Knaller an der Zeitungsfront

Wednesday, May 30, 2007

Erst Döner, dann Randale (FR)

Erst Döner, dann Randale
Die autonome Szene übt für Heiligendamm / Das Ziel: Der Zaun soll fallen
VON BERNHARD HONNIGFORT

Hamburg. Vor dem "Pamukkale Grill" in der Hamburger Susannenstraße: Pfingstmontagabend, Nieselregen, langsam wird es dunkel. Ein Mann im grauen Pullover zieht sinnierend an seiner Zigarette. Er deutet auf den silbernen Geländewagen: "Wenn der jetzt kaputt geht, der ist bestimmt noch nicht bezahlt. Wer kommt für den Schaden auf?"Dann tritt er zurück in den Grill. Von rechts rennen vermummte Autonome die Straße herunter vorbei am Geländewagen. Der bleibt verschont. Einige zerbeulen mit Tritten und Stockschlägen einen kleinen Ford, der verloren an der Ecke steht. Die Restaurantbesitzer haben hastig ihre Tische von den Bürgersteigen geholt, Fahrräder losgekettet und in Sicherheit gebracht.

Ein Autonomer läuft in den Grill. Ein junger Mann, Sonnenbrille, St. Pauli und Totenkopf auf dem Shirt. Er kauft einen Döner, zahlt, geht weiter, nimmt draußen eine Biomülltonne mit, kippt sie auf die Bartelsstraße. Andere werfen weitere Mülltonnen dazu, versuchen vergeblich, den Haufen aus Tonnen, einer Kabelrolle und Salatresten anzuzünden.Von rechts rennt ein Trupp gepanzerter Polizisten auf die Barrikade zu. Die Autonomen flüchten in Nebenstraßen. Hastig eilen zwei Jugendliche mit einer Klappkiste voller Molotowcocktails davon. Einer trinkt sein Bier aus, wirft die Flasche durchs offene Fenster in den Grill. "Woher kommt eigentlich dieser Hass?", fragt der Mann mit der Zigarette. Die Flasche zerschellt auf dem Fußboden.So ging es stundenlang hin und her am Pfingstmontag vor dem Kulturtreff "Rote Flora" im Hamburger Schanzenviertel. Hunderte Polizisten mit Wasserwerfern hatten das verfallene Haus, einen Treffpunkt der autonomen Szene, abgeriegelt. Die meist angetrunkenen Autonomen warfen mit Steinen, Flaschen und Farbbeuteln. Die Polizisten gingen mit Wasserwerfern und Schlagstöcken dazwischen.Es war absehbar. Die große Demonstration - mehr als 4000 Menschen waren am Mittag nach St. Pauli gekommen, um gegen den G8-Gipfel und das Treffen der EU- und Asien-Außenminister in Hamburg zu protestieren - lief am Abend aus dem Ruder. 34 Festnahmen, 86 Menschen in Gewahrsam, ein Polizist zieht in seiner Not die Pistole, schießt aber nicht. Angeführt wurde der Zug von einem schwarzen Block aus etwa 1000 militanten Autonomen, dicht umschlossen von 2800 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet.

Kracher und Stinkbomben

Schon am Nachmittag flogen Kracher in die Polizeireihen, Rauch- und Stinkbomben. "Fight the police", riefen die Autonomen. Pfingstmontag in Hamburg, das war die Generalprobe für Heiligendamm: Die militante Szene, aufgestachelt nach Hausdurchsuchungen in der "Roten Flora", Postkontrollen und der massiven Polizeipräsenz, randaliert sich in Laune. Das große Ziel ist Heiligendamm, dort soll der Zaun fallen. Der Feind, das ist die Polizei, der Staat, die EU; Widerstand ist Pflicht. Die Polizei hält mit "Null Toleranz" und Wasserwerfern dagegen.

Merkwürdige Szenen spielen sich ab. Eine junge Frau verspeist ihren Flammkuchen im Bistro, zahlt, zieht sich Kapuze und Schal über, geht ein paar Schritte rüber zur Polizeikette und brüllt: "Ihr seid lächerlich."Als der Regen stärker wird, verschwinden die meisten. An der roten Ampel vor der Schanzenstraße wartet eine Gruppe Autonomer. Keine Autos, kein Verkehr, die Straße ist weiträumig gesperrt, aber die Autonomen warten an der Ampel. Als sie grün wird, gehen sie los. Tadellos. An der S-Bahnhaltestelle Sternschanze warten Polizisten vor ihren Autos auf den Feierabend. Als die Autonomen sie erblicken, ballen sie die Fäuste und rufen auf Englisch: "Revolution, Revolution."

0 Comments:

Post a Comment

<< Home