Knaller an der Zeitungsfront

Monday, November 13, 2006

"Ich bin wie ein Computer" (Die Welt)

Roger Federer
"Ich bin wie ein Computer"

Zum Auftakt des Masters Cup in Shanghai besiegte Roger Federer Titelverteidiger David Nalbandian (Argentinien) mit 3:6, 6:1, 6:1. Im Interview mit WELT.de spricht der 25-jährige Weltranglistenerste über seine herausragende Fähigkeit, das Spiel des Gegners lesen zu können und den Plan seiner Karriere.
Von Stefan Frommann

WELT.de: Gibt es ein Spiel, das Sie gern noch einmal spielen würden, Herr Federer?
Roger Federer: Meinen ersten Auftritt in Wimbledon gegen Pete Sampras. Er war neben Boris Becker und Stefan Edberg mein Idol, und ich war total glücklich, die Möglichkeit bekommen zu haben, gegen ihn zu spielen. Ich wusste, dass ich nie eine Chance hätte, wenn ich nicht richtig gut spielen würde. Und dann gewann ich mit 7:5 im fünften Satz. Dieses Spiel war für mich ein absoluter Meilenstein, das würde ich am liebsten noch einmal erleben.

WELT.de: Gegen wen der großen alten Tennisheroen hätten Sie gern mal auf Augenhöhe gespielt?
Federer: Gegen Björn Borg. Er hat dem Tennis damals eine neue Dimension verliehen. Er hat dem Sport diesen Glamour gegeben. Als er kam, kamen die Medien, die kreischenden Fans, plötzlich hatte der weiße Sport richtige Stars. Ich habe ihn ein paar Mal getroffen. Gegen ihn hätte ich sehr gern einmal auf dem Platz gestanden.

WELT.de: Björn Borg hatte eine ähnliche Eleganz wie Sie.
Federer: Er hatte vor allem die gleiche mentale Stärke. Er hatte die gleiche einhändige Rückhand. Er hatte die gleiche Statur wie ich. Dass er schon mit 26 aufgehört hat, war schon ein Wahnsinn.

WELT.de: Sie behaupten von sich, das Spiel Ihrer Gegner lesen zu können. Studieren Sie die Gegner vorher, oder wie geht das?
Federer: Früher habe ich mich viel mit meinem Gegner befasst. Wie muss ich gegen den jetzt spielen? Wohin serviert er wichtige Aufschläge? Wie läuft er? Ich habe mir sogar Notizen gemacht. Dann habe ich gesagt: Moment, deine Stärke ist es doch wohl nicht, auf ein Blatt Papier zu schauen, um zu wissen, wo dein Gegner hinspielt. Ist dann das Blatt Papier schuld, wenn es nicht so kommt? Nein, ich möchte selbst schuld sein, wenn ich schlecht spiele. Ich möchte kreativ sein dürfen.

WELT.de: Also bestimmen Sie das Geschehen und verlassen sich auf Ihr Gefühl.
Federer: Ich spüre im richtigen Moment, wohin der Gegner spielen wird. Ich kann seine Technik sehr gut lesen. Wie sind seine Möglichkeiten, in diesem Augenblick einen kurzen, einen hohen oder einen flachen Ball zu spielen? Ich decke das Feld sehr gut ab und mache es sehr schwierig für meinen Gegner, einen Winner zu spielen.

WELT.de: Sie sehen das Spiel voraus?
Federer: Ich habe ständig Prozente im Kopf, wie groß welche Wahrscheinlichkeit für meinen Gegner gerade ist. Ich bin wie ein Computer in den letzten paar Jahren, ich bin selbst überrascht darüber. Und ich muss lachen, wenn ein John McEnroe sagt: So wie der Roger auf dem Platz denkt, das hätte er noch nie gesehen. Er hat Recht. Mir geht so vieles durch den Kopf, ich bin immer schon ein paar Schläge oder einen ganzen Punkt weiter als mein Gegner. Manchmal ist das wie im Film: Dann sehe ich schon alles, was passiert. Eigentlich ist es schockierend, dass ich das kann, aber es gut für mich.

WELT.de: Muss man dann eigentlich noch etwas trainieren?
Federer: Erst analysierst du: Was sind meine Stärken, was sind meine Schwächen? Dann überlegst du: Wie kann ich meine Schwächen vor den Gegnern ein bisschen mehr verstecken und meine Stärken herausheben? Das ist wie ein Spiel, aber ein ganz wichtiges.

WELT.de: Sie planen Ihre Karriere sehr gewissenhaft. Muss man das, um im Tenniszirkus zu bestehen?
Federer: Wenn man einen guten Plan hat, findet man sich mit allem ab. Dann reist man früher als andere zu einem Turnier, damit sich der Körper rechtzeitig umstellen kann. Ich spiele nur noch 15 bis 20 Turniere im Jahr. Im Vergleich dazu: Nikolai Dawidenko, die Nummer drei der Welt, spielt 35. Der spielt jede Woche eines.

WELT.de: Und weiß dabei doch kaum noch, wo er gerade ist, oder?
Federer: Die ständige Reiserei ist schon hart, keine Frage. Ich beziehe nicht die gleichen Hotels wie die anderen Spieler. Ich möchte nicht beim Frühstück morgens allen erst Hallo sagen müssen, ich möchte mit meiner Freundin Mirka allein sein. Ich schaue, dass ich in guten Hotels bin, in den besten. Das ist für mich wie eine Investition. Gute Hotels sind in der City, nicht in der Nähe der Tennisanlage. Lebe ich in der City, sehe ich noch etwas von der Stadt, und das will ich. Du kommst nicht und gehst wieder, Check-in, Check-out, wie andere. Ich weiß genau, wo ich gerade bin.

WELT.de: Ist Ihr Hotelzimmer der größte Luxus, den Sie sich leisten?
Federer: Wenn ich mich wohlfühle und weiß, warum ich das alles mache, habe ich auch kein Problem damit, da Geld reinzubuttern. Sonst langweilt man sich, die Karriere verkürzt sich, das macht doch keinen Sinn.

WELT.de: Ihr Vermögen wird auf über 20 Millionen geschätzt. Sie führen aber nicht das Leben der Reichen und Schönen.
Federer: Ich bin eigentlich nicht so ein Jet-Set-Mensch. Manchmal gehe ich auf diese Galas, meistens ja, weil ich geehrt werde, nicht, weil ich es besonders cool finde. Oder ich gehe dorthin, weil es eine Charity-Veranstaltung ist.

WELT.de: Leisten Sie sich denn außer luxuriösen Hotels etwas?
Federer: Na ja, ich lasse es mir schon gut gehen. Ich investiere in Hotels, beim Fliegen, dann ist es mal ein Privatjet, um schneller von einem Ort zum anderen zu kommen. Mehr und mehr habe ich Spaß daran gefunden, gute Kleider zu kaufen. Ich liebe tolle Autos. Zum Glück habe ich viele bei Turnieren gewonnen.

WELT.de: Klingt, als würden Sie sich gerade langsam an den Luxus herantasten.
Federer: Ich genieße den Luxus, weiß aber, dass er nicht automatisch happy macht. Luxus bringt nicht selbstverständlich Zufriedenheit. Ich könnte sofort auch ein ganz normales Leben führen.
Artikel erschienen am 13.11.2006

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