Freie Presse unerwünscht (taz)
Freie Presse unerwünscht
Nordkorea wirft deutsche Zeitungen und Magazine aus dem vom Goethe-Institut eingerichteten Lesesaal in der Hauptstadt Pjöngjang. Projekt galt als Testfall für kulturelle Öffnung des Regimes
AUS PJÖNGJANG JUTTA LIETSCH
Um den deutschen Lesesaal von Pjöngjang ist Streit entbrannt: Die nordkoreanischen Behörden haben verboten, mehrere deutschsprachigige Zeitungen und Magazine auszulegen, die bisher dort frei zugänglich waren. Wie am Mittwoch beim Besuch einer deutschen Parlamentarierdelegation in Nordkorea bekannt wurde, sind ab sofort unter anderem Zeit, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Focus tabu. Die taz gibt's dort eh nicht.
Offiziell begründet wurde die Maßnahme mit einem in einer japanischen Zeitung veröffentlichten Bericht über regimekritische Publikationen im deutschen Lesesaal. Dieser Bericht sei in Pjöngjang gelesen worden und habe "die moralischen und ethischen Gefühle der Koreaner verletzt", erklärte ein Funktionär vor Journalisten.
Die Entscheidung hatte vergangene Woche zu diplomatischen Irritationen zwischen Pjöngjang und Berlin geführt: Der Lesesaal war 2004 vom Goethe-Institut unter der Voraussetzung errichtet worden, dass dort nicht nur wissenschaftliche und technische Bücher aus Deutschland, sondern auch Romane sowie eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften unzensiert ausliegen und der Öffentlichkeit frei zugänglich sein sollten.
Der Delegationsleiter und CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk forderte Pjöngjang auf, sich an die 2004 getroffenen Vereinbarungen zu halten. Der Lesesaal sei ein "wichtiges Symbol unserer Kulturbeziehungen", sagte Koschyk. Vizeaußenminister Kung Sok Ung habe "zugesagt, sich um das Problem zu kümmern", hieß es aus Kreisen der Delegation.
Der Lesesaal, der in einem Gebäude der Kulturbehörde im Zentrum der Hauptstadt liegt, wurde drei Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Nordkorea und der Bundesrepublik eröffnet und gilt als Testfall für die Bereitschaft des Regimes, sich kulturell weiter zu öffnen.
Unter den bislang rund 4.000 Büchern, die bis auf mehr als 8.000 Bände aufgestockt werden sollen, sind zahlreiche Fachbücher, aber auch Romane etwa von Heinrich Böll und Martin Walser. Sogar die Spiegel-Ausgabe "Der Irre mit der Bombe" über Nordkoreas Staatslenker Kim Jong Il lag seinerzeit offenbar aus. Inzwischen sei der Lesesaal auch an das nordkoreanische Intranet angeschlossen, Studenten und andere Interessierte könnten sich so über die vorhandene Literatur informieren, wie Lesesaal-Mitarbeiterin Ok Bun Rum erklärte. Der Zugang zu ausländischen Webseiten ist für die meisten Nordkoreaner dagegen gesperrt. Kontakte zu Ausländern bleiben ebenfalls strikt überwacht und begrenzt.
Wie viele Besucher der Lesesaal bislang hatte, ist nicht bekannt. Offenbar ist die Zahl gering. "Es kommen zwei bis drei täglich", so Ok. Im Besucherbuch, in dem sich alle Leser registrieren sollen, lag der letzte Eintrag fünf Wochen zurück.
taz vom 1.6.2007, S. 17, 97 Z. (TAZ-Bericht), JUTTA LIETSCH
Nordkorea wirft deutsche Zeitungen und Magazine aus dem vom Goethe-Institut eingerichteten Lesesaal in der Hauptstadt Pjöngjang. Projekt galt als Testfall für kulturelle Öffnung des Regimes
AUS PJÖNGJANG JUTTA LIETSCH
Um den deutschen Lesesaal von Pjöngjang ist Streit entbrannt: Die nordkoreanischen Behörden haben verboten, mehrere deutschsprachigige Zeitungen und Magazine auszulegen, die bisher dort frei zugänglich waren. Wie am Mittwoch beim Besuch einer deutschen Parlamentarierdelegation in Nordkorea bekannt wurde, sind ab sofort unter anderem Zeit, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Focus tabu. Die taz gibt's dort eh nicht.
Offiziell begründet wurde die Maßnahme mit einem in einer japanischen Zeitung veröffentlichten Bericht über regimekritische Publikationen im deutschen Lesesaal. Dieser Bericht sei in Pjöngjang gelesen worden und habe "die moralischen und ethischen Gefühle der Koreaner verletzt", erklärte ein Funktionär vor Journalisten.
Die Entscheidung hatte vergangene Woche zu diplomatischen Irritationen zwischen Pjöngjang und Berlin geführt: Der Lesesaal war 2004 vom Goethe-Institut unter der Voraussetzung errichtet worden, dass dort nicht nur wissenschaftliche und technische Bücher aus Deutschland, sondern auch Romane sowie eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften unzensiert ausliegen und der Öffentlichkeit frei zugänglich sein sollten.
Der Delegationsleiter und CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk forderte Pjöngjang auf, sich an die 2004 getroffenen Vereinbarungen zu halten. Der Lesesaal sei ein "wichtiges Symbol unserer Kulturbeziehungen", sagte Koschyk. Vizeaußenminister Kung Sok Ung habe "zugesagt, sich um das Problem zu kümmern", hieß es aus Kreisen der Delegation.
Der Lesesaal, der in einem Gebäude der Kulturbehörde im Zentrum der Hauptstadt liegt, wurde drei Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Nordkorea und der Bundesrepublik eröffnet und gilt als Testfall für die Bereitschaft des Regimes, sich kulturell weiter zu öffnen.
Unter den bislang rund 4.000 Büchern, die bis auf mehr als 8.000 Bände aufgestockt werden sollen, sind zahlreiche Fachbücher, aber auch Romane etwa von Heinrich Böll und Martin Walser. Sogar die Spiegel-Ausgabe "Der Irre mit der Bombe" über Nordkoreas Staatslenker Kim Jong Il lag seinerzeit offenbar aus. Inzwischen sei der Lesesaal auch an das nordkoreanische Intranet angeschlossen, Studenten und andere Interessierte könnten sich so über die vorhandene Literatur informieren, wie Lesesaal-Mitarbeiterin Ok Bun Rum erklärte. Der Zugang zu ausländischen Webseiten ist für die meisten Nordkoreaner dagegen gesperrt. Kontakte zu Ausländern bleiben ebenfalls strikt überwacht und begrenzt.
Wie viele Besucher der Lesesaal bislang hatte, ist nicht bekannt. Offenbar ist die Zahl gering. "Es kommen zwei bis drei täglich", so Ok. Im Besucherbuch, in dem sich alle Leser registrieren sollen, lag der letzte Eintrag fünf Wochen zurück.
taz vom 1.6.2007, S. 17, 97 Z. (TAZ-Bericht), JUTTA LIETSCH
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