Knaller an der Zeitungsfront

Monday, November 13, 2006

Mitten drin (fr)

Mitten drin
Die NPD hat sich erstmals groß in Berlin inszeniert - nun will die florierende Partei noch mehr erreichen
VON JÖRG SCHINDLER (BERLIN)

NPD-Parteitag in Berlin (rtr)
Das Fontane-Haus im Märkischen Viertel von Berlin ist ein grauer trutziger Flachbau, dem ein guter Geist irgendwann quietschgelbe Fenster implantiert hat, um die Trostlosigkeit zu übertünchen. Jedes noch so abseitige Hobby wird in dem Kulturzentrum regelmäßig gepflegt. Gerade erst war dort eine Bonsai-Ausstellung zu sehen, demnächst werden Modelleisenbahn- und Insektenfreunde auf ihre Kosten kommen. Zwischendurch zeigen sie in Reinickendorf den Hamlet. Selten aber war der Andrang so groß wie am Wochenende. Denn da wurde wieder mal deutlich: Nicht nur in Dänemark ist etwas faul im Staate.

Weiträumig abgesperrt war das Fontane-Haus an diesem Samstag. Mit mehreren Hundertschaften sicherte die Polizei das Gelände. Absperrgitter und eng nebeneinander stehende Transporter verhinderten, dass sich Demonstranten dem Gebäude nähern konnten. Und so brüllten die rund 400 Antifaschisten aus der Ferne: "Weg mit dem Dreck", "Keiner mag euch" und "Nazis raus". Vergeblich. Die NPD war längst drin.

Tagelang hatten zuvor Politiker aller Parteien versucht, den Rechtsextremisten ihren großen Auftritt in der Bundeshauptstadt zu vermasseln. Amts-, Land- und Verwaltungsgerichte waren bemüht worden, um den symbolträchtigen Bundesparteitag der NPD noch zu verhindern. Es hatte nichts genutzt. Umso höhnischer verlachten die rund 240 Delegierten und ihre 300 gleichgesinnten Gäste nun die "anti-deutschen Versagerparteien und die ihnen hörigen Medien". Die NPD, so die Lesart im Fontane-Saal, lässt sich nicht mehr ohne weiteres stoppen. Und so lautete das sinnige Motto dieses 31. Parteitages: "Aus der Mitte des Volkes."

Derart groß ist das Selbstbewusstsein der Partei inzwischen, dass auch die Presse diesmal wieder hautnah dabei sein durfte. Wenn auch nur vorübergehend und wenn auch nur unter strikten Auflagen. So wurde etwa Fotografen und Kamerateams untersagt, Porträtaufnahmen der Delegierten zu machen. Ansonsten, so ein NPD-Sprecher, müssten Beamte und Mittelständler im Saal um ihren Job bangen. Aus Angst, gefilmt zu werden, verbargen etliche Delegierte denn auch ihre Gesichter hinter Wahlunterlagen, der Bild oder der FAZ - es steckt halt doch nicht immer ein kluger Kopf dahinter.

Gegen kurz vor halbdrei marschierten am Samstag zu Trommel- und Fanfarenklängen diejenigen ein, die kein Problem damit haben, ihr Antlitz zu zeigen. Allen voran NPD-Chef Udo Voigt, sein Stellvertreter Holger Apfel oder auch Thorsten Heise, mehrfach vorbestrafter Neonazi und eine der Schlüsselfiguren bei der Verzahnung der NPD mit der gewaltbereiten Kameradschaftsszene. Sie alle genießen in der prosperierenden Partei offenkundig uneingeschränkte Verehrung: Zum Fahnen-Einmarsch erhob sich der Saal und skandierte minutenlang "Hoch die nationale Solidarität".

Ansonsten war man peinlichst darum bemüht, keine falschen Bilder entstehen zu lassen. Anders als noch vor zwei Jahren im thüringischen Leinefelde hingen diesmal keine Plakate mit Aufschriften wie "jew ess ey" im Foyer. Anders auch als damals gab es keine Tische, an denen sich Skinheads und Stiefelträger mit eindeutigen Tätowierungen zusammenrotteten. Statt dessen: ein Haufen von Biedermännern und -frauen, die meisten dezent gekleidet, alle folgsam, alle gesittet. Ein ganz normaler Parteitag einer ganz normalen Partei? Man hätte es fast glauben können, hätte nicht ein Gastredner aus Rumänien stolz davon berichtet, wie man kürzlich eine Schwulenparade machtvoll unterbunden habe. Hätte nicht ein weiterer Gast aus Portugal seine Rede mit "Heil NPD! Heil Deutschland!" beendet. Und hätten da nicht alle im Saal frenetisch applaudiert.

Man traut sich wieder was im braunen Lager. Weswegen auch Udo Voigt seine einstündige Rede mit Seitenhieben auf seine Gegner spickte. "Sie können machen, was sie wollen, sie werden uns nicht aufhalten", so Voigt. Heute sei man in der "Reichshauptstadt" vehement bekämpfte Minderheit, morgen schon werde man dort das Sagen haben. "Wir wollen eines Tages dieses Land regieren und dieses Land wird von Berlin regiert - deswegen sind wir heute hier." Um sein Ziel zu erreichen, erneuerte Voigt, der seit zehn Jahren an der NPD-Spitze steht, noch einmal sein Angebot an alle Nationalisten, dem "Deutschland-Pakt" beizutreten. NPD und DVU, deren Chef Gerhard Frey als Gastredner geladen war, hätten bereits den Schulterschluss geübt und Wahlerfolge eingefahren Nun fehlten nur noch die widerspenstigen "Republikaner". Eine Einigung mit diesen würde wirken "wie ein Brandbeschleuniger". So oder so, schloss Voigt: "Unsere Zeit ist gekommen!"

Draußen vor der Tür standen derweil noch rund 80 Demonstranten im Regen. Der Rest hatte längst aufgegeben.

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