettert, mit dem ersten Morgenlicht aufgebrochen und mit dem letzten Abendlicht zurückgekommen, in sechzehn Stunden und vier Minuten.

Sie laufen immer allein. Wie motivieren Sie sich auf Ihren Touren?
Wenn ich stark sein will, spreche ich Russisch mit mir. Dann fühle ich mich wie ein Kapitän auf einem russischen Atomeisbrecher. Ich stehe auf dem Schiff, es geht voran, und vor mir bricht das Eis. Die russische Phonetik gibt mir das Gefühl, dass ich stark bin. Wenn ich Angst bekomme, fange ich dagegen an, Englisch zu sprechen. „Hey man, take care“ und solche Sachen. Das ist alles total seltsam.

Wann bekommen Sie Angst?
In der Nacht. Ich will ja immer zur wärmsten Tageszeit am Gipfel sein, damit ich wenig Kleidung brauche. Deshalb muss ich meistens durch die Nacht gehen. Und mit der Nacht kommt die Urangst: wenn die Sonne untergeht und du allein bist auf 7900 Metern. Um drei, vier Uhr morgens kommt die Kälte dazu. Aber Angst und Kälte treiben dich weiter - da willst du gar nicht stehenbleiben. Und ehe du müde wirst, geht schon wieder die Sonne auf.

Machen Sie denn nie eine Pause?
Nie! Ich bleibe nicht mal stehen, um zu trinken. Ich habe ein spezielles System, so dass ich im Gehen trinken kann.

Ihre Ausrüstung umfasst einen Skistock, ein paar Salzkekse, Kohlehydratgel und etwas zu trinken. Sonst nichts. Passieren darf da nichts.
Wenn ich mir den Fuß verstauche, dann habe ich ein ernsthaftes Problem. Ich habe ja auch kein Funkgerät dabei. Das ist eine Gewichtsfrage: Das wiegt auch drei- oder vierhundert Gramm. Und ich habe ja sowieso keine Zeit zum Telefonieren.

Denken Sie nie über einen Unfall nach?
Mit Unfall und Tod setze ich mich seit 24 Jahren auseinander. Damals bin ich mit einem Freund in eine Lawine gekommen. Ich hatte mir den Oberschenkel gebrochen. Es gab nur uns zwei, auf 6000 Meter. Als er mich allein gelassen hat und abgestiegen ist, um Hilfe zu holen, dachte ich: Das war's. Ich hatte wirklich mit dem Leben abgeschlossen. Und dann kam dieser Song: „I like to be under the sea, in an Octopus's garden in the shade“. Ich habe keine Ahnung, von wem der idiotische Song ist.

Von den Beatles. Ihr Bergsteigerkollege Joe Simpson hat auch einmal geschrieben, dass ihm in der Todesangst das Lied „Brown Girl in the Ring“ von Boney M. durch den Kopf ging. Und weil er nicht zu einem furchtbar schlechten Song sterben wollte, schöpfte er nochmals Kraft und überlebte.
Das kann ich total verstehen. Total! Offenbar gibt es einen Mechanismus, der die letzten Momente ins Tragikomische zieht.

Im November fliegen Sie in die Antarktis, um den Mount Vinson, den Letzten der „Seven Summits“, zu besteigen.
Ein harter Brocken. Langer Anmarsch, wie beim Denali, wo ich vom Flugplatz bis zum Gipfel 24 Kilometer laufen musste. Und niedrige Temperaturen: Wenn du in den Schatten der Berge kommst, sinken die Temperaturen von minus zwanzig auf minus vierzig Grad Celsius. Und dann die Wandhöhen! Die sind alle 2000 Meter hoch. Lauter Eiger-Nordwände.

Der Rekord steht bei 26 Stunden, hoch und runter. Für Sie wieder nur eine Wandertour?
Nein, das wird ganz, ganz knapp. Mir geht es aber auch noch um meine Gesamt-Aufstiegszeit der „Seven Summits“. Die liegt jetzt bei 49 Stunden und 35 Minuten. Nach dem Mount Vinson könnte sie unter 70 Stunden liegen. Beim klassischem Bergsteigen braucht man 500 Stunden. Ich wäre dann also siebenmal so schnell.

Wenn Ihnen das gelingt, was gibt es dann noch zu erreichen?
Ich könnte zum Beispiel meine eigenen Rekorde brechen. Voriges Jahr habe ich drei Sechstausender an einem Tag bestiegen. Fünf müssten eigentlich auch möglich sein.

Zur Person
Der Österreicher Christian Stangl wurde 1966 in der Obersteiermark geboren. Er gilt als neuer Superstar der Bergsteigerszene.
Stangl nennt sich „Skyrunner“: Bei dieser neuen Form des Alpinismus geht es darum, möglichst hohe Berge möglichst schnell zu besteigen, und das möglichst naturbelassen - ohne Träger, künstlichen Sauerstoff, Lager, Zelte und auch ohne Funkgerät.
Momentan rennt Stangl auf die höchsten Bergen der sieben Kontinente, sechs davon hat er schon in Rekordzeit bestiegen: den Aconcagua (6959 Meter), den Kilimandscharo (5895 Meter) , den Elbrus (5643 Meter), die Carstensz-Pyramide (4884 Meter), den Mount McKinley in Alaska (6149 Meter) und den Mount Everest (8448 Meter). Im November will sich Stangl auf dem Mount Vinson in der Antarktis den siebten Rekord holen.
Bei der „European Outdoor Filmtour“ ist Christian Stangl derzeit im Film „The Skyrunner“ in den deutschen Kinos zu sehen.


Das Gespräch führte Andreas Lesti.Text: F.A.Z., 20.10.2007, Nr. 244 / Seite Z6Bildmaterial: Uni Innsbruck

Raymond Carver's widow (International Herald Tribune)

Raymond Carver's widow seeks to publish unedited stories
By Motoko Rich
Published: October 18, 2007

Tess Gallagher, the widow of Raymond Carver, one of the most celebrated American short-story writers of the 20th century, is spearheading an effort to publish a volume of 17 original Carver stories whose highly edited versions were published in "What We Talk About When We Talk About Love," his breakout 1981 book.

Largely as a result of that collection, which became a literary sensation, Carver was credited with popularizing a minimalist style. But many of his fans have been aware of reports that Gordon Lish, Carver's first editor at Alfred A. Knopf, had heavily edited, and in many cases radically cut, the stories before publication to hone the author's voice. At the time, Carver begged Lish to stop production of the book. But Knopf went ahead and published it, to much critical acclaim.

Gallagher, who is also a novelist and poet, wants to see the original stories published as a volume called "Beginners," the title that Carver gave to the story that became the title story in "What We Talk About."

"I just think it's so important for Ray's book, which has been a kind of secret, to appear," Gallagher said by telephone from her home in Port Angeles, Washington State But, she added, "I would never want to take 'What We Talk About' out of publication." Those versions of the stories, she said, "are now part of the history."

Gallagher's plan has created controversy. Carver's later editor, Gary Fisketjon of Knopf, which holds the copyright to "What We Talk About," is deeply opposed to the idea.

"I would rather dig my friend Ray Carver out of the ground," he said. "I don't understand what Tess's interest in doing this is except to rewrite history. I am appalled by it."

Carver, who died in 1988 at 50, had tried to set the record straight himself. He restored and republished five of the stories from "What We Talk About" in magazines or later collections. In "Where I'm Calling From," a volume of new and selected stories that Fisketjon helped edit and that was published the year Carver died, three of the stories that had appeared in "What We Talk About" — "So Much Water So Close to Home," "The Bath" (retitled "A Small, Good Thing") and "Distance" — appeared in restored form. But Carver also included four other stories from "What We Talk About" in the versions edited by Lish.

"When we put together 'Where I'm Calling From,' these were the stories that he handpicked from his work to live in posterity in the versions that he wanted them to live in," Fisketjon said. "If that is not the end of the story, I don't know what that would be."

Amanda Urban, the agent for Carver's literary estate, said she had previously spoken with Knopf about publishing the restored stories. Knopf declined and wrote Urban and Gallagher, telling them that if they tried to publish with another house, Knopf would consider it an illegal, competitive edition. Since then Gallagher has hired the agent Andrew Wylie, who said he now represented Carver's literary estate.

In a statement a Knopf spokesman, Paul Bogaards, said the publisher, Sonny Mehta, "has not made a decision" about whether now to publish "Beginners." Bogaards added, "We have spoken to counsel and are considering all of our options."

Some scholars have long questioned whether Carver's published work was authentically his. For the past 25 years, William L. Stull, an English professor at the University of Hartford, and his wife, Maureen Carroll, adjunct professor of English and humanities at Hartford, have been working to reconstruct original versions of Carver's stories.

After Lish sold his papers to the Lilly Library of Indiana University in 1991, Stull and Carroll began examining the manuscript of 17 stories that they say Carver delivered to Lish in 1980. Stull and Carroll said in a written statement that the manuscript "completes the restoration that Raymond Carver began — a restoration cut short by his too-early death."

In 1998 an article published in The New York Times Magazine by D. T. Max, then a contributing editor at The Paris Review, investigated Lish's longstanding claims that he had played a large role in creating Raymond Carver. Max reviewed Lish's papers at the Lilly Library and discovered that he had made dramatic cuts, changed titles and rewritten endings of the stories in "What We Talk About."
"For better or worse," Max concluded, "Lish was in there."

(Page 2 of 2)
Also in the Lilly Library is a seven-page letter, dated July 8, 1980, which Carver wrote to Lish as he readied "What We Talk About" for the printing presses. In it Carver pleaded with Lish, "Please do the necessary things to stop production of the book."

Carver acknowledged in the letter that Lish had "made so many of the stories in this collection better, far better than they were before." But because several people — including Gallagher and the writers Richard Ford, Tobias Wolff, Geoffrey Wolff and Donald Hall — had already seen some of the stories in their earlier versions, Carver wondered, "How can I explain to these fellows when I see them, as I will see them, what happened to the story in the meantime, after its book publication?"

Carver, who had recently met Gallagher (he later divorced his first wife, Maryann Burk) and stopped drinking, wrote: "If the book were to be published as it is in its present edited form, I may never write another story, that's how closely, God Forbid, some of those stories are to my sense of regaining my health and mental well-being." He then detailed what he wanted restored.
Lish disregarded Carver's plea and published the edited stories. Writing in The Washington Post, Doris Betts praised Carver's "verbal skill, the distilled pungency, the laser focus of his implacable vision." Michael Wood, writing in The Times Book Review, said "his writing is full of edges and silences, haunted by things not said, not even to be guessed at."

Gallagher said the critics hadn't read the real Carver. "Ray really resisted this whole thing of being dubbed a minimalist," she said. She added that those who viewed Carver's later stories as more expansive than his early work, simply never knew that he had always been expansive.
Reached by telephone, Lish said he was "very skeptical about anyone having what you describe as the original manuscripts," he said, adding "The Carver matter is a dead letter with me."
Wylie has already spoken with Max Rudin, publisher of the Library of America, a nonprofit publisher, about including the restored stories in what would be characterized as an authoritative edition of Carver's collected works. Rudin said Library of America must get permission from Knopf to do so. He wants to print "the last authorially revised version" of each story, a few of which would come from "Beginners," and publish the full text of "What We Talk About" as a "historical document."

"There are always going to be readers who will feel that Gordon Lish did Raymond Carver a favor," Rudin said, "or at least worked the kind of editorial magic that he was supposed to, and others who disagree, who will feel that Lish hijacked the stories, cutting and shaping them to serve his own, not Carver's, vision."

Wylie has also started talking to Carver's original publishers in several countries, including France, Germany and Japan. "So far everybody I've spoken to wants to publish," he said. At least one of those foreign publishers, Olivier Cohen, publisher of Éditions de l'Olivier in France, said he would reserve judgment until seeing the manuscript.

Unlike Fisketjon, Cohen said he was not opposed to publishing the originals. But, he said, "you have to think twice before publishing material which the writer has not validated."

Gallagher said she simply wanted to restore Carver's legacy. "I'm just looking forward to the time when some wonderful reader doesn't rush up to me and say, 'Did Gordon Lish write all of Raymond Carver's stories?' " she said.

Tuesday, October 16, 2007

Der Geist von Downing Street (Berliner Zeitung)

Der Geist von Downing Street
Der Bestseller-Autor Robert Harris war mit Tony Blair befreundet, dann kam es zum Bruch. Sein Thriller "Ghost" erzählt von einem britischen Premier
Sabine Rennefanz

KINTBURY. Nur eine Zugstunde trennt den Politiker und den Schriftsteller. Der Politiker lebt in einem lauten und teuren Viertel im Westen Londons, in Bayswater. Bis vor Kurzem regierte er Großbritannien. Vor der Tür seines Stadthauses steht Tag und Nacht ein Polizist mit einer Maschinenpistole.

Der Schriftsteller lebt in einem viktorianischen Pfarrhaus in einem Flecken namens Kintbury in der Grafschaft Berkshire. Vom Schreibtisch aus sieht er Bäume und Boote, die auf einem Kanal schaukeln. Sein Heim wird von einem nervösen Hund namens Rosie bewacht.

Tony Blair, der Premierminister, und Robert Harris, der Bestseller-Autor - sie waren einmal Freunde. Dann kam der Irak-Krieg. Und die Entfernung zwischen ihnen lässt sich heute nicht mehr in einer Zugstunde überbrücken. Seit drei Jahren haben sie kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Es gibt Freundschaften, die erreichen irgendwann ein Verfallsdatum. Man muss nicht viel erklären, sie sind einfach vorbei. Bei anderen bleibt der Wunsch, sich zu erläutern, vielleicht auch Abstand zu suchen, einen Schlussstrich zu ziehen. Manch einer wählt in so einer Lage die Briefform. Robert Harris ist Romanautor, also hat er einen Roman geschrieben:"Ghost". Soeben ist er auch auf Deutsch erschienen.

Bei sich zu Hause trägt der Autor ein hellgrünes Jackett, wie es britische Landadelige bevorzugen, dazu ausgetretene braune Slipper. Er ist in einem der tiefen geblümten Sessel im Wohnzimmer versunken, neben ihm steht ein Holzkorb für den Kamin. Auf dem Klavier am Fenster reihen sich Fotos der Großfamilie Harris, darunter ist auch ein Bild, auf dem Peter Mandelson zu sehen ist, gemeinsam mit Harris' Tochter Matilda, einem seiner vier Kinder. Mandelson, heute EU-Kommissar in Brüssel, war einer der Architekten des Projekts New Labour und er ist der Pate von Matilda. So nah sind sich Politik und Privatleben im Hause des Schriftstellers.

Robert Harris ist fünfzig Jahre alt, berühmt wurde er mit Geschichten, die die Mechanik des politischen Geschäfts mit all seinen psychologischen Verfänglichkeiten scharfsinnig analysieren. Jetzt hat er also einen Thriller über einen britischen Premierminister geschrieben.
In seinem Buch heißt der frühere Regierungschef Adam Lang - und nicht nur die Melodie des Namens erinnert an Tony Blair. Dieser Adam Lang besitzt schauspielerisches Talent, er hat eine ehrgeizige Gattin und er fühlt sich der US-Regierung in geradezu sklavischer Verehrung verbunden. Lang soll dafür verantwortlich sein, dass vier britische Staatsbürger in Pakistan entführt und vom amerikanischen Geheimdienst CIA gefoltert worden sind. Einer starb dabei, die anderen sitzen in Guantanamo Bay ein. Nun versteckt sich der Ex-Premier in den USA, da ihm wegen seiner Verwicklung in den Krieg gegen den Terror ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag droht.

Geschildert wird die Geschichte aus der Sicht eines englischen Auftragsschreibers, eines Ghostwriters, der in ein verborgenes Anwesen auf der Insel Martha's Vineyard vor der Atlantikküste eingeflogen wird, um dort die Memoiren des ehemaligen Regierungschefs zu Papier zu bringen. Der Vorgänger des Chronisten war unter mysteriösen Umständen ertrunken.

Der Buchtitel "Ghost" ist hier durchaus doppelsinnig zu lesen. Man weiß nicht genau, ob damit der Ghostwriter gemeint ist oder aber der Premierminister, der wie ein Zombie durch die Politik geistert.

Es ist Harris' erster Thriller, der in der Gegenwart spielt. Sein Debüt "Vaterland" handelte von einem fiktiven Hitlerdeutschland, das den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat. Das Buch erschien 1992 in Großbritannien und wurde ein internationaler Bestseller. Da war Harris gerade 35 Jahre alt. Bislang hatte er als Hintergrund für seine Schilderungen von Machtkämpfen und Intrigen stets historische Schauplätze gewählt, wie das antike Rom für "Pompeji" und die stalinistische Sowjetunion für "Aurora". Doch bereits in "Imperium", dem Auftakt einer Trilogie über den römischen Advokaten Cicero, wollen interessierte Leser bei der Beschreibung der politischen Konstellationen Ähnlichkeiten mit der Erneuerung der Labour-Partei erkannt haben.

Seit Langem schon habe er über das Verhältnis zwischen einem Regierungschef und seinem Ghostwriter schreiben wollen, sagt Harris, der früher als Journalist gearbeitet hat. Mit der Eskalation des Irak-Krieges habe das Thema eine gewisse Dringlichkeit für ihn gewonnen. Im Januar hat er mit dem Schreiben begonnen, im Juli war das Manuskript druckreif. Zwischendurch hatte er seinen Schreibtisch sogar eine Weile verlassen müssen, um mit dem Regisseur Roman Polanski am Drehbuch von "Pompeji" zu arbeiten. Mittlerweile war Tony Blair zurückgetreten. Und pünktlich zum ersten Labour-Parteitag ohne Blair kam das Buch in Großbritannien heraus. Das nennt man Timing.

"Nennen Sie mir eine Entscheidung, die Adam Lang in den vergangenen zehn Jahren getroffen hat, die nicht im Interesse der USA war", sagt eine Romanfigur in "Ghost".
Für Harris ist das ein Schlüsselsatz; ein Satz, der seine eigene Enttäuschung widerspiegelt. Die Last der Fehler, vom Angriff auf den Irak 2003 bis zum Schweigen der britischen Regierung zu Israels Angriffen auf den Libanon im Sommer 2006, haben sein Vertrauen in die britische Außenpolitik zerstört.

Der Autor hat sich nicht viel Mühe gegeben, die fiktiven Figuren von ihren realen Vorbildern abzugrenzen, "ganz bewusst", wie er sagt. Seine Frau Gill, Schwester des Kollegen Nick Hornby, hatte ihm geraten, die Gattin des Premierministers als rothaarig zu beschreiben, damit sie sich weinigstens in dieser Hinsicht von Cherie Blair unterscheidet. Harris lehnte ab. Sein Buch soll als Satire auf die Blairs und das moderne Großbritannien zu lesen sein.

Das Ende der Freundschaft zwischen Blair und Harris kam schleichend. Einmal hatte der Premierminister noch einen Schritt auf den Schriftsteller zugemacht. Er hatte ihn zu einem Dinner in seinen Amtssitz Downing Street 10 eingeladen, im November 2003, "nach der Invasion, aber bevor alles den Bach runterging". Man war zu viert, Blair, Harris, die beiden Frauen. Cherie sei auf Chirac zu sprechen gekommen, den damaligen französischen Staatschef, der eine UN-Resolution zur Irak-Invasion boykottiert hatte, aber er, Blair, habe seine Frau unterbrochen, erinnert sich Harris. "Lass uns nicht über den Krieg sprechen, habe er gesagt. "Damit war das Thema erledigt." Zumindest an jenem Abend.

Doch Harris hatte nicht vor, sich die Meinung verbieten zu lassen. Immer wieder kritisierte er die Nähe des britischen Premierministers zum US-Establishment. Wenn Blair aus seiner Popularität auf der anderen Seite des Atlantiks Kapital schlage, folge er nur einer Tradition, die sich unter den Konservativen Margaret Thatcher und John Major eingebürgert habe. Die Nähe dieser Persönlichkeiten zu den USA sei ungesund. Wer wisse, dass er nach dem Ende seiner politischen Karriere in Großbritannien mit Jobs auf der anderen Seite des Atlantiks versorgt werde, mache sich verletzlich. "Ich frage mich, ob das nicht einen unbewussten Effekt auf die Außenpolitik hat, ob man nicht durch die persönliche Popularität in den USA gefesselt ist", sinniert Harris. Solche Sätze kommen in Großbritannien an, wo unter den Intellektuellen ein gewisser Anti-Amerikanismus heute mehr denn je gepflegt wird.

Dass Blair bald auf den Vortragszirkus in den USA aufspringen wird, steht für Harris außer Frage. Der Ex-Premier stehe mit fünf Millionen Pfund, umgerechnet etwa 7,5 Millionen Euro, in der Kreide, zitiert er Zeitungsberichte. Wegen seiner Immobilienkäufe. "In Großbritannien kann er niemals so viel Geld verdienen." Sein Fazit klingt bitter, wie sein Buch an manchen Stellen. Harris widerspricht. Es ist das einzige Mal, dass seine Stimme lauter wird. "Ich denke, ich habe ein mitfühlendes Bild gezeichnet. Er ist ein tragischer Mann, kein böser Mann", sagt er. Dann klingelt sein Telefon.

Hat er jetzt von Adam Lang oder Tony Blair gesprochen? Von sich oder dem Ghostwriter? Manchmal verschwimmen die Unterschiede. Als Journalist hatte er Blair als Hoffnungsträger der Labour-Partei und als politischen Seelenverwandten erlebt, jetzt nennt er ihn einen Egozentriker, einen Spieler, der die Bodenhaftung verloren hat. Blairs Entscheidung, mit dem Regierungsamt auch sein Mandat als Unterhausabgeordneter niederzulegen, spreche für seinen mangelnden Respekt vor dieser Institution. Blair sei ein Politiker der MTV-Generation. Heute Premier, morgen Nahost-Vermittler.

Harris bezweifelt, dass Blair erfolgreich sein kann bei seiner neuen Mission: "Das war doch nur eine goldene Uhr von George Bush, um ihm den Ausstieg zu erleichtern." Nicht für alles ist Blair persönlich verantwortlich, gibt Harris zu. Er sei auch ein Produkt des Medienzeitalters, in dem Image alles ist - und Inhalt nichts.

Britische Politiker seien durch einen Sicherheitsvorhang vom Alltag abgeschirmt, sagt Harris. "Gehen Sie mal nach Downing Street, mit seinen dreifachen Barrikaden. Es sieht aus, als lebe Stalin dort."

Harris war Blair einst so nahe, wie man als Journalist einem Politiker nur kommen konnte. Er hat den Aufstieg des gescheiten Anwalts aus konservativem Hause beobachtet. Als Redakteur der Sunday Times war Harris 1992 vom aufsteigenden Labour-Talent Blair zum Lunch eingeladen wurde. Man mochte sich, schien die politischen Überzeugungen zu teilen, blieb in Kontakt. Der Journalist wurde in den engsten Kreis der Modernisierer aufgenommen. Er bekam Einladungen nach Downing Street und auf den Landsitz Chequers. Vor zehn Jahren saß er im Wohnzimmer der Blairs, als Labour den historischen Wahlsieg einfuhr. "Trotzdem", beharrt Harris heute, "bin ich nie ein Cheerleader für Blair gewesen."

Was Blair von dem Buch hält? Harris erzählt von einer Begebenheit, die ihm zugetragen wurde. Tony Blair habe kürzlich einen Verleger getroffen, um die Veröffentlichung seiner Memoiren zu besprechen. Auf "Ghost" angesprochen, soll Blair nur die Augen verdreht haben. Die Chance auf einen Job als Ghostwriter hat Harris verspielt.
Berliner Zeitung, 16.10.2007

Saturday, October 13, 2007

"Ich bin kein Kasper!" (SZ)

Tischtennis
"Ich bin kein Kasper!"
Frank Müller, 43, ist Hauptsponsor des Tischtennis-Bundesligisten Müller Würzburg. Gegen Weltklassespieler tritt er gerne höchstpersönlich an - und sieht dabei gar nicht schlecht aus.Interview: Ulrich Hartmann



SZ: Herr Müller, wie um alles in der Welt haben Sie Weltklassespieler Jean-Michel Saive einen Satz abgeknöpft?
Frank Müller: Ist doch nichts besonderes!

SZ: Finden wir aber schon. Sie sind als Immobilienunternehmer Hauptsponsor des Bundesligaklubs Müller Würzburg und nehmen sich dann und wann die Freiheit, als Hobbyspieler selbst mitzuwirken.
Müller: Ich habe mal gegen Timo Boll im fünften Satz im Doppel verloren, gegen Waldner auch, ich habe gegen die halbe Weltelite im Doppel gewonnen, warum soll ich dem Saive nicht einen Satz abnehmen?

SZ: Wie gelingt es Ihnen, die weltbesten Spieler an der Platte zu ärgern?
Müller: Mit einem außergewöhnlichen Stil und einer kaum nachahmbaren Schlägerhaltung."Als es enger wurde, ist ihre Euphorie in blankes Entsetzen umgeschlagen"

SZ: Genauer, bitte.
Müller: Das ist ein kurzes Blockspiel direkt am Tisch mit einer außergewöhnlich schnellen Reaktion.

SZ: Das kann Weltklassespielern doch kein Problem bereiten?
Müller: Die haben aber ein Problem.

SZ: Sie haben jetzt mit Würzburg beim 0:3 auch Ihr Debüt in der Champions League gegeben. Wie hat das Publikum in Charleroi auf Sie reagiert?
Müller: Es ging mit einer 6:0-Führung für Saive los, und die Zuschauer waren amüsiert. Als es enger wurde und ich sogar einen Satz gewann, ist ihre Euphorie in blankes Entsetzen umgeschlagen, und der Hallensprecher hat versucht, den völlig verunsicherten Saive wieder aufzurichten.

SZ: Ist Ihnen das nicht peinlich, als untrainierter Hobbyspieler vor 1000 Zuschauern und den Fernsehkameras in der Champions League anzutreten?
Müller: Das ist mir in keiner Weise peinlich. Ich spiele seit sechs Jahren in der Bundesliga, und ich habe in jedem Jahr Spiele gewonnen. Ich komme ja nicht aus der Kreisklasse.

SZ: Sie spielen aber nur selten und gelten schon in der Bundesliga als Enfant terrible.
Müller: Das war mal so. Mittlerweile arbeite ich im Liga-Ausschuss des Deutschen Tischtennis-Bunds mit, ich leite eine große Firmengruppe, man nimmt mich schon ernst. Dass sich an meinen Auftritten die Geister scheiden, finde ich amüsant. Der Saive ist natürlich durchgedreht, der hat hinterher ein ziemlich gequältes Interview gegeben, was das alles soll. Der steht jeden Tag sechs Stunden am Tisch und ich vielleicht insgesamt sechs Stunden in einem Vierteljahr. Ich gehe da mit Übergewicht an den Tisch, und je länger das Spiel dauert, umso mehr merkt der Typ, dass er Probleme kriegt. Das ist natürlich peinlich, aber nicht für mich, sondern für ihn.

» Wenn ein Spieler sich beschwert, soll er sich hinstellen und mich in drei Sätzen wegputzen, dann ist das Thema vom Tisch. Wenn er das nicht kann, soll er sich nicht veralbert fühlen, sondern besser trainieren. «Frank Müller

SZ: Sie sind 43 Jahre alt, 1,78 Meter groß und fast 90 Kilo schwer?
Müller: 86!

SZ: Man sieht Ihnen aber schon an, dass Sie nicht zur Weltspitze gehören.
Müller: Das ist so, ja, aber mir sagen viele Menschen, durch Leute wie mich würde Tischtennis erst interessant. Wir stehen ja nicht so blendend da, was das Medieninteresse angeht.

SZ: Jörg Roßkopf hat aber mal gesagt, Sie würden dem Tischtennis mit ihren Gastauftritten eher schaden.
Müller: Ich mag den Jörg, und wir haben mittlerweile ein fast freundschaftliches Verhältnis, aber er ist eben auch nur ein Sportler im eigentlichen Sinne.

SZ: Er meint wohl, offenbar genauso wie Saive, dass er sich veralbert fühlt.
Müller: Ich bin aber kein Kasper. Wenn ein Spieler sich beschwert, soll er sich hinstellen und mich in drei Sätzen wegputzen, dann ist das Thema vom Tisch. Wenn er das nicht kann, soll er sich nicht veralbert fühlen, sondern besser trainieren.

SZ: Nur damit wir einen Eindruck bekommen: In welcher Liga wären Sie, gemessen an ihrem spielerisch Niveau, am besten aufgehoben?
Müller: Ich habe in der Regionalliga gespielt, ich schätze mich zwischen Regionalliga und zweiter Liga ein.

SZ: Wie viel lassen Sie sich Ihr Sponsoring in Würzburg pro Saison kosten?
Müller: Kein Kommentar.

SZ: Aber der Platz im Kader mit gelegentlichen Einsätzen ist schon Ihre Bedingung für das Sponsoring?
Müller: Nein, die Mannschaft fordert mich. Für die ist es motivierend, wenn ich spiele."Ich glaube, ich habe jetzt alles erreicht"

SZ: Erzählen Sie mal, welche berühmten Gegner Sie in Ihrer Sammlung haben?
Müller: Der Satzgewinn gegen Timo Boll hat Spaß gemacht. Gegen Wosik/Eloi und Heister/Grujic habe ich im Doppel gewonnen, gegen Boll/Grujic und auch gegen Waldner im Doppel hatte ich Matchball.

SZ: Und Ihr größtes Spiel?
Müller: Auch das gegen Saive!

SZ: Haben Sie Erinnerungsfotos?
Müller: Jemand hat das Spiel für mich komplett aufgezeichnet.

SZ: Haben Sie alle Spiele auf DVD?
Müller: Teilweise auf Video. Wir wollen das jetzt mal auf CD zusammenstellen: "Die größten Erfolge und originellsten Szenen von Frank Müller!"

SZ: Wer fehlt Ihnen noch in Ihrer Sammlung prominenter Gegner?
Müller: Jörgen Persson! Aber den krieg’ ich diese Saison...

SZ: ... klar, der spielt in Fulda!
Müller: Ich denke, im Doppel werde ich ihn kriegen.

SZ: Den ärgern Sie dann auch mit Ihren langen Noppen auf der Rückhand?
Müller: Leider wird diese Art Belag am 1. Juli 2008 verboten. Dann muss ich mein Spiel noch mal umstellen.

SZ: Wie lange spielen Sie noch?Müller: Ich bin jetzt 43, ich muss das nicht mehr jahrelang machen. Ich denke, ich bin der einzige Deutsche, der in allen Klassen Europas gespielt hat, in Deutschland von der untersten Klasse bis zur Bundesliga und jetzt auch in der Champions League. Ich war deutscher Meister mit Würzburg. Ich glaube, ich habe jetzt alles erreicht.(SZ vom 13.10.2007)

Die schlimmsten Datenkraken der Nation (fr)

Die schlimmsten Datenkraken der Nation

Preisträger(in): Deutsche und internationale Hotellerie"Zweites Kissen genehm? Essen auf dem Zimmer gewünscht? Champagner geordert? Zweites Frühstück bestellt?" Sie glauben, das Hotelpersonal liest Ihnen die Wünsche von den Augen ab? Falsch: Das Personal kennt all Ihre Details, Eigenheiten und Sonderwünsche zumeist nicht aus Intuition, sondern weil Sie im Computersystem des Hotels gespeichert sind. Richtig staunen würden Sie, wenn Sie sähen,was da alles registriert wird.

Gespeichert werden unter anderem private und berufliche Kontaktadressen, Telefonnummern, Kreditkartendaten, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, komplette Rechnungen, Pay-TV-Benutzung und Telefonate. Das Hotelpersonal wird dazu angehalten, weitere Details über ihre Gäste im System zu notieren wie Familienkonstellation, Trink- und Essgewohnheiten, Allergien, Hobbys, Sonderwünsche, Beschwerden, Vorlieben und so weiter. Einmal erfasst, bleiben all diese Informationen auch nach der Abreise des Gastes gespeichert - und zwar auf unbestimmte Zeit. (…)

Die Informationen werden doch zum Besten der Gäste gesammelt, um ihnen den bestmöglichen Service bieten zu können!

Nicht so ganz. Jeden Gast wertzuschätzen und ihm oder ihr den bestmöglichen Service zu bieten, das ist die große alte Tradition der Gastlichkeit. Doch diese Tradition ist - zumindest bei den großen Hotelketten - passé. Hier gibt es statt des Gastlichkeitsversprechens nun "customer relationship management" , kurz CRM - das effi-ziente Kundenbeziehungsmanagement.

Wichtigster Punkt dabei: "Ranking and Discrimination". Es geht eben nicht darum, den besten Service für alle Gäste zu bieten. Denn einige Gäste sind mehr wert für das Business als andere, und in die muss investiert werden. Und um die lukrativen Gäste von den anderen unterscheiden und ihnen bessere Angebote machen zu können, müssen möglichst viele Daten ge-sammelt werden.

Nahezu jede Hotelkette hat mittlerweile ein eigenes "Kundenbindungsprogramm", in dem all diese Daten zentralisiert gespeichert werden - eine echte Goldgrube für Data-Miner.

Und wo all diese Informationen schon einmal vorhanden sind, könnten sich schnell weitere Interessenten dafür finden. Wer auf dem Zimmer Pay-TV schaut, findet später natürlich nicht "Der Angriff der Killertomaten", "Blasmusik im Lederdirndl" oder ähnlich Peinliches auf seiner Rechnung, sondern die Pay-TV-Nutzung wird diskret als "Hoteldienstleistungen" oder etwas ähnlich Unverfängliches deklariert. Das Hotelsystem aber registriert den Kanal durchaus und weiß genau, ob die romantische Komödie, der Thriller oder ein Porno konsumiert wurde. Viele Hotels sind direkt an externe Online-Buchungssysteme wie Amadeus oder Sabre angeschlossen. Auch dort werden Daten der Kunden gespeichert. Das Buchungssystem Amadeus wirbt mit einem extra zu zahlenden Service für Reisebüros, der es ermöglicht, die komplette Buchungshistorie samt Kundendetails und Hobbys mit einem Klick zu übernehmen. "Bereits existierende Kundeninformationen aus Amadeus Customer Profiles (Air/Car/Hotel) stehen jederzeit aktuell zur Verfügung. (…) Außerdem sind die Kundendaten lange Zeit aktiv - egal wie alt die letzte Buchung ist."

In Deutschland gibt es Meldezettel, die von jedem Gast ausgefüllt werden, aber beim Hotel verbleiben und nur im Bedarfsfall von den Behörden überprüft werden. In einigen europäischen Ländern, beispielsweise Frankreich, werden Daten aber schon aus den Hotels direkt an die Polizei übertragen. In der Hotelverwaltungssoftware Opera des Marktführers Micros Fidelio gibt es dafür ein automatisiertes "Police Interface".Die Daten der Gäste werden keineswegs nur bei dem besuchten Hotel in Deutschland, sondern konzernweit auf zentralen Servern gespeichert. Und die wiederum befinden sich bei den größten Hotelketten - in den USA.
Laudatorin: Rena Tangens

Außer KonkurrenzDer Nicht-Preisträger des Jahres 2007: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU)Manche werden von der Entscheidung enttäuscht sein, hätte er den Preis doch wie (k)ein anderer verdient - als zwanghafter Schrafmacher in Sachen "Sicherheit & Terror", überqualifiziert wie seinerzeit nur sein Vorgänger im Amt, Otto Schily (SPD).
In der Jury, die den Big-Brother-Award seit 2000 verleiht, sind Persönlichkeiten verschiedener Bürgerrechts-, Datenschutz- und Netzorganisationen, darunter die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), die Internationale Liga für Menschenrechte (Berlin) und der FoeBuD e.V.(Bielefeld).Die kompletten Reden, die hier in Auszügen dokumentiert sind, finden sich im Internet unter:www.bigbrotherawards.de und www.foebud.org

Und in der Tat: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble versteht es wie kaum ein anderer, mit seiner Panikmache und Drohpolitik die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen - womit er einen klassischen Wesenszug des Terrors erfüllt; mit dem Ziel, Bevölkerung und Parlamentarier so lange weich zu klopfen, bis sie seine umstrittenen Pläne geradezu herbeisehnen und absegnen. (…)

Und dennoch: Zum einen wäre es falsch, sich zu sehr auf Schäuble zu konzentrieren, ihn zu dämonisieren und die Terrordebatte auf diese Weise zu verengen. Denn Schäuble ist nur eine Metapher für die verhängnisvolle Tendenz einer "Terrorismusbekämpfung" auf Kosten der Bürgerrechte und für eine Systemveränderung zulasten des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. (…)

Auf der anderen Seite müssen wir jedoch dankbar konstatieren, dass der Innenminister sich durchaus beachtliche Verdienste um das Datenschutzbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger erworben hat, die inzwischen zu Tausenden auf die Straße gehen, Internet-Demos organisieren und Massenbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ankündigen, um sich gegen seine Horrorpläne zur Wehr zu setzen. Wegen dieser verdienstvollen, wenn auch unfreiwilligen Mobilisierung oppositioneller Kräfte ist ihm gar die Ehrenmitgliedschaft in der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) angetragen worden.
Laudator: Polf Gössner

Preisträger 2007Arbeitswelt:
Novartis Pharma GmbH für die Bespitzelung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die da-mit verbundene Verletzung grundlegender Persönlichkeitsrechte.
Behörden und Verwaltung:
Generalbundesanwältin Monika Harms. Sie erhält den Big-Brother-Award für ihre Antiterrormaßnahmen gegen Gegner des G8-Gipfels im Mai, insbesondere für die systematischen Briefkontrollen in Hamburg und die Anordnung, bei Gipfelgegnern Körpergeruchsproben aufzunehmen und zu konservieren.
Regional: Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Alexandra Dinges-Dierig (CDU), Senatorin für Bildung und Sport, für die Einrichtung eines Schülerzentralregisters mit dem (Neben-) Zweck, ausländische Familien ohne Aufenthaltserlaubnis aufzuspüren.
Politik: Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück (SPD), für die Einführung einer lebenslangen Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) für alle Einwohner/innen der Bundesrepublik.
Kommunikation: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) für den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Mit diesem Gesetzentwurf soll die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten eingeführt werden. Die Bundesjustizministerin ignoriert damit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das bereits 1983 im Volkszählungsurteil festgelegt hatte, dass die Sammlung von nicht anonymisierten Daten zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Technik:
PTV Planung Transport Verkehr AG für ihr System zur individuellen Berechnung der Kfz-Versicherung mittels eines sogenannten "Pay as you drive"-Systems, also einem Gerät, das Fahrtroute und Fahrverhalten aufzeichnet und an die Versicherung meldet.
Wirtschaft: Deutsche Bahn, da sie systematisch anonymes Reisen mit Mitteln faktischen Zwangs unmöglich macht: Automaten ohne Bargeldannahme, personalisierter Kauf im Internet, Abfrage/Speicherung des Geburtsdatums und Zwangsabgabe eines Bildes bei Bahncards, Videoüberwachung und ein RFID-Chip in der Bahncard 100, ohne Kunden zu informieren. Verbraucherschutz:
Internationale Hotelketten in Deutschland z.B. Hyatt, Mariott, Inter-Continental etc. für die Erfassung und zentrale Speicherung äußerst persönlicher Daten ihrer Gäste ohne deren Wissen. Dazu gehören Trink- und Essgewohnheiten, Pay-TV-Nutzung, Allergien, alle privaten und beruflichen Kontakt- adressen, Kreditkartendaten, Sonderwünsche und Beschwerden - alles wird festgehalten.
Außer Konkurrenz: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Friday, October 12, 2007

The rise of mosques becomes catalyst for conflict across Europe (Guardian)

The rise of mosques becomes catalyst for conflict across Europe
A minaret planned for a Swiss village has prompted the latest of several disputes over new places of worship
Ian Traynor in Wangen, SwitzerlandThursday October 11, 2007The Guardian

A protest against plans to build a mosque in Cologne, Germany. Photograph: Henning Kaiser/AFP

North of Berne in an idyllic Alpine valley cowbells tinkle, a church steeple rises, and windowboxes tumble with geraniums. It has always been like this.
But down by the railway station the 21st century is rudely intruding and the villagers of Wangen are upset.

"It's the noise, and all the cars. You should see it on a Friday night," complains Roland Kissling, a perfume buyer for a local cosmetics company. "I've got nothing against mosques, or even against minarets. But in the city. Not in this village. It's just not right. There's going to be trouble."

The target of Mr Kissling's ire is a nondescript house belonging to the region's Turkish immigrant community. The basement is a prayer room where hundreds of Muslims gather every week for Friday rites.

And in a case that has gone all the way to Switzerland's supreme court, setting a keenly watched precedent, the Turks of Wangen have just won the right to erect a six-metre-high minaret.
"We'll build it by next year. We're still deciding what colour and what material," says Mustafa Karahan, the sole person authorised to speak for Wangen's Turkish Cultural Association. "We don't have any problems. It's the other side that has the problems. We're not saying anything else until the minaret is built."

If Ulrich Schlüer has his way the Wangen minaret will be toppled. An MP from the rightwing Swiss People's party (SVP), the country's strongest, Mr Schlüer has launched a crusade to keep his country culturally Christian.

"Unlike other religions," he argues, "Islam is not only a religion. It's an ideology aiming to create a different legal system. That's sharia. That's a big problem and in a proper democracy it has to be tackled. If the politicians don't, the people will."

Switzerland's direct democracy rules require referendums if there is enough public support. Mr Schlüer has launched a petition demanding a new clause in the Swiss constitution stating: "The building of minarets in Switzerland is forbidden." He already has 40,000 signatures. If, as expected, he reaches 100,000 by this time next year a referendum is automatically triggered.
"We've got nothing against prayer rooms or mosques for the Muslims," he insists. "But a minaret is different. It's got nothing to do with religion. It's a symbol of political power."

In a country with more than 300,000 Muslims, mainly immigrants from the Balkans, there are only three minarets in Switzerland. Wangen would be the fourth and the first outside the cities.
Backlash

The native backlash has begun. And not just in Switzerland. "It seems our experience here is resonating across Europe," says a Swiss official in Berne.

"Culture clashes" over Muslim religious buildings have erupted in Italy, Austria, Germany, and the Netherlands.

"Christian fundamentalists are behind this," says Reinhard Schulze, professor of Islamic studies at Berne University. "And there's also a lot of money coming in from the Gulf states."
From London's docklands to the rolling hills of Tuscany, from southern Austria to Amsterdam and Cologne, the issue of Islamic architecture and its impact on citadels of "western civilisation" is increasingly contentious.
The far right is making capital from Islamophobia by focusing on the visible symbols of Islam in Europe. In Switzerland it is the far-right SVP that is setting the terms of the debate.
"This is mainly about Swiss politics," says Prof Schulze, "a conflict between the right and the left to decide who runs the country ... Islam [is] a pretext."

Next door in Austria the far right leader Jörg Haider is also calling for a ban in his province of Carinthia, even though there are few Muslims and no known plans for mosques. "Carinthia," he said, "will be a pioneer in the battle against radical Islam for the protection of our dominant western culture."

In Italy the mayors of Bologna and Genoa last month cancelled or delayed planning permission for mosques after a vociferous campaign by the far-right Northern League, one of whose leaders, Roberto Calderoli, threatened to stage a "day of pork" to offend Muslims and to take pigs to "defile" the site of the proposed mosque in Bologna.

While the far right makes the running, their noisy campaign is being supported more quietly by mainstream politicians and some Christian leaders. And on the left pro-secularist and anti-clericalist sentiment is also frequently ambivalent about Islamic building projects.
Cardinal Joachim Meisner of Cologne has voiced his unease over a large new mosque being built for the city's 120,000 Muslims in the Rhineland Roman Catholic stronghold. A similar scheme in Munich has also faced local protests.

The Bishop of Graz in Austria has been more emphatic. "Muslims should not build mosques which dominate town's skylines in countries like ours," said Bishop Egon Kapellari.
This opposition is on a collision course with an Islam that is now the fastest-growing religion in Europe and which is clamouring for its places of worship to be given what it sees as a rightful and visible place in west European societies.

"Islam is coming out of the backyards. It's a trend you see everywhere in Europe," says Thomas Schmitt, a Bonn University geographer studying conflicts over mosques in Germany.
Estimated at about 18 million and growing, the Muslims of western Europe have long worshipped in prayer rooms located in homes, disused factories, warehouses or car parks, hidden away from public view. Their growing self-confidence, though, is reflected in plans for the Abbey Mills mosque, Britain's biggest, in east London, which is intended to have a capacity of 40,000.

Last month there were scuffles at the site of the Westermoskee in west Amsterdam. A Dutch government minister broke ground for building one of the Netherlands' biggest mosques last year. But the project is mired in controversy and may not be completed.

Confidence
"The whole idea of having these huge mosques is about being part of Europe while having your religion," says Thijl Sunier, a Dutch anthropologist. "You have young Muslims showing their confidence, stating we are part of this society and we want our share. And you have growing anxiety among many native Europeans."

In Berne, the Swiss capital, the city authorities have just denied building permission for turning a disused abattoir into Europe's biggest Islamic cultural centre, a £40m complex with a mosque, a museum on Islam, a hotel, offices and conference halls. Organisers are looking for an alternative site.

Dr Schmitt says that by hiring leading architects to build impressive mosques that alter the appearance of European cities Muslims are making a commitment to the societies in which they live. "They are no longer guests. They are established. This is a sign of normalisation, of integration," he says.

But in Wangen, that message falls on deaf ears. "First it was a cultural centre, then a prayer room, and now a minaret," says Mr Kissling. "It's salami tactics. The next thing it will be loudspeakers and the calls to prayer will be echoing up and down the valley. Our children will ask 'what did our fathers do', and their answer will be - they did nothing."

Bribery, blackmail and Bond-style gadgets (Guardian)

Bribery, blackmail and Bond-style gadgets. What the FSB says Britain is up to in Russia· Spy agency chief accuses MI6 of cold war campaign · Latest salvo in diplomatic row since polonium plot
Luke Harding in MoscowThursday October 11, 2007The Guardian

The head of Russia's FSB spy agency yesterday accused Britain and MI6 of leading a campaign to destabilise the country, and said that British agents were using old-fashioned techniques such as "bribery and blackmail" to recruit Russian citizens.

Nikolai Patrushev, director of the Federal Security Service, the successor to the KGB, said foreign spies were trying to weaken and dismantle Russia ahead of elections for the Duma (parliament) in December and a presidential poll next year. He singled out Britain for special mention. In an interview with the mass-selling Argumenty I Fakty newspaper, Mr Patrushev said the British intelligence agency MI6 was not only recruiting spies but was also attempting to meddle directly in Russia's internal affairs.

He also claimed that British intelligence was supplying its Russian agents with new gadgets. They included a James Bond-like communications device hidden in a laptop charger, and sophisticated software that allowed agents to use their computers without leaving traces on the hard drive.

"MI6 is not only gathering intelligence in all areas but is also trying to influence the domestic political situation in our country, Mr Patrushev said. "Politicians thinking in cold war categories still retain influence in a number of western nations."

He added: "Our file on British intelligence services' activities is huge. We know their strengths and weaknesses. Since the times of Queen Elizabeth I, British intelligence has operated on the principle that the end justifies the means. Their main methods of recruitment are money, bribery, blackmail and immunity from prosecution."

Mr Patrushev's attack closely reflects Kremlin thinking and follows the bitter diplomatic row between Moscow and the UK over the murder of the Russian dissident Alexander Litvinenko. Mr Litvinenko served in the FSB and was an outspoken critic of Russia's president, Vladimir Putin, a former KGB agent.

In July, the foreign secretary, David Miliband, severed all contact with the FSB in a clear signal that the government believes Russia's security agencies had a hand in Mr Litvinenko's murder. The chief suspect, Andrei Lugovoi, is an ex-FSB agent. Britain also expelled four Russian intelligence officers, prompting Moscow to remove four British diplomats.

Mr Patrushev said the UK was seeking to recruit agents from among the large Russian emigre community in London. Citing Boris Berezovsky, the former oligarch wanted by the Kremlin, Mr Patrushev suggested this tactic had been a flop. "The English have been trying to recruit people who have committed crimes and are hiding from Russian justice. This has failed," he said.
The FSB director also alluded to the infamous "rock scandal" when British agents were allegedly caught red-handed twiddling with a crude man-made "rock" near a Moscow park. Four British diplomats were shown on Russian TV in January 2006 next to the device, which apparently allowed Russian agents to communicate remotely with their British handlers.

Experts said yesterday there was no doubt the west had stepped up its spying activities against Moscow. This was hardly surprising, given Russia's renewed economic might and its increasingly hawkish direction under Mr Putin.

Yesterday one former senior KGB officer said that despite Britain's relatively small size, Russia took its intelligence agencies very seriously. "As an official in the KGB I never treated Britain as a minor country. It has a major influence on international affairs," Major General Vagif Guseynov, the former head of the KGB in Azerbaijan and an analyst, told the Guardian.
Diplomatic sources say British-Russian relations have yet to recover from this summer's diplomatic row, and describe Russian feelings as "bruised". As a result, Gordon Brown and Mr Putin are unlikely to meet before the G8 summit next July.

Mr Putin was head of the FSB until he became prime minister in 1999 and then president. He is known to be close to Mr Patrushev. Yesterday the FSB director also launched an attack on non-governmental organisations, describing them as a front for foreign spies. "There is a danger of foreign NGOs being used to finance activities to undermine Russia," he said.

Moscow believes western governments funded the NGOs that helped instigate the Georgian and Ukrainian "orange" revolutions by organising the opposition in those countries and facilitating peaceful protest there. It does not want - and is paranoid about - the prospect of a similar revolution in Russia.

The FSB has been remarkably successful in uncovering foreign espionage activities, Mr Patrushev said. Since 2003, his agency had unmasked 270 informers and 70 agents - 35 of them foreigners.

He also claimed the CIA and MI6 co-operated closely with intelligence services in the post-Soviet Baltic states, Poland and Georgia - all of whom have brittle relations with their larger neighbour. But British agents were the most intrusive of the lot, he said, followed by the Turks, who were trying to sow dissent in the country's Muslim regions.

Timeline: bad blood
November 1 2006
Russian dissident Alexander Litvinenko poisoned with radio-active polonium-210 after drinking tea at Millennium hotel in London
November 24
On his deathbed in a London hospital, Litvinenko accuses Vladimir Putin of having ordered his murder, an accusation the Kremlin denies
December
British detectives fly to Moscow to interview their chief suspect, former KGB agent Andrei Lugovoi. Lugovoi says he is innocent
May 22 2007
Crown Prosecution Service charges Lugovoi with murder. Evidence provided by Scotland Yard shows trail of polonium from Moscow to London
July 10
Russia turns down extradition request. Mr Putin accuses Britain of "stupidity" and "colonial thinking"
July 16
Foreign secretary David Miliband announces expulsion of four Russian diplomats.
July 19
Russia expels four British diplomats
August 17
Russia closes down the main FM frequency of BBC World Service
September 16
Lugovoi announces he is to run for parliament as member of the ultra-nationalist pro-Kremlin Liberal Democratic party

Thursday, October 11, 2007

Katalanische Katastrophen (taz)

11.10.2007
die wahrheit
Katalanische Katastrophen

Hallo Gastland Katalonien/Du bist größer als Balkonien/Trotzdem bist du ziemlich klein/Trotzdem bist du ziemlich klein... VON ROB ALEF

Weltberühmt ist dein Verein
Dessen Doppelpass und Dribbling
Schon verzückten Rudyard Kipling
Nicht Madrid ists, nicht Pamplona
Sondern Rainer Barzelona
Spanisch spricht dort der Iberer
Katalanisch fällt ihm schwerer
Denn die Sprache Katalanisch
Macht ihn depressiv und manisch
Jedes Jahr erscheint ein Buch
Doch das ist noch nicht genuch
Pinseläffchen als Dekor
Ist der Dalí Salvador
Ebro Weltruhm still genießt
der waag- und gleichfalls senkrecht fließt
In Lleida kocht man leider Schnecken
Um den Touristen zu erschrecken
Der würgt und seufzt: Ach je, ich hätt
jetzt gern ein Fläschchen Freixenet
Auch die Kaninchen, die sind zähe
Und leben in der Pyrenäe
Warum nur lud man dich hier ein
Das eine Buch liegt ganz allein
In Halle drei am Stand für Gäste
Und landet bald bei Ramsch und Reste
Nimms nicht persönlich, nimms sardonisch
Ein Schmähgedicht hier ist kanonisch
Gehab dich wohl, mein Catalan
Nullacht da sind die Türken dran

"Da ist man plötzlich auf der Suche nach Gott" (Welt)

11. Oktober 2007, 04:00 Uhr
"Da ist man plötzlich auf der Suche nach Gott"
Ironman-Gewinner Faris Al-Sultan über Grenzerfahrungen im Triathlon und die Idee, nach der Karriere mit Doping die Leistungsgrenze auszutesten

Vor zehn Jahren absolvierte Faris Al-Sultan seinen ersten Langdistanz-Triathlon, 2005 krönte er seine sportliche Karriere mit dem Gewinn des Ironman Hawaii (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen). Am Samstag kämpft der 29 Jahre alte Münchner auf der Trauminsel wieder um den Sieg. WELT-Mitarbeiter Axel Heuber sprach mit dem Ausnahmeathleten.

Hawaii gilt als Synonym für das Paradies. Sie bestreiten dort einen der härtesten Wettkämpfe der Welt. Ist Hawaii nicht ein schrecklicher Ort?
Überhaupt nicht. Hawaii ist eine wunderschöne Insel, und ich bin gern dort. Aber klar, wenn der Wettkampf langsam näher rückt, dann weiß ich, dass es bald wieder wehtut.

Stimmt es, dass Sie Ihren ersten Marathon mit gefälschten Papieren gelaufen sind?
Ich war damals 16 Jahre alt, und in Deutschland ist die Teilnahme an einem Marathon erst ab 18 Jahren erlaubt. Also habe ich ein wenig auf dem Anmeldebogen geschummelt.

Mit 19 haben Sie Ihren ersten Ironman absolviert. Aber in Spanien, weil in Deutschland das Mindestalter bei 21 Jahren liegt.
Ich habe eine Werbung für den Ironman auf Lanzarote gesehen. Ich habe angerufen, und die haben gesagt: "Überweis die Kohle, dann kannst du mitmachen."

Woher wussten Sie, dass Sie mit Triathlon das Richtige tun?
Es hat mir Spaß gemacht! Es war anstrengend. Es war etwas Gutes. Ich wollte einfach hart werden. Und lernen, hart zu mir selbst zu sein. Das war der Reiz.

Was würden Sie anderen Menschen raten, die gern so einen eisernen Willen hätten wie Sie?
Du solltest dir Ziele setzen und sie dann verwirklichen. Wichtig dabei ist aber, dass du realistisch bleibst. Es gibt Leute, die erzählen mir, dass sie ihren ersten Ironman gleich in weniger als neun Stunden schaffen wollen. Das macht doch keinen Sinn. Ein Weg zu einem Ziel sollte nicht ausarten und in Selbstkasteiung enden.

Es gibt Sportler, die dopen, weil sie glauben, damit mehr zu erreichen. Einige von ihnen begeben sich bewusst in Lebensgefahr.
Ich kann nur sagen, ich würde es nicht tun. Aber im Radsport haben wir das Problem ja ganz aktuell. Da ist einer der 15. Mann in einem Team, verdient 50 000 Euro im Jahr, hat Frau und Kinder. Er hat nichts gelernt, alles was er kann, ist feste in die Pedale treten. Und dann geht ihm durch den Kopf: Wenn ich meine Leistung nicht bringe, dann schmeißen die mich raus. In solchen Teams gibt es wirklich Jungs, die sind absolut austauschbar. Die haben Angst um ihren Job. Wenn die das machen, dann habe ich ein gewisses Verständnis dafür. Aber grundsätzlich muss der Sport dafür sorgen, dass das Spielfeld für alle gleich groß ist.

Haben Sie schon mal gedopt?
Nein. Auch, wenn ich es am Ende nicht 100-prozentig beweisen kann. Ich könnte ja viel behaupten. Aber ich werde regelmäßig getestet, und auch meine Leistungsentwicklung spricht für mich. Nicht so wie bei den griechischen Sprintern, die in zwei Jahren ihre Zeit über 200 Meter um zwei Sekunden verbessert haben.

Wäre das nicht reizvoll? Mal sehen, was noch rauszuholen ist?
Auf jeden Fall! Das hat sich doch jeder Sportler schon mal überlegt. Mann, am Ende meiner Karriere, dann melde ich das an. Ich gehe zu denen hin und sage: Hey, ich bin jetzt voll. Ich habe ein paar Ampullen von dem russischen Kampfpiloten-Amphetamin im Blut. Alle Schalter im Hirn sind auf Go gestellt. Der totale Wahnsinn. Zu wissen, wie gut man dann ist, wäre für jeden Sportler spannend. Außer für die, die schon gedopt haben. Die kennen das wahrscheinlich schon.

Vor zwei Jahren haben Sie den Ironman auf Hawaii gewonnen. Ihre Mutter hat damals nach einem Blick in Ihre Augen gesagt, dass Sie an diesem Tag keiner besiegen wird, weil sie den "entschlossenen Tiger" in Ihnen gesehen hat.
Ja, das ist das Gefühl, das ich immer suche, der Zustand, den ich versuche herzustellen. Das ist nicht so einfach, jedenfalls ohne russisches Kampfpiloten-Amphetamin. Manchmal habe ich diese Entschlossenheit beim Schwimmen, manchmal beim Radfahren. An einem perfekten Tag hast du es über alle drei Disziplinen. Bei einem Sprinter dauert das Rennen nur einige Sekunden, da ist die totale Entschlossenheit kein Problem. Aber während eines Wettkampfes von acht Stunden ist es ein Auf und Ab.

Thomas Hellriegel, 1997 Gewinner des Ironman auf Hawaii, hat einmal gesagt, es gebe Minuten im Wettkampf, da könnten sich die Athleten "von innen sehen". Wie sehen Sie von innen aus?
Es gibt den Zustand höchster Anstrengung, wenn man neben sich steht und sich selbst als zweite Person wahrnimmt. Man ist wie im Rausch und nicht mehr Herr seiner Sinne. Es kann sein, dass man einen wildfremden Menschen, der an der Strecke steht und einen anfeuert, unglaublich intensiv wahrnimmt. So als wäre sein Gesicht direkt vor dem eigenen. Und eine andere Person, die man vielleicht sehr gut kennt, sieht man überhaupt nicht. Das ist eine selektive Wahrnehmung, die ich nicht erklären kann.

Wenn Sie im Wettkampf stundenlang unterwegs bist, woran denken Sie dann?
Es sind Kleinigkeiten. Was muss ich an der nächsten Verpflegungsstelle zu mir nehmen, wann kommt sie, wo ist die nächste Kurve. Dazu kommen die Rückmeldungen aus dem Körper. Es gibt aber auch kurze Phasen, in denen ich an andere Sachen denke, wie schön es zu Hause ist oder ob ich daheim den Ofen ausgemacht habe. Grundsätzlich bin ich im Wettkampf aber vor allem konzentriert, auf dem Rad muss ich zum Beispiel aufpassen, dass ich keinen über den Haufen fahre.

Und im Training?
Das ist etwas anderes. Da kommen dann die Theorien. Am extremsten ist mir das aufgefallen, als ich 1999 in den Emiraten war. Dort bin ich oft fünf bis sechs Stunden allein auf dem Rad durch die Wüste gefahren. Niemand spricht, dazu kommen Nahrungsentzug und Dehydrierung. Da ist man plötzlich auf der Suche nach Gott. Kein Wunder, dass Religionen immer in der Wüste entstehen.

Ins Abseits gelabert (SZ)

Ins Abseits gelabert
Die Geschwätzigkeiten und Verletzungen der Eva Herman in Johannes B. Kerners Talkshow - am Ende stimmt nur die Quote.Von Hans Leyendecker

Ersten, bei Maischberger, trat am Dienstagabend ein verkleideter "Akademiker‘‘ auf, der seine Frau übel verprügelt hatte und nun dank des Netzwerks "Männer gegen Männer-Gewalt‘‘ (hoffentlich) seine Aggressionen in den Griff bekommen hat. Im Zweiten, bei Kerner, ging es um Schuld, Phrase und Moral - also angeblich um Wahrhaftigkeit.

Im Mittelpunkt stand 52 Minuten lang die frühere Tagesschau-Frau und ehemalige NDR-Moderatorin Eva Herman. Ihr Auftritt hinterließ ebenso wie der des Ex-Schlägers das Gefühl, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen spätabends die Tapetentüren öffnet, damit der Zuschauer schauernd in die Abgründe des Lebens blicken kann - Monster-TV für den Gebührenzahler.

Warum Eva Herman ohne noch einmal zumindest den Begriff "Canossa‘‘ gegoogelt zu haben, den Gang zu Johannes B. Kerner antrat, blieb ebenso rätselhaft wie die Frage, was die Autorin des Buches Das Eva-Prinzip der Welt über Nationalsozialismus, Emanzipation/Feminismus und die 68er Fundamentales mitzuteilen haben soll. Aber bekanntermaßen hält das Publikum einen Menschen, den es oft im Fernsehen gesehen hat, deshalb für bedeutend, weil der es geschafft hat, regelmäßig aus dem Kasten zu schauen.

"Ich trage Slips von Armani, schwarze mit Glanz", hat ein Tagesschau-Sprecher der staunenden Nation mal verraten, und ein Kollege wusste zu berichten, dass die Schlagersängerin Michelle "eine Granate im Bett" sei.

Frau Herman, die wegen Schriftstellerei den Job bei der Tagesschau aufgegeben hatte, hat es bei Vorlage eines zweiten Buches auch noch geschafft, echt "umstritten" zu sein, was heutzutage so etwas wie eine Wichtigkeits-Auszeichnung ist. Jedenfalls reichte es für die Einladung in Kerners Runde mit Senta Berger, Margarethe Schreinemakers und einem Komiker.

Sprachlicher Wirrwarr

Politisch umstritten ist Frau Hermann, weil sie bei der Präsentation ihres zweiten Büchleins am 6. September Folgendes gesagt hat: "Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der daraus folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das, was wir an Werten hatten, es war ne grausame Zeit. Das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder. Das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehenbleiben.‘‘

Was für ein sprachlicher Wirrwarr, was für ein gedankliches Durcheinander, was für ein Geschwätz. Wer hat denn jetzt was abgeschafft? Die 68er, die Nazis oder beide zusammen? Sie habe nur zum Ausdruck bringen wollen, dass "Werte, die ja auch vor dem Dritten Reich existiert haben, wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschließend durch die 68er abgeschafft wurden‘‘, hat sie dann in einem Interview geschwurbelt.

Weil "ihre Tätigkeit nicht länger vereinbar mit ihrer Rolle als Fernsehmoderatorin und Talk-Gastgeberin‘‘ sei, hat sie daraufhin vorigen Monat die Quatsch-Stelle als Moderatorin verloren. Hat sie nun, wie Kritiker meinen, die Familienpolitik der Nazis verharmlost? Nun ist es zumindest für die Geschichtsforschung und auch sonst völlig nebbich, was Frau Herman über die Nazis sagt. Sie legt Wert darauf, mit Rechtsextremisten nichts zu tun haben: "Wie konnte das passieren, warum habt ihr nichts unternommen?‘‘ will sie ihre Oma mal gefragt haben.

Gut. Schön. Bei Kerner saß also nicht Eva Braun, sondern Eva H., die beim Denken leicht oszilliert, weil sie mit der Sprache und mit den Gedanken nicht ganz im Reinen ist. Sie rutscht dann aus und sieht dabei seltsam traurig, selbstgerecht aus. Dass Kerners Redaktion als eine Art Schiedsrichter den NS-Experten Wolf Wippermann bemüht hatte, wirkte angesichts des Elends von Frau H. übertrieben.

Kerner baute Brücken

Dass sie nun nach den Abwatschereien der vergangenen Wochen bei Kerner auftrat und gleich erklärte, sie habe "keinen Fehler‘‘ gemacht, sondern die Presse habe falsch informiert, zeigt, dass sie mit einer vital erlittenen Kränkung nicht ordentlich umzugehen weiß. Ein Hinweis wie: "Ich habe da am 6. September ein bisschen wirr geredet; kann passieren, aber tut mir leid," hätte noch eine Nachfrage des Moderators nach sich gezogen. Danach wäre Kerner vermutlich erleichtert zu Kindertagesstätten und zu Frau von der Leyen übergegangen.

Aber in dem Versuch, die Selbstachtung zu bewahren, verrannte sie sich, wurde mit Zitaten des Nazi-Ideologen Alfred Rosenberg konfrontiert, geriet aus der Fassung. Sie verwies auf die Menschen da draußen, die sie verstünden - ganz anders jedenfalls als das "Medien-Establishment‘‘. Sie sprach von der "gleichgeschalteten Presse‘‘ und sah sehr angegriffen und auch müde aus. Kerner baute ihr Brücken, die sie ignorierte.

Was da lief, wirkte wie eine Inszenierung: Eine Medienfrau spielte das Stück allein gegen alle - das kommt sonst beim Publikum gut an. Normalerweise wird das Opfer nachher geherzt und bedauert. Aber diesmal? Wie kann jemand, der so ahnungslos ist, sich so viele Jahre als Moderatorin durchgeschlagen haben?

Der Moderator, der gelegentlich durch eine nur noch bei Kellnern außerhalb Bayerns übliche Servilität auffällt, mühte sich, hart nachzufragen. Auch ist die Verwertungskette Kerner/Boulevard (Bild) für jeden brandgefährlich.

Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses

Es ging um Nichts, aber das mit großer Wichtigkeit. Als Senta Berger, die über ihren Samstagskrimi reden wollte, damit drohte, zu gehen, komplimentierte der Moderator Frau Herman hinaus. Frau H. hatte sich ins Abseits gelabert und wurde ins Abseits getrieben: "Ich muss lernen, dass man über den Verlauf der Geschichte nicht reden kann, ohne in Gefahr zu geraten‘‘, hat sie auch noch gesagt. Der Schriftsteller Foucault hat den Begriff Wahnsinn einmal auf die Formel vom ´"Fehlen einer Arbeit‘‘ gebracht. Niemand könne leben, ohne tätig zu sein und ohne das Bewusstsein vom Sinn dieser seiner Tätigkeit.

Am Dienstagnachmittag traf beim NDR eine Klage des Herman-Anwalts auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ein, das eher ein Beschäftigungsverhältnis war. Eines Tages solle auch die Höhe des bislang unbestimmten Schadens festgelegt werden, der durch die Auflösung des Moderatorinnen-Vertrages und durch eine "Medienkampagne‘‘ entstanden sei.

Der Schaden für die Runde war beachtlich: Frau Berger konnte nicht ordentlich über ihren Krimi reden, Frau Schreinemakers fehlte am Ende das Gezicke mit Frau H., der Komiker war nur komisch. Selbst Kerner klagte nach der Sendung über Kopfschmerzen. Aber die Quote war bombig: Über 18 Prozent, mehr als das Doppelte, was Frau Maischberger holte.

(SZ vom 11.10.2007)

Bundeswehr: Mission impossible (Tagesspiegel)

Bundeswehr: Mission impossible
Die bisherigen Bundeswehr-Einsätze sind strategische Desaster. Haben also die 2007 postgouvernemental rückgewendeten Grünen und PDS/Linke als heftigste Kritiker recht? Mitnichten. Aber Rot-Grün und Schwarz-Rot haben die deutsche Sicherheitspolitik in eine Sackgasse geführt.
Ein Kommentar von Michael Wolffsohn 11.10.2007

In Afghanistan gewinnen die Taliban gefährlich an Boden. Die Opiumernte, die wichtigste Einkommensquelle des Taliban-Terrors, erreicht neue Rekorde und beliefert 93 Prozent des globalen Marktes, was weltweit Tausenden von Menschen das Leben kostet.

Im Kongo wird (trotz – oder vielleicht wegen? – der dort stationierten 17 000 UN-Soldaten) nicht zuletzt von Regierungssoldaten mehr geraubt, getötet und vergewaltigt als vor dem Bundeswehr-Einsatz, der diese Regierung mit anderen „Friedenstruppen“ „demokratisch“ installierte.

In Bosnien-Herzegowina können sich die Konfliktparteien nicht einmal auf eine einheitliche, sprich: ethnisch gemischte Polizei einigen, und die wohl bevorstehende Gründung des albanischen Kosovostaates ist das Drehbuch des nächsten Balkankrieges um „Großalbanien“. Serbien, Kosovo, Albanien und Mazedonien werden ihn führen. Das ist die bisherige Bilanz der „Friedenseinsätze“ der Bundeswehr.

Nicht der Einsatz an sich ist ein strategischer Fehler, die Strategie ist falsch. Gibt es eine? Diese ketzerische Frage drängt sich angesichts der Ergebnisse auf. Demokratie für den Kongo? Ein ehrenwertes Ziel. Aber mit Kabila als Partner? Ein Hohn, zudem undurchdacht, denn der Kongokrieg ist nicht rein innen-, sondern zugleich regional- und wirtschaftspolitisch bedingt. Zudem ist dieser Konflikt nicht zu lösen, ohne die ethnolinguistischen Strukturen dieses und anderer afrikanischer Staaten völlig neu – und endlich friedensstiftend – zu konzipieren.

Wenn die Menschen in Bosnien-Herzegowina nur darauf warten, sich wieder die Kehlen durchzuschneiden, wird es der Bundeswehr und ihren Partnern leider nicht gelingen, diesen Wahnsinn dauerhaft zu verhindern. Irgendwann geraten wir zwischen die Fronten. Und dann sind wir „Besatzer“. Gutmeinend, aber nichts (mehr) bewirkend.

Wer heute den neuen Staat „Kosovo“ militärisch und damit politisch „sichert“, schürt morgen in friedlicher Absicht einen neuen Krieg. Die dann gefährdete serbische Minderheit wird mithilfe Serbiens ihre „Sicherheit“ anstreben und sich lösen. Das wird weder Kosovo hinnehmen noch Albanien, das bei dieser Gelegenheit Kosovo sozusagen „heim ins Reich“ führen würde. Will Kosovo aber Teil eines albanischen Großalbaniens sein oder lieber ein kosovarisches Großalbanien? Die Albaner Mazedoniens wollen dann auch zu Großalbanien. Doch zu welchem, dem albanischen oder kosovarischen? Wurde dieses Szenario mitgedacht?

In Afghanistan sind Kampf und Krieg gegen die Taliban richtig, denn ihre Herrschaft gewährte dem internationalen Terror eine territoriale Basis. Wer dem Terror die Basis entziehen möchte, darf aber nicht vorgeben, es gäbe sie nicht in Teilen Pakistans, dem Nachbarn Afghanistans.

Wer A sagt, muss auch B sagen und den „treuen Verbündeten“ Pakistan zum entschlossenen Kampf gegen diesen Staat im Staat drängen – oder sich selbst diesem Kampf stellen: Schlimmes (Gewaltanwendung) tun, um Schlimmstes (die Stärkung des Terrors) zu vermeiden.

Weil nicht dafür ausgebildet, kann keine Armee der Welt zivil- administrative oder gar politische Strukturen aufbauen, auch nicht unsere „Bürger in Uniform“-Bundeswehr. Genau das aber, also die Quadratur des Kreises, soll sie in Afghanistan leisten: „Mission impossible“. Man mache sich nichts vor, die zivilen Aufbauleistungen, die amtlich gepriesen werden, hören sich aus erster Hand deutlich anders an, die Bilanz des Misserfolges an der Terror- und Opiumfront ist eindeutig und die Tüchtigkeit oder Redlichkeit der Karsai- Regierung nicht überwältigend.

Möglich – und nötig! – wäre die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den Taliban-Terror. Nicht die Vernichtung der Taliban muss das Ziel sein, wohl aber deren Mäßigung, konkret: die Bereitschaft, auf die Förderung des Terrors zu verzichten. Erst dann gibt es (des außenpolitischen Experten Kurt Beck Lieblingstraum) „gemäßigte Taliban“. Deren Handlungen wären nicht mehr das Problem internationaler, sondern national-afghanischer Politik. Die ausländischen Truppen könnten abziehen.

Als Ersatz des Technischen Hilfswerks ist der Bundeswehr- Einsatz weder zivil-politisch noch militärisch sinnvoll. Das sollten die Mitglieder des Bundestages wissen, wenn sie über Bundeswehr-Einsätze abstimmen.

Der Autor lehrt Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München. Der Text gibt seine persönliche Meinung wieder.