Knaller an der Zeitungsfront

Thursday, February 28, 2008

Wann bitte sprengt...(taz)

01.02.2008
Wann bitte sprengt irgendjemand Hertha BSC Berlin in die Luft?
Kann sich irgendjemand vorstellen, dass mitten in Frankfurt hunderte Berliner an einem Fußballwochenende einen ganzen Straßenzug friedlich zu einer liebevoll gestalteten und atmosphärisch angenehmen "Bier- und Bulettenbar" umfunktionieren, um dort sich und ihr Heimatteam zu feiern? VON MICHAEL RINGEL

Kann sich irgendjemand vorstellen, dass mitten in Frankfurt hunderte Berliner an einem Fußballwochenende einen ganzen Straßenzug friedlich zu einer liebevoll gestalteten und atmosphärisch angenehmen "Bier- und Bulettenbar" umfunktionieren, um dort sich und ihr Heimatteam zu feiern? Nein? Andersherum geht es allerdings sehr gut. An diesem Wochenende beginnt die Bundesligasaison wieder, unter anderem mit einem Spiel von Hertha BSC Berlin gegen die Eintracht aus Frankfurt. Die Eintracht-Fans werden aus diesem Grund in Scharen nach Berlin kommen, sich mit den in der Hauptstadt ansässigen Eintrachtianern zusammentun und mitten in Kreuzberg erneut ihre "Bembelbar" eröffnen. In diesem Jahr zum fünften Mal. In der Jubiläums-"Bembelbar" wird mitgebrachter Äppelwoi ausgeschenkt, während die Fans sich und ihr Team feiern.

Nun ist Äppelwoi pures Gift und die aus der Zentrale des Handkäs stammende Eintracht ein eher unappetitlicher Verein. Aber umgekehrt ginge das gar nicht, denn Hertha BSC Berlin ist der wahrscheinlich grauenhafteste Verein des Universums. Ich weiß, wovon ich spreche. Seit mehr als 25 Jahren schaue ich mir Spiele der Hertha an. Es ist das Grauen. Alles an diesem Verein ist Müll, ach was, Sondermüll: Vorstand und Management, Trainer und Spieler, Anhänger und Mitglieder.

Frösche nennt man beispielsweise das, was für andere Klubs Fans sind. Und jedes Mal treten einem bei dieser ersten Lebenslüge der Hertha die Tränen in die Augen. Denn der freundliche Tiername ist so fehl am Platz wie eine Autobombe in einer Fußgängerzone. Jedes Mal, wenn man ins Stadion fährt, fragt man sich schon in der U- oder S-Bahn, aus welchen düsteren Löchern diese Gestalten gekrochen sind.

Trainer und Spieler verkörpern das absolute Mittelmaß, aber mit dem typischen Berliner Schuss Größenwahn. Hertha BSC Berlin ist eine Art Bielefeld mit einer Überdosis Bagdad. Bereits nach einem zufälligen Sieg gegen irgendeine andere graue Maus meint man bei Hertha, mindestens die Champions League gewonnen zu haben.

Das Management besteht aus einem Einmannbetrieb namens Dieter Hoeneß, der ständig beleidigt ist, weil seine Arbeitsleistung angeblich nicht anerkannt wird. Seine Arbeit besteht darin, bei Spielereinkäufen Geld auf dem Transfermarkt zu vernichten. Der Vorstand wiederum besteht aus den piefigsten Restberlinern, von denen einer tatsächlich vor kurzem einen halblichten Moment hatte. Zur Lage des Elendsvereins, der zuletzt vor 77 Jahren deutscher Meister wurde, befragt, erklärte der Hertha-Präsident Bernd Schiphorst: "Die älteren Generationen im Ostteil der Stadt haben wir leider verloren." Die älteren Generationen?! Alle Generation! Dieses traurige Stück Berlin schafft es in einer Dreieinhalb-Millionen-Metropole nicht mal an einem Spieltag, ein Prozent der Bevölkerung zu mobilisieren. Rund 30.000 Zuschauer verlieren sich alle zwei Wochen im Stadionrund. Und wer nach Berlin umzieht, bleibt zum Beispiel Eintracht-Fan.

Oder wird Masochist. Wenn nicht jemand diesen Drecksklub in die Luft sprengt, bin ich auch diesen Samstag wieder bei olle Hertha. Es nützt ja nichts. Irgendjemand muss es ja weggucken.

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