Neuer rauer Ton (Berliner Tagesspiegel)
KRITISCH gesehen
Neuer rauer Ton
Merkel und Putin – das Doppelinterview. ARD. Thomas Roth hatte sich weit nach vorne gebeugt, er lag fast auf seinen Knien. Eine Haltung, die man aus alten Michel-Friedman-Talkshows kennt und die signalisiert: Hier lauert einer auf seine Chance zum Angriff. Wladimir Putin führte gerade aus, dass die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja im Inland nicht so bekannt gewesen sei wie im Ausland. Da war sie, die Atempause. Roth preschte hinein: „...Ja weil sie nicht die Gelegenheit hatte, im staatlichen Fernsehen aufzutreten.“ – „Wenn Sie bitte so liebenswürdig wären und mich aussprechen ließen“, antwortete Putin. Roth war nicht so liebenswürdig. Er unterbrach ihn kurz darauf wieder und dann noch einmal, bis Putin ihm genervt auf Deutsch widersprach: „Nein, nein! Absolut nicht!“
Es war ein ungewöhnlich konfrontativer Ton, der am Dienstagabend beim ARD-Interview herrschte. ARD-Hauptstadtstudioleiter Roth war ein ungewöhnlich offensiver Fragensteller. Das Interview machte deutlich, wie sehr Gespräche mit Staatsgästen sonst der diplomatischen Etikette verhaftet sind statt journalistischen Maßstäben. Besonders eklatante Beispiele waren die Gespräche mit Condoleezza Rice, die vergangenes Jahr Anne Will und Claus Kleber führten. Symptomatisch war Wills Dank zum Schluss: „Thank you sooo much!“ Da war die Erleichterung herauszuhören, das Gespräch auf Englisch ordentlich hinter sich gebracht zu haben. Es gibt also einen formalen Grund, warum Interviews mit Putin besser gelingen als mit Rice: Die Journalisten fragen auf Deutsch, man fühlt sich sicherer in der eigenen Sprache. Natürlich liegt der Hauptgrund eher darin, dass es bei Putin immer auch um Pressefreiheit geht, dem ureigenen Thema von Journalisten. Maybrit Illner befragte Putin im Juli bereits kritisch dazu, blieb jedoch freundlich. Roth wurde an einer Stelle sogar ironisch. Das war, als Putin erklärte, der russische Konzern Gazprom wolle mit seinem Sponsoring Schalke 04 doch nur helfen, seine finanziellen Probleme zu lösen. „Spenden für Schalke!“, sagte Roth, lachte und ließ damit keinen Zweifel daran, dass er die selbstlose Hilfsbereitschaft seitens Gazprom bezweifelt. An der Stelle hatte man den Verdacht, dass Putin für den Rest seiner Amtszeit nur noch dem ZDF Interviews geben wird. Egal: An diesem Dienstag zeigte die ARD, dass Journalisten keine Nebendiplomaten sein müssen.
nol
(12.10.2006)
Neuer rauer Ton
Merkel und Putin – das Doppelinterview. ARD. Thomas Roth hatte sich weit nach vorne gebeugt, er lag fast auf seinen Knien. Eine Haltung, die man aus alten Michel-Friedman-Talkshows kennt und die signalisiert: Hier lauert einer auf seine Chance zum Angriff. Wladimir Putin führte gerade aus, dass die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja im Inland nicht so bekannt gewesen sei wie im Ausland. Da war sie, die Atempause. Roth preschte hinein: „...Ja weil sie nicht die Gelegenheit hatte, im staatlichen Fernsehen aufzutreten.“ – „Wenn Sie bitte so liebenswürdig wären und mich aussprechen ließen“, antwortete Putin. Roth war nicht so liebenswürdig. Er unterbrach ihn kurz darauf wieder und dann noch einmal, bis Putin ihm genervt auf Deutsch widersprach: „Nein, nein! Absolut nicht!“
Es war ein ungewöhnlich konfrontativer Ton, der am Dienstagabend beim ARD-Interview herrschte. ARD-Hauptstadtstudioleiter Roth war ein ungewöhnlich offensiver Fragensteller. Das Interview machte deutlich, wie sehr Gespräche mit Staatsgästen sonst der diplomatischen Etikette verhaftet sind statt journalistischen Maßstäben. Besonders eklatante Beispiele waren die Gespräche mit Condoleezza Rice, die vergangenes Jahr Anne Will und Claus Kleber führten. Symptomatisch war Wills Dank zum Schluss: „Thank you sooo much!“ Da war die Erleichterung herauszuhören, das Gespräch auf Englisch ordentlich hinter sich gebracht zu haben. Es gibt also einen formalen Grund, warum Interviews mit Putin besser gelingen als mit Rice: Die Journalisten fragen auf Deutsch, man fühlt sich sicherer in der eigenen Sprache. Natürlich liegt der Hauptgrund eher darin, dass es bei Putin immer auch um Pressefreiheit geht, dem ureigenen Thema von Journalisten. Maybrit Illner befragte Putin im Juli bereits kritisch dazu, blieb jedoch freundlich. Roth wurde an einer Stelle sogar ironisch. Das war, als Putin erklärte, der russische Konzern Gazprom wolle mit seinem Sponsoring Schalke 04 doch nur helfen, seine finanziellen Probleme zu lösen. „Spenden für Schalke!“, sagte Roth, lachte und ließ damit keinen Zweifel daran, dass er die selbstlose Hilfsbereitschaft seitens Gazprom bezweifelt. An der Stelle hatte man den Verdacht, dass Putin für den Rest seiner Amtszeit nur noch dem ZDF Interviews geben wird. Egal: An diesem Dienstag zeigte die ARD, dass Journalisten keine Nebendiplomaten sein müssen.
nol
(12.10.2006)
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