Knaller an der Zeitungsfront

Wednesday, November 15, 2006

"Blöd, peinlich und ärgerlich" (Berliner Zeitung)

"Blöd, peinlich und ärgerlich"
Die taz druckte eine komplette Zeitungsseite am nächsten Tag nochmal - aus Versehen
Jakob Schlandt

Die Überrumpelung der Leserschaft gehört bei der taz sozusagen zum guten Ton. 2002 blieb die Titelseite unter der Überschrift "Bushs historische Rede" absichtlich leer. Zum 25. Geburtstag der überregionalen Genossenschaftszeitung hielten die Leser eine vom selbsterklärten "Lieblingsfeind" der Redaktion, Bild-Chef Kai Diekmann, gestaltete taz in den Händen.

Und dann war noch die ironisch gemeinte Verkündung von Stoibers "klarem Sieg" bei den Landtagswahlen 2003 in Bayern - allerdings schon am Samstag vor der Wahl, einschließlich der Fußball-Ergebnisse und Lottozahlen. Ein Leser fragte damals in einer Zuschrift: "Welche Drogen schaffen solche Zukunftszeitungen?"

Ähnliche Gedankengänge dürften die taz-Leser gestern erneut heimgesucht haben: Da erschien der Berlin-Teil der kompletten Ausgabe mit exakt der gleichen ersten Seite wie am Montag. Es wurde mit "SPD: Rechte gehören verboten" getitelt, Wowereit und der Bund kommentiert, kurz wurden die Drohbriefe an den Opernregisseur vermeldet. Hat die taz wieder einen spektakulären Coup gelandet?

Ein Anruf in der taz-Redaktion bringt die ernüchternde Wahrheit zu Tage. Nein, es habe sich nicht um eine aufsehenerregende Aktion gehandelt, um auf den chronischen Geldmangel der taz aufmerksam zu machen, sagte der Leiter der Berlin-Redaktion, Gereon Asmuth. Hat man dann vielleicht die Montag-Ausgabe für so gut befunden, dass man sie gleich in Teilen nochmal drucken wollte? Ebenfalls nicht.

"Es handelt sich schlicht und einfach um ein bedauerliches Versehen", so Asmuth. "Das ist blöd, peinlich und ärgerlich." Bei der Übermittlung der Ausgabe an die Druckerei habe es in der Redaktion "einen falschen Mausklick" gegeben. Leider hätten mehrere Kontrollstufen versagt, und so sei die Dublette nicht aufgefallen. "Da wir nur einen Andruck haben, konnten wir das auch nicht mehr korrigieren." Die wichtigsten ungedruckten Artikel würden allerdings in der heutigen Ausgabe nachgezogen, so Asmuth.

Dort wird sich zudem ein kleines Entschuldigungsschreiben finden, in dem es heißt: "In Zukunft bemühen wir uns, unseren LeserInnen wieder nur geplante Überraschungen zu präsentieren."

Berliner Zeitung, 15.11.2006

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