Lance Armstrong (FAZ)
New York Marathon
Armstrong „joggt“ für die Lance-Cam
Von Jürgen Kalwa, New York
Armstong habe "keine Ahnung" von Marathon-Training, sagen Kritiker04. November 2006 Beim Rennen gegen die Uhr hat Lance Armstrong schon mehr als einmal gezeigt, daß er nicht gleich einpackt, wenn es schwierig wird. Und schwierig wird es werden, an diesem Sonntag für den Debütanten beim New York Marathon. Schon das Training schmerzte. „Es ist körperlich härter, als ich gedacht habe“, stöhnte der 35 Jahre alte Texaner, der sich auf die neue Herausforderung auf Original-Pflaster vorbereitet hat: um die Ecke des Trump Towers herum überquerte er zur Rush-hour die Madison Avenue und mußte mal Polizei-Motorrädern ausweichen, mal einem Radfahrer, der chinesische Kost auslieferte, oder zwei Frauen auf hohen Absätzen, die zum Autobus rannten.
„Der längste Lauf, den ich bisher geschafft habe, das waren, glaube ich, 13 Kilometer.“ Aber Kämpfen ist der siebenmalige Tour-Sieger gewohnt, dessen sportlicher Kalender bisher von einem einzigen Ereignis dominiert war: der Tour als unumstrittenem Saisonhöhepunkt, auf den der Texaner jeden Gedanken, alle Mittel und jede Faser seines durchtrainierten Körpers ausrichtete. Und da war der unsichtbare Gegner namens Krebs, für den die Medizin in seinem Fall mit einer radikalen Operation und einer massiven chemotherapeutischen Behandlung einst eine Antwort gefunden hatte.
Armstrong ohne Hürden zum New Yorker Marathon
Nach seinem letzten Tour-Sieg stellte Armstrong ziemlich schnell fest, daß einer wie er nicht einfach das Rad in die Garage stellen kann, sondern nach neuen Herausforderungen sucht. Zumal die Scharmützel mit den Widersachern und deren Anwälten, die ihm nachsagen, er habe seine Leistung wie andere Radsportprofis auch regelwidrig mit Dopingmitteln aufgepeppt, allmählich weniger werden. Aber nicht ganz aufhören. „Wenn irgendwas mit Marion Jones oder Barry Bonds oder Floyd Landis oder Tyler Hamilton passiert, dann werde ich damit in einen Topf geworfen“, klagt er. Immer wieder hat Armstrong behauptet, er sei der am meisten getestete Athlet auf der ganzen Welt, und nie sei eine Dopingprobe positiv gewesen. Im Widerspruch dazu stehen allerdings Informationen, in dieser Sache sei so einiges vertuscht worden.
Armstrong hat das Thema über. Und so lenkte er sich im Frühjahr mit einer Idee ab, die viele Freizeitläufer haben: 42,195 Kilometer laufen - und das möglichst in New York, dem wohl populärsten Ort für einen Marathon. Rund 90.000 Menschen bewerben sich jedes Jahr darum, hier starten zu dürfen. Doch weil die Veranstaltung mit so vielen Athleten aus allen Nähten platzen würde, werden die Meldungen mit Hilfe von Qualifikationszeiten und einer Lotterie auf 38.000 reduziert. Solche Hürden muß ein Prominenter wie Lance Armstrong natürlich nicht überwinden.
„Ich könnte bei 32 Kilometern total verkrampfen“
Im Gegenteil. Weil der ehemalige Radprofi den zugkräftigsten Name trägt, bekam er sofort eine Startnummer. Die 1002 ist es und soll an den Tag erinnern (in der amerikanischen Schreibweise, in der der Monat zuerst genannt wird), an dem im Oktober 1996 der Krebs diagnostiziert wurde. Mit seinem Auftritt verbindet sich eine Spendenaktion, die das Internet einbezieht: Eine sogenannte Lance-Cam verfolgt seinen Lauf von Start bis Ziel. Wer es miterleben will, muß eine Gebühr entrichten. 600.000 Dollar will Armstrong so für seine Stiftung auftreiben.
Der ehemalige Triathlet, der seinen Ehrgeiz schon immer gerne verharmlost hat, tat auch diesmal so, als dürfe man keine großen Stücke von ihm erwarten. „Ich könnte bei 32 Kilometern total verkrampfen. Es kann sein, daß ich am Ende nur noch krieche.“ Das ist unwahrscheinlich. Vor allem wenn er sich eine realistische Zeit vornimmt. Das wird vermutlich nicht die seiner ehemaligen Frau Kristin sein, die 2004 nach 3:45:53 Stunden ans Ziel kam.
16 Kilometer mit persönlichem Tempomacher
Eher orientiert er sich an den respektablen 2:55:39 Stunden, die der frühere französische Radprofi Laurent Jalabert im vergangenen Jahr auf die Beine stellte. Daß er es ernst meint, zeigt ein Umstand: Der ehemalige New-York-Sieger Alberto Salazar, heute beim Sportausrüster Nike angestellt, geht als sein persönlicher Tempomacher mit an den Start und will die ersten 16 Kilometer das Rennen gegen die Uhr forcieren.
Die Leute, die ihr Geld auf den Texaner setzen, erwarten eine noch bessere Zeit, wie ein Sprecher des irischen Wettbüros Paddy Powers der Nachrichtenagentur Bloomberg sagte. Die meisten Abschlüsse spekulieren darauf, daß der Marathon-Neuling nur zwei Stunden und 40 Minuten für die Strecke braucht. Das scheint ziemlich übertrieben, wenn man den Überlegungen traut, die Experten wie der Sportphysiologe Francois Peronnet von der Universität Montreal angestellt haben.
„Er hat keine Ahnung, was man eigentlich tun muß“
Sie reagierten skeptisch, als sie die in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Informationen über Armstrongs Marathontraining lasen. „Er hat keine Ahnung, was man eigentlich tun muß“, lautete das harsche Urteil: „Er joggt.“ Da nützt es denn auch gar nichts, wenn man einen Körper wie kaum ein anderer Ausdauerathlet besitzt, der sich Sauerstoff in rauhen Mengen zuführen kann. Also so wie die Marathon-Asse, die natürlich wie in jedem Jahr ganz vorne im Feld ein richtiges Rennen - um üppige Preisgelder - veranstalten.
Was die Attraktivität dieser Gruppe angeht, tut sich der New Yorker Marathon in manchen Jahren im Vergleich zu den flachen Strecken wie etwa in Chicago schwer, denn dort peilen die Besten den Weltrekord an. So etwas läßt das anspruchsvolle Streckenprofil in der Hauptstadt der Welt nicht zu. Immerhin: Im letzten Jahr gab es eine seltene Entscheidung im Sprint, den der Kenianer Paul Tergat gewann.
Text: F.A.Z., 04.11.2006, Nr. 257 / Seite 34Bildmaterial: AFP, AP, dpa, picture-alliance/ dpa, picture-alliance/ dpa/dpaweb
Armstrong „joggt“ für die Lance-Cam
Von Jürgen Kalwa, New York
Armstong habe "keine Ahnung" von Marathon-Training, sagen Kritiker04. November 2006 Beim Rennen gegen die Uhr hat Lance Armstrong schon mehr als einmal gezeigt, daß er nicht gleich einpackt, wenn es schwierig wird. Und schwierig wird es werden, an diesem Sonntag für den Debütanten beim New York Marathon. Schon das Training schmerzte. „Es ist körperlich härter, als ich gedacht habe“, stöhnte der 35 Jahre alte Texaner, der sich auf die neue Herausforderung auf Original-Pflaster vorbereitet hat: um die Ecke des Trump Towers herum überquerte er zur Rush-hour die Madison Avenue und mußte mal Polizei-Motorrädern ausweichen, mal einem Radfahrer, der chinesische Kost auslieferte, oder zwei Frauen auf hohen Absätzen, die zum Autobus rannten.
„Der längste Lauf, den ich bisher geschafft habe, das waren, glaube ich, 13 Kilometer.“ Aber Kämpfen ist der siebenmalige Tour-Sieger gewohnt, dessen sportlicher Kalender bisher von einem einzigen Ereignis dominiert war: der Tour als unumstrittenem Saisonhöhepunkt, auf den der Texaner jeden Gedanken, alle Mittel und jede Faser seines durchtrainierten Körpers ausrichtete. Und da war der unsichtbare Gegner namens Krebs, für den die Medizin in seinem Fall mit einer radikalen Operation und einer massiven chemotherapeutischen Behandlung einst eine Antwort gefunden hatte.
Armstrong ohne Hürden zum New Yorker Marathon
Nach seinem letzten Tour-Sieg stellte Armstrong ziemlich schnell fest, daß einer wie er nicht einfach das Rad in die Garage stellen kann, sondern nach neuen Herausforderungen sucht. Zumal die Scharmützel mit den Widersachern und deren Anwälten, die ihm nachsagen, er habe seine Leistung wie andere Radsportprofis auch regelwidrig mit Dopingmitteln aufgepeppt, allmählich weniger werden. Aber nicht ganz aufhören. „Wenn irgendwas mit Marion Jones oder Barry Bonds oder Floyd Landis oder Tyler Hamilton passiert, dann werde ich damit in einen Topf geworfen“, klagt er. Immer wieder hat Armstrong behauptet, er sei der am meisten getestete Athlet auf der ganzen Welt, und nie sei eine Dopingprobe positiv gewesen. Im Widerspruch dazu stehen allerdings Informationen, in dieser Sache sei so einiges vertuscht worden.
Armstrong hat das Thema über. Und so lenkte er sich im Frühjahr mit einer Idee ab, die viele Freizeitläufer haben: 42,195 Kilometer laufen - und das möglichst in New York, dem wohl populärsten Ort für einen Marathon. Rund 90.000 Menschen bewerben sich jedes Jahr darum, hier starten zu dürfen. Doch weil die Veranstaltung mit so vielen Athleten aus allen Nähten platzen würde, werden die Meldungen mit Hilfe von Qualifikationszeiten und einer Lotterie auf 38.000 reduziert. Solche Hürden muß ein Prominenter wie Lance Armstrong natürlich nicht überwinden.
„Ich könnte bei 32 Kilometern total verkrampfen“
Im Gegenteil. Weil der ehemalige Radprofi den zugkräftigsten Name trägt, bekam er sofort eine Startnummer. Die 1002 ist es und soll an den Tag erinnern (in der amerikanischen Schreibweise, in der der Monat zuerst genannt wird), an dem im Oktober 1996 der Krebs diagnostiziert wurde. Mit seinem Auftritt verbindet sich eine Spendenaktion, die das Internet einbezieht: Eine sogenannte Lance-Cam verfolgt seinen Lauf von Start bis Ziel. Wer es miterleben will, muß eine Gebühr entrichten. 600.000 Dollar will Armstrong so für seine Stiftung auftreiben.
Der ehemalige Triathlet, der seinen Ehrgeiz schon immer gerne verharmlost hat, tat auch diesmal so, als dürfe man keine großen Stücke von ihm erwarten. „Ich könnte bei 32 Kilometern total verkrampfen. Es kann sein, daß ich am Ende nur noch krieche.“ Das ist unwahrscheinlich. Vor allem wenn er sich eine realistische Zeit vornimmt. Das wird vermutlich nicht die seiner ehemaligen Frau Kristin sein, die 2004 nach 3:45:53 Stunden ans Ziel kam.
16 Kilometer mit persönlichem Tempomacher
Eher orientiert er sich an den respektablen 2:55:39 Stunden, die der frühere französische Radprofi Laurent Jalabert im vergangenen Jahr auf die Beine stellte. Daß er es ernst meint, zeigt ein Umstand: Der ehemalige New-York-Sieger Alberto Salazar, heute beim Sportausrüster Nike angestellt, geht als sein persönlicher Tempomacher mit an den Start und will die ersten 16 Kilometer das Rennen gegen die Uhr forcieren.
Die Leute, die ihr Geld auf den Texaner setzen, erwarten eine noch bessere Zeit, wie ein Sprecher des irischen Wettbüros Paddy Powers der Nachrichtenagentur Bloomberg sagte. Die meisten Abschlüsse spekulieren darauf, daß der Marathon-Neuling nur zwei Stunden und 40 Minuten für die Strecke braucht. Das scheint ziemlich übertrieben, wenn man den Überlegungen traut, die Experten wie der Sportphysiologe Francois Peronnet von der Universität Montreal angestellt haben.
„Er hat keine Ahnung, was man eigentlich tun muß“
Sie reagierten skeptisch, als sie die in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Informationen über Armstrongs Marathontraining lasen. „Er hat keine Ahnung, was man eigentlich tun muß“, lautete das harsche Urteil: „Er joggt.“ Da nützt es denn auch gar nichts, wenn man einen Körper wie kaum ein anderer Ausdauerathlet besitzt, der sich Sauerstoff in rauhen Mengen zuführen kann. Also so wie die Marathon-Asse, die natürlich wie in jedem Jahr ganz vorne im Feld ein richtiges Rennen - um üppige Preisgelder - veranstalten.
Was die Attraktivität dieser Gruppe angeht, tut sich der New Yorker Marathon in manchen Jahren im Vergleich zu den flachen Strecken wie etwa in Chicago schwer, denn dort peilen die Besten den Weltrekord an. So etwas läßt das anspruchsvolle Streckenprofil in der Hauptstadt der Welt nicht zu. Immerhin: Im letzten Jahr gab es eine seltene Entscheidung im Sprint, den der Kenianer Paul Tergat gewann.
Text: F.A.Z., 04.11.2006, Nr. 257 / Seite 34Bildmaterial: AFP, AP, dpa, picture-alliance/ dpa, picture-alliance/ dpa/dpaweb
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