Das Zeug zum Sportrecken (taz)
13.09.2007
Schrift
Herr Tietz mach einen weiten Einwurf
Das Zeug zum Sportrecken
KOLUMNE VON FRITZ TIETZ
Ob der Turner Fabian Hambüchen nach seinen WM-Erfolgen das Zeug habe, ein neuer Boris Becker zu werden, so fragte neulich in einem Artikel das Nasse-Schuhe-Ausstopfblatt Die Welt, und ich dachte sofort: Puh, wie fies. So werden wie der Strizzi Becker? Eine lausigere Perspektive kann man dem jungen Turner doch wohl kaum an den dicken Hals wünschen. Das will man doch vor allem auch selber nicht: ein messerabschleckender Nutellaboy und samenberaubter Wäschekämmerer sein. Nicht ums Verrecken will man das. Und wenn sie einem dafür bis zu dreißig Wimbledonsiege nackt ans Knie bänden. Niemals!
Welches Zeug soll das auch sein, das Hambüchen und Becker da möglicherweise gemeinsam haben? Das Weiße vielleicht, das sich der Turner vor seinen Reckübungen in die Hände schmiert? Wohl kaum. Das Weiße im Tennis ist ein völlig anderes Zeug. Von den weißen Linien, die sie sich da ziehen, mal ganz zu schweigen. Nein, denn außer den Anfangsbuchstaben haben das Turnen und das Tennis absolut nichts gemein.
Folglich wird der deutsche Sportfernsehzuschauer auch weiterhin an "Sportheldenentzug" leiden müssen, wie besagter Welt-Beitrag die Tatsache bedauerte, dass es seit Boris Becker kein deutscher Einzelsportler mehr zum massenhaft angehimmelten Sportrecken brachte. Und nicht nur nämliche Welt bejammerte das so vehement. Auch in dieser Zeitung wurde der grassierende Sportidolemangel Deutschlands beklagt. Insbesondere in der einstigen "Kernsportart" Leichtathletik klaffe eine zunehmend größere Heldenlücke, unkte es erst kürzlich aus Anlass der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im japanischen Osaka. Kein Wunder, befand zu diesem Zeitpunkt auch der zuständige Deutsche Leichtathletikverband (DLV), dass das einst so quotenschwere Fernsehzuschauerinteresse an der heimischen Leichtathletik bei den Landsleuten immer mehr schwinde. Dagegen hülfen einzig und allein deutsche Medaillengewinne, so das einhellige Expertenfazit vor Osaka.
Und danach? Muss man konstatieren, dass es in Japan zwar ein paar Medaillen für die DLV-Mannschaft gab, die Popularität der deutschen Leichtathletik dadurch aber wieder nicht wesentlich größer geworden ist. Woran liegts? Ich behaupte mal: an den Disziplinen, in denen die Deutschen bei dieser WM vornehmlich punkteten. Das waren allen anderen voran: Diskus und Speer, Kugel und Hammer. Allesamt sehr spezielle, manche sagen auch: sehr seltsame Wurfsportarten, die überdies - und das scheint mir ihr entscheidendes Manko zu sein - kaum einen echten Alltagsbezug haben. Oder wissen Sie noch, wann Sie zuletzt einen Speer geworfen, einen Diskus geschleudert oder eine Kugel gestoßen haben? Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, einen dieser Gegenstände jemals benutzt, geschweige denn besessen zu haben. Wozu braucht man überhaupt einen Diskus?
Lediglich der Hammer kann als einigermaßen alltagsvertrautes, in vielen Haushalten gebräuchliches Ding gelten. Obwohl seine ursprüngliche Bestimmung garantiert nicht die ist, durch die Gegend geworfen zu werden. Gehämmert wird in erster Linie damit, andernfalls würde er wohl kaum Hammer heißen, sondern eher Flieger oder so etwas. Natürlich ist nicht gänzlich auszuschließen, dass man auch einmal einen Hammer durch die Luft sausen lässt. Aus Wut vielleicht, weil man zuvor den Hammer mit Wucht daneben und statt den Nagel ins Brett bloß den Daumennagel ins schwarz getrümmerte Nagelbett gehauen hat. Niemals aber wird man dazu erst eine Kette an den Hammer legen, wie sie es ja in der Leichtathletik machen, bevor sie ihn wegwerfen. Sinnvoller wird der Sport dadurch allerdings auch nicht.
Kaum vorstellbar scheint mir übrigens, dass es möglicherweise ein Hammerwerfer ist, der eines Tages Deutschlands neuer Boris Becker wird. Eher unwahrscheinlich auch, dass irgendwann mal eine Diskus- oder Speerwerferin diesen vakanten Posten übernimmt. Genauso hirnrissig allerdings die Vorstellung, dass es in absehbarer Zeit eine Kugelstoßerin sein könnte, die das Zeug dazu hat.
Schrift
Herr Tietz mach einen weiten Einwurf
Das Zeug zum Sportrecken
KOLUMNE VON FRITZ TIETZ
Ob der Turner Fabian Hambüchen nach seinen WM-Erfolgen das Zeug habe, ein neuer Boris Becker zu werden, so fragte neulich in einem Artikel das Nasse-Schuhe-Ausstopfblatt Die Welt, und ich dachte sofort: Puh, wie fies. So werden wie der Strizzi Becker? Eine lausigere Perspektive kann man dem jungen Turner doch wohl kaum an den dicken Hals wünschen. Das will man doch vor allem auch selber nicht: ein messerabschleckender Nutellaboy und samenberaubter Wäschekämmerer sein. Nicht ums Verrecken will man das. Und wenn sie einem dafür bis zu dreißig Wimbledonsiege nackt ans Knie bänden. Niemals!
Welches Zeug soll das auch sein, das Hambüchen und Becker da möglicherweise gemeinsam haben? Das Weiße vielleicht, das sich der Turner vor seinen Reckübungen in die Hände schmiert? Wohl kaum. Das Weiße im Tennis ist ein völlig anderes Zeug. Von den weißen Linien, die sie sich da ziehen, mal ganz zu schweigen. Nein, denn außer den Anfangsbuchstaben haben das Turnen und das Tennis absolut nichts gemein.
Folglich wird der deutsche Sportfernsehzuschauer auch weiterhin an "Sportheldenentzug" leiden müssen, wie besagter Welt-Beitrag die Tatsache bedauerte, dass es seit Boris Becker kein deutscher Einzelsportler mehr zum massenhaft angehimmelten Sportrecken brachte. Und nicht nur nämliche Welt bejammerte das so vehement. Auch in dieser Zeitung wurde der grassierende Sportidolemangel Deutschlands beklagt. Insbesondere in der einstigen "Kernsportart" Leichtathletik klaffe eine zunehmend größere Heldenlücke, unkte es erst kürzlich aus Anlass der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im japanischen Osaka. Kein Wunder, befand zu diesem Zeitpunkt auch der zuständige Deutsche Leichtathletikverband (DLV), dass das einst so quotenschwere Fernsehzuschauerinteresse an der heimischen Leichtathletik bei den Landsleuten immer mehr schwinde. Dagegen hülfen einzig und allein deutsche Medaillengewinne, so das einhellige Expertenfazit vor Osaka.
Und danach? Muss man konstatieren, dass es in Japan zwar ein paar Medaillen für die DLV-Mannschaft gab, die Popularität der deutschen Leichtathletik dadurch aber wieder nicht wesentlich größer geworden ist. Woran liegts? Ich behaupte mal: an den Disziplinen, in denen die Deutschen bei dieser WM vornehmlich punkteten. Das waren allen anderen voran: Diskus und Speer, Kugel und Hammer. Allesamt sehr spezielle, manche sagen auch: sehr seltsame Wurfsportarten, die überdies - und das scheint mir ihr entscheidendes Manko zu sein - kaum einen echten Alltagsbezug haben. Oder wissen Sie noch, wann Sie zuletzt einen Speer geworfen, einen Diskus geschleudert oder eine Kugel gestoßen haben? Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, einen dieser Gegenstände jemals benutzt, geschweige denn besessen zu haben. Wozu braucht man überhaupt einen Diskus?
Lediglich der Hammer kann als einigermaßen alltagsvertrautes, in vielen Haushalten gebräuchliches Ding gelten. Obwohl seine ursprüngliche Bestimmung garantiert nicht die ist, durch die Gegend geworfen zu werden. Gehämmert wird in erster Linie damit, andernfalls würde er wohl kaum Hammer heißen, sondern eher Flieger oder so etwas. Natürlich ist nicht gänzlich auszuschließen, dass man auch einmal einen Hammer durch die Luft sausen lässt. Aus Wut vielleicht, weil man zuvor den Hammer mit Wucht daneben und statt den Nagel ins Brett bloß den Daumennagel ins schwarz getrümmerte Nagelbett gehauen hat. Niemals aber wird man dazu erst eine Kette an den Hammer legen, wie sie es ja in der Leichtathletik machen, bevor sie ihn wegwerfen. Sinnvoller wird der Sport dadurch allerdings auch nicht.
Kaum vorstellbar scheint mir übrigens, dass es möglicherweise ein Hammerwerfer ist, der eines Tages Deutschlands neuer Boris Becker wird. Eher unwahrscheinlich auch, dass irgendwann mal eine Diskus- oder Speerwerferin diesen vakanten Posten übernimmt. Genauso hirnrissig allerdings die Vorstellung, dass es in absehbarer Zeit eine Kugelstoßerin sein könnte, die das Zeug dazu hat.
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