Knaller an der Zeitungsfront

Friday, September 14, 2007

Per Anhalter im 21. Jahrhundert (FR)

Per Anhalter im 21. Jahrhundert
Ein Verein will Trampen populärer machen
VON JONATHAN STOCK, DPA

Mit ausgestrecktem Daumen oder einem Pappschild in der Hand stehen sie neben der Straße, erdulden Regen, Abgase und schlechte Ausreden. "Würde dich echt gern mitnehmen, aber ich fahr' leider schon bei der nächsten Abfahrt raus." Aber manchmal haben Anhalter doch Glück und kommen nach Berlin, Paris oder Andalusien - ganz umsonst.Trotzdem ist Trampen, in den 70er und 80er Jahren, eine beliebte Art des Reisens besonders bei jungen Leuten, nicht mehr populär. Wer wenig Geld hat kann heute mit Billigfliegern, Mitfahrzentralen und der Bahn (zum Beispiel Ticket Schönes Wochenende) kostengünstig verreisen. Markus Bergmann, Präsident des ersten deutschen Trampvereins "Abgefahren e.V.", mit Sitz in Berlin will das Fahren per Anhalter wieder populärer machen.

"Trampen bleibt die günstigste, spannendste und umweltfreundlichste Fortbewegungsart", sagt er. "Es kostet nichts, wir nutzen vorhandene Ressourcen und lernen dabei die interessantesten Menschen kennen - vom Windmühlenbauer, Flugkapitän bis zum Militärpsychologen ."Der Verein will das Reisen per Anhalter vom Hippie-Muff befreien und moderner machen. Dazu bedient er sich des Internets. "Hitchbase" heißt die Datenbank, die Trampern helfen soll, die richtige Stelle für den erhobenen Daumen zu finden. Über 500 Einträge sind dort bereits versammelt, vom Horner Kreisel in Hamburg bis zur Tankstelle in Isafjördur, Island.

Auch auf Mailinglisten tauschen die Tramper eifrig Fragen und Tipps aus, um die manchmal so frustrierende Fortbewegungsart einfacher zu gestalten: "Raststätte 'Schauinsland': nicht ideal, aber machbar", heißt es da. "Kennt von euch jemand einen guten Spot von Paris aus Richtung Norden (A1)?", fragt jemand. Oder es gibt den Rat: "Richtung Istanbul: Türkische Lastwagenfahrer halten in Serbien und Bulgarien oft an türkischen Restaurants. Halte Ausschau nach 'Türk Lokantasi'."Bergman will den Trampern in der Zukunft stundenlanges Warten ersparen: "Die Ortsdatenbank soll auch per Handy abrufbar sein, falls man gerade an der Straße steht und nicht mehr weiter weiß. Außerdem brauchen wir offizielle Trampstellen."Diese seien in den Niederlanden bereits bekannt. Blaue Schilder mit weißem hochgerecktem Daumen und der Aufschrift "Liftplaats" zeichnen dort die besten Orte aus. Auch die Schweiz verfügt bereits über ähnlich gekennzeichnete und überwachte Trampstellen, die das Anhalterdasein sicherer machen sollen.

Auf Deutschland allein wollen sich die rund 50 Vereinsmitglieder nicht beschränken. "Wir tauschen uns regelmäßig mit russischen, litauischen, argentinischen und amerikanischen Tramporganisationen aus", sagt Bergmann.So erfuhr er auch von litauischer Anhaltern, die für nächtliche Trampreisen einen speziellen Leuchtanzug konstruierten. Auch die neuesten russischen Autostoppwettbewerbe nach Ägypten und die Erlebnisse des Amerikaners Ben Bachelder, der letztes Jahr in der Antarktis den Daumen hochhielt, werden von der Gemeinschaft auf Treffen rege diskutiert.

Für die erfahrenen Tramper liegt der besondere Reiz des Autostopps aber nicht nur im Abenteuer. Der Tramperpräsident: "Man stößt bei jedem neuen Fahrer auf eine andere Geschichte und eine andere Weltsicht. Für den einen kann es Lebenszweck sein, kaputte Waschmaschinen einzusammeln und für 20 Euro an den Schrotthändler zu verkaufen, wenig später wird dir der Nächste schon von seiner packenden Flucht aus der DDR mit einer selbstgeschneiderten amerikanischen Uniform berichten." Das allerdings erinnert dann doch wieder an die 70er Jahre.
Trampen: Daumen im Wind

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