Knaller an der Zeitungsfront

Tuesday, June 05, 2007

Einig nur beim Outfit (Berliner Zeitung)

Einig nur beim Outfit

Schwarzer Block - Die Dachorganisation der Autonomen gibt sich nach den Krawallen zerknirscht. Die zersplitterte Szene erweist sich als unbeherrschbar. Gelegenheit zur Randale gibt es in den nächsten Tagen genug.
Andreas Förster

Die Aktivisten der Interventionistischen Linken (IL) bemühen sich um Schadensbegrenzung: Nach den schweren Ausschreitungen vom Sonnabend in Rostock gaben ihre Sprecher gestern ein Interview nach dem anderen. Die vor knapp drei Jahren ins Leben gerufene IL versteht sich als eine Art Dachorganisation, die die zersplitterte und zerstrittene linksradikale Autonomenszene in Deutschland zusammenführen will. Unter ihrer Verantwortung marschierte am Samstag auch der so- genannte "Schwarze Block", aus dem heraus es am späten Samstagnachmittag die Angriffe auf Einsatzkräfte gegeben hatte, die zu den Zusammenstößen mit der Polizei führten.

Umstrittenes Video

Der "Schwarze Block" ist keine homogene Vereinigung oder gar hierarchisch organisierte Gruppe. Es ist vielmehr eine Art Formation, in der sich bei Demonstrationen Aktivisten aus linksextremen, anarchistischen und autonomen Gruppen zusammenfinden. Einheitlichkeit besteht lediglich im Erscheinungsbild: dunkle Kleidung und Sonnenbrille.

Schon bei der Frage der Gewaltanwendung auf Demonstrationen gibt es keine einheitliche Meinung. Allerdings tauchen linke Gewalttäter zumeist im "Schwarzen Block" unter, um aus der Masse heraus Einsatzkräfte anzugreifen. In Rostock marschierten im "Schwarzen Block" nach Angaben der IL acht- bis zehntausend Personen mit. Nur etwa ein Viertel von ihnen war an der Straßenschlacht mit der Polizei beteiligt.

In den Camps rings um Rostock, wo viele Aktivisten aus dem "Schwarzen Block" untergebracht sind, wird weiter heftig über die Aktionen vom Samstag diskutiert. Dabei kursierten auch schon erste Verschwörungstheorien, wonach die Straßenschlacht von der Polizei vom Zaun gebrochen worden sei. Als "Beweis" dient ein Internet-Video, das die rabiate Festnahme eines Vermummten durch Zivilfahnder zeigt.

Der Vorgang ereignete sich offenbar in einer Parkanlage unweit des Stadthafens während der Kundgebung am Nachmittag. Als ein junger Mann mit Kapuzenshirt und Sonnenbrille über die Wiese geht, wird er plötzlich von einem Mann in heller Jacke angesprungen und zu Boden gerissen. Der Angreifer winkt die Einsatzkräfte heran, die den am Boden liegenden Jugendlichen mitnehmen.

Ob sich diese Festnahmeaktion - wie es im Internet behauptet wird - vor den Angriffen der Autonomen ereignete oder danach, ist unklar. Auch IL-Sprecher Tim Laumeyer sagt, mit diesen Bildern sei längst nicht geklärt, wie es zu den Gewaltausbrüchen kommen konnte. "Wir dürfen aber nicht alles auf die Polizei schieben, sondern müssen vor allem selbstkritisch sagen, dass es uns nicht gelungen ist, die Situation in unserem Demonstrationsblock im Griff zu behalten", sagte er.

Laumeyers Zerknirschung klingt glaubhaft. Immerhin haben die brutalen Attacken aus dem "Schwarzen Block" am Samstag die Bemühungen der IL um eine Vernetzung der linksradikalen Szene in Deutschland deutlich zurückgeworfen. "Wir haben in den letzten Jahren auf G8 konzentriert hingearbeitet, hier wollten wir linksradikale Politik sichtbar machen und die Autonomen aus der Gewalt-Ecke herausholen", sagt er. Man habe das auch vor der Demonstration in der Szene gut vermitteln können. "Aber offenbar haben wir nicht alle erreicht", sagt Laumeyer. "Und nun laufen wir den Bildern wieder hinterher."

Auf eine zweite Chance hofft Laumeyer am Mittwoch, wenn die IL ihre Massenblockaden rings um Heiligendamm organisiert. Nach seinen Angaben wollen sich 20 000 Protestler daran beteiligen. Die Aktionen sollen diesmal wirklich gewaltfrei ablaufen, verspricht er. "Den Leuten, die die Zusammenstöße am Samstag vom Zaun gebrochen hatten, haben wir jedenfalls gesagt, dass wir sie nicht dabeihaben wollen." Ob sich die Abgewiesenen daran halten werden, kann Laumeyer aber nicht garantieren. "Wir können denen ja ihren Protest nicht verbieten", sagt er. Fast zeitgleich zu dem Interview gab es erneut Rangeleien zwischen Autonomen und der Polizei.
Berliner Zeitung, 05.06.2007

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