Knaller an der Zeitungsfront

Saturday, November 04, 2006

"Ich war's" (Berliner Zeitung)

Seite 3

"Ich war's"
Steve Wozniak hat vor dreißig Jahren den ersten Personal Computer gebaut. Das Problem ist nur, dass niemand das weiß. Und das will er jetzt ändern
Jakob Schlandt

BERLIN. Nein, bescheiden ist Steve Wozniak nicht. Aber vielleicht kann man das auch nicht verlangen von einem wie ihm. "Mein Apple hat die Welt überrumpelt, er war revolutionär. Er hatte ein fantastisches Computer-Design. Ich selbst habe die Chipdiagramme gezeichnet. Ich habe den Computer gelötet und zusammengeschraubt. Ich habe ihn getestet. Ich schrieb die komplette Software. Das kam alles aus meinem Kopf." Mit jedem Satz wackelt das große Doppelkinn unter dem Bart ein bisschen hin und her.

In dieser leeren Hotelbar in der Friedrichstraße kann ihn keiner hören, zumal er mit gedämpfter Stimme spricht, und doch scheint er es in die Welt hinausschreien zu wollen. Was für ein Genie er ist, wie gigantisch, fantastisch, "amazing" seine Erfindungen waren. Wozniak ist jetzt 56 und er hat ein Buch geschrieben. "iWoz - wie ich den Personal Computer erfand und Apple mitbegründete" heißt es und ist gerade auf Deutsch erschienen.

"Vorher sahen die Dinger immer aus wie Flugzeugcockpits, mit vielen blinkenden Dioden", sagt Wozniak. Er konstruierte 1975 in Kalifornien einen Rechner, bei dem alles anders war und im Prinzip so, wie es heute immer noch ist: Mit einer Tastatur und einem Bildschirm.

Trotz aller Angeberei: Steve Wozniaks Geschichte ist faszinierend. Sie handelt davon, wie er schon als Kind mit imaginären Dioden, Widerständen und Chips neue Schaltkreise erfand. Wie er später als Angestellter in der Taschenrechnerabteilung seinem Arbeitgeber Hewlett-Packard fünfmal die Pläne für den Apple I, den ersten Personal Computer der Welt, anbot, und fünfmal abgelehnt wurde.

Ein Jugendfreund

Wozniak machte auf eigene Faust weiter und kündigte bei Hewlett-Packard - sein Jugendfreund Steve Jobs hatte ihn dazu überredet. Der Steve Jobs, der heute eine der reichsten und einflussreichsten Gestalten der Computerindustrie ist. Und vielleicht der wichtigste Grund für Wozniaks Angebereien.

Mit ihm zusammen gründete Wozniak 1976 Apple Computer Inc. und innerhalb kürzester Zeit rollten die beiden mit dem Apple I und dem Apple II die Computerindustrie auf - mit Hilfe einer trennscharfen Arbeitsteilung. Wozniak war der schrullige Erfinder, Jobs der Geschäftsmann und Vermarkter. "Er hat gar nichts gemacht, weder an der Entwicklung der Hard- noch der Software hat Steve Jobs mitgewirkt. Er hatte keine Ahnung", sagt Wozniak über seinen Weggefährten.

Der breiten Öffentlichkeit blieb das alles bislang verborgen. Stets galt Jobs als der große Macher und auch Ingenieur. Nun möchte Wozniak ihn als modernen Thomas Edison enttarnen, der die Glühlampe zwar nicht entwickelte, sie aber als erster kommerziell verwertete und gemeinhin als ihr Erfinder gilt.

Anfang der achtziger Jahre verschwand Wozniak endgültig im Schatten von Steve Jobs. Der Erfinder weigerte sich, als Ingenieur oder gar als Manger zu arbeiten. Zur Mitte des Jahrzehnts war die Computerindustrie dann so professionell und auf die Zusammenarbeit von großen Entwicklungsteams ausgerichtet, dass ein Solist wie Wozniak nicht mehr gebraucht wurde. Ein großer Teamplayer war er noch nie. Er ist immer noch offiziell Mitarbeiter und besitzt Unternehmensanteile - spielt aber keine Rolle mehr.

Wozniak betont zwar immer wieder, dass er mit dem überragenden Erfolg von Jobs, dessen Vermögen auf drei bis vier Milliarden Dollar geschätzt wird, keine Schwierigkeiten habe, man sei ja immer noch ein bisschen befreundet. Wirklich? In iWoz findet sich eine Passage, die Jobs ziemlich schlecht aussehen lässt. Wozniak schreibt, Jobs habe ihm erzählt, für die gemeinsame Entwicklung eines Computerspiels 700 Dollar bekommen zu haben. In Wahrheit seien es mehrere Tausend gewesen - und Jobs habe den Rest eingesteckt.

Und er stichelt weiter: "Sogar, wenn mich jemand schlecht behandelt, hasse ich ihn dafür nicht. Es könnte bloß sein, dass ich dieser Person in bestimmten Situationen nicht mehr vertraue. Hätte ich einen Vertrag mit Jobs, dann würde es schlecht für mich aussehen. Mit einem verstecken Passus im Kleingedruckten würde er mich bestimmt abziehen." Da überrascht Jobs Weigerung nicht, für Wozniaks Buch ein Vorwort zu schreiben.

Lehrer und Bruchpilot

Nach seinem Abgang bei Appel führte Wozniak ein schrulliges Leben. Viel Zeit verbringt er mit kleinen Streichen. "Spülung nicht über Städten benutzen", steht auf dem Aufkleber, den er auf jeder Flugzeugtoilette unter dem Klodeckel hinterlässt. Und was sonst noch? Einige Investments, eine Menge Philantropie; auch als Lehrer, Festivalveranstalter, Bruchpilot hat er sich probiert.

Aber das ist alles nicht so wichtig. Davon steht auch nichts im Klappentext seines Buches. Dort steht, es stimme nicht, dass Steve Jobs und er gemeinsam die ersten Personal Computer gebaut hätten. Noch mal für alle: "Ich habe sie allein gebaut."

Berliner Zeitung, 04.11.2006

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