Anwohner bringen Ämter in Not (Berliner Zeitung)
Anwohner bringen Ämter in Not
Wagenburgen statt Büropaläste: Bürgerbegehren von "Mediaspree versenken" wird zugelassen
Karin Schmidl
FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG. Freiräume sind das Lieblingsthema von Carsten Joost. Der 42-jährige Friedrichshainer, der sich als Alternativ-Planer bezeichnet, befasst sich seit dem Architekturstudium in Frankfurt am Main damit, möglichst viele freie Flächen zwischen Neubauten zu erhalten. Städte dürfen nicht zuwachsen, sagt er, denn das führe zum Kollaps.
Mit diesem Credo will Joost - gemeinsam mit zwei Dutzend Mitstreitern aus dem Umfeld der Bethanien-Besetzer - eines der größten Berliner Stadtumbauprojekte namens Mediaspree kippen. Mit einem Bürgerbegehren, das voraussichtlich am Dienstag vom Bezirksamt zugelassen wird. Die Initiative, die dann mit der Unterschriftensammlung beginnt, nennt sich passenderweise "Mediaspree versenken". Ihre Forderungen sind ein freier Uferstreifen von 50 Metern, der Verzicht auf Hochhäuser und eine neue Brücke über die Spree, die für Autos tabu ist.
Als Mediaspree wird ein rund 180 Hektar großes Spreeufer-Areal entlang Holzmarkt- und Mühlenstraße sowie Stralauer Allee bezeichnet. Im Osthafen residieren bereits Medienunternehmen wie MTV und Universal, weitere Studios werden derzeit gebaut. Die Modefirma Labels Berlin expandiert, und am Ostbahnhof entsteht die Großarena O2 World. Auf insgesamt sieben Kilometern Uferstreifen sind Milliarden-Investitionen geplant - vor allem für Büros, Lofts, Hotels.
"Das Spreeufer wird dicht an dicht zugebaut, es bleibt kein Platz für Menschen", kritisiert Joost. Er will mehr Freiräume als den zehn Meter breiten Uferweg, den alle Investoren bauen und zur Verfügung stellen müssen. Noch gibt es großzügige Freiräume. In Form von Clubs und Strandbars sowie dem Schwarzen Kanal, der Wagenburg an der Schillingbrücke. Das sind aber nur Zwischennutzungen, die von den Grundstückseigentümern so lange geduldet werden, bis die Bagger anrollen. "Diese Vielfalt, die das Image des Gebietes ausmacht, muss erhalten bleiben", sagt Joost.
Der geforderte 50 Meter Freiraum am Ufer hieße für Investoren allerdings erhebliche Einbußen. Denn an vielen Stellen ist das Ufer schmaler, Bauten wären unmöglich oder müssten spürbar schrumpfen. Höchste Zeit, Megaprojekte zurechtzustutzen und den "Ausverkauf öffentlicher Flächen" zu beenden, sagen Joost und seine Initiative. Immerhin gehörten fast zwei Drittel der Grundstücke im Mediaspree-Gebiet Berlin oder landeseigenen Firmen wie der BSR. Doch gerade solche Flächen gewinnbringend zu verkaufen und Unternehmen anzusiedeln, die dort bis zu 30 000 Arbeitsplätze schaffen, ist das Ziel von Mediaspree.
Im Bezirksamt sieht man die Debatte mit gemischten Gefühlen. Sollte nach dem Bürgerbegehren, für das in sechs Monaten rund 5 400 Unterschriften nötig sind, auch der folgende Bürgerentscheid erfolgreich sein, steckt man in der Klemme: Einerseits gibt man sich im grün-alternativ dominierten Bezirk diskutierfreudig und basisdemokratisch. Andererseits kann man sich das Ergebnis nicht leisten: 156 Millionen Euro würde es kosten, wenn man Investoren entschädigen müsste, die weniger bauen dürften. Bürgermeister Franz Schulz (Grüne): "Wir werden nichts entscheiden, was den Bezirk ruiniert."
Berliner Zeitung, 29.09.2007
Wagenburgen statt Büropaläste: Bürgerbegehren von "Mediaspree versenken" wird zugelassen
Karin Schmidl
FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG. Freiräume sind das Lieblingsthema von Carsten Joost. Der 42-jährige Friedrichshainer, der sich als Alternativ-Planer bezeichnet, befasst sich seit dem Architekturstudium in Frankfurt am Main damit, möglichst viele freie Flächen zwischen Neubauten zu erhalten. Städte dürfen nicht zuwachsen, sagt er, denn das führe zum Kollaps.
Mit diesem Credo will Joost - gemeinsam mit zwei Dutzend Mitstreitern aus dem Umfeld der Bethanien-Besetzer - eines der größten Berliner Stadtumbauprojekte namens Mediaspree kippen. Mit einem Bürgerbegehren, das voraussichtlich am Dienstag vom Bezirksamt zugelassen wird. Die Initiative, die dann mit der Unterschriftensammlung beginnt, nennt sich passenderweise "Mediaspree versenken". Ihre Forderungen sind ein freier Uferstreifen von 50 Metern, der Verzicht auf Hochhäuser und eine neue Brücke über die Spree, die für Autos tabu ist.
Als Mediaspree wird ein rund 180 Hektar großes Spreeufer-Areal entlang Holzmarkt- und Mühlenstraße sowie Stralauer Allee bezeichnet. Im Osthafen residieren bereits Medienunternehmen wie MTV und Universal, weitere Studios werden derzeit gebaut. Die Modefirma Labels Berlin expandiert, und am Ostbahnhof entsteht die Großarena O2 World. Auf insgesamt sieben Kilometern Uferstreifen sind Milliarden-Investitionen geplant - vor allem für Büros, Lofts, Hotels.
"Das Spreeufer wird dicht an dicht zugebaut, es bleibt kein Platz für Menschen", kritisiert Joost. Er will mehr Freiräume als den zehn Meter breiten Uferweg, den alle Investoren bauen und zur Verfügung stellen müssen. Noch gibt es großzügige Freiräume. In Form von Clubs und Strandbars sowie dem Schwarzen Kanal, der Wagenburg an der Schillingbrücke. Das sind aber nur Zwischennutzungen, die von den Grundstückseigentümern so lange geduldet werden, bis die Bagger anrollen. "Diese Vielfalt, die das Image des Gebietes ausmacht, muss erhalten bleiben", sagt Joost.
Der geforderte 50 Meter Freiraum am Ufer hieße für Investoren allerdings erhebliche Einbußen. Denn an vielen Stellen ist das Ufer schmaler, Bauten wären unmöglich oder müssten spürbar schrumpfen. Höchste Zeit, Megaprojekte zurechtzustutzen und den "Ausverkauf öffentlicher Flächen" zu beenden, sagen Joost und seine Initiative. Immerhin gehörten fast zwei Drittel der Grundstücke im Mediaspree-Gebiet Berlin oder landeseigenen Firmen wie der BSR. Doch gerade solche Flächen gewinnbringend zu verkaufen und Unternehmen anzusiedeln, die dort bis zu 30 000 Arbeitsplätze schaffen, ist das Ziel von Mediaspree.
Im Bezirksamt sieht man die Debatte mit gemischten Gefühlen. Sollte nach dem Bürgerbegehren, für das in sechs Monaten rund 5 400 Unterschriften nötig sind, auch der folgende Bürgerentscheid erfolgreich sein, steckt man in der Klemme: Einerseits gibt man sich im grün-alternativ dominierten Bezirk diskutierfreudig und basisdemokratisch. Andererseits kann man sich das Ergebnis nicht leisten: 156 Millionen Euro würde es kosten, wenn man Investoren entschädigen müsste, die weniger bauen dürften. Bürgermeister Franz Schulz (Grüne): "Wir werden nichts entscheiden, was den Bezirk ruiniert."
Berliner Zeitung, 29.09.2007
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