Sehnsucht nach deutschen Helden
berg & Co sind als Widerstandsidole nur bedingt tauglich
Sehnsucht nach deutschen Helden
KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Heute vor 63 Jahren missglückte ein Anschlag auf Hitler. Der Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde verhaftet und mit einigen Widerständlern im Bendlerblock in Berlin hingerichtet. In den 50er-Jahren hielten viele Stauffenberg & Co. für Verräter, später avancierten sie zu Gründungsfiguren der Bundesrepublik. Doch der Streit, welcher Widerstand der richtige war, geht auch 2007 weiter.
Stefan Reinecke ist Redakteur der taz und Autor des Buches "Otto Schily. Vom RAF-Anwalt zum Innenminister". Foto: taz
Aktueller Anlass ist der US-Films "Walküre", in dem der bekennende Scientologe Tom Cruise den Grafen Stauffenberg spielt. Denn deutsche Behörden haben, auch wegen Cruise aggressiver Werbung für die Sekte, die Drehgenehmigung für den Bendlerblock verweigert. Deutsche Engstirnigkeit gegen die libertäre US-Religionsauffassung, so hat das deutsche Feuilleton diesen Konflikt gedeutet und sich auf die Seite von Cruise geschlagen.
Doch so abseitig ist der Vorbehalt gegen Cruise nicht: Die Stauffenberg-Rolle ist, anders als etwa die "Mission Impossible"-Fantasy, mit historischer Bedeutung aufgeladen. Ein echter Kämpfer gegen das Böse - dies kann Cruise bei seiner Scientology-Propaganda nützlich sein.
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End Sub
Zudem steht der rhetorische Aufwand der Cruise-Verteidiger in seltsamem Missverhältnis zu dem Fall, um den es geht - eine Drehgenehmigung für einen Originalschauplatz, der ohne Schaden für den Film andernorts nachgebaut werden kann. Cruise wird keineswegs von deutschen Behörden, in denen offenbar unausrottbar der Kleingeist des Wilhelminismus weiterwest, aus weltanschaulichen Gründen in seiner Berufspraxis boykottiert.
Im Gegenteil: Das US-Projekt wird vom deutschen Staat großzügig mit fast fünf Millionen Euro gefördert. Die Hausherren im Bendlerblock, Finanz- und Verteidigungsministerium, vergehen sich auch nicht an der Verfassung, nur weil sie nicht jeder kommerziellen Filmproduktion ihre Türen öffnen, wie ein eifriger feuilletonistischer Freiheitskämpfer in der FAZ meint. In den USA käme ein ausländisches Filmteam mit einem weltanschaulich obskuren Hauptdarsteller, das im Pentagon drehen will, kaum bis zum Hausmeister. Worum geht es also?
Ein Subtext der Debatte ist der Zwist zwischen Popkultur und historischer Wissenschaft, zwischen Bildermachern und textfixierten Wissenschaftlern. Peter Steinbach, der engagierte Leiter der Gedenkstätte deutscher Widerstand im Bendlerblock, meint, dass "Walküre" nur ein Spektakel wird. Diese Furcht treibt Zeithistoriker um, seit die US-Serie "Holocaust" 1979 das deutsche Publikum anrührte - und die kränkende Frage stellte, warum die deutschen Zeitgeschichtler und Regisseure nichts vergleichbar Effektvolles zu Wege gebracht hatten. Diese Debatte wiederholte sich bei Spielbergs "Schindlers Liste" und Daniel Goldhagens Buch "Hitlers willige Helfer". Die seriösen Zeithistoriker zogen dabei stets den Kürzeren. Wo es um Effekte, emotionale Aufheizungen und eindeutige moralische Botschaften geht, haben sie immer schon verloren. Zudem, so Steinbach, seien die Dreharbeiten mit der "Würde des Ortes" unvereinbar. Der Ort, der durch den Dreh entweiht werden könnte, ist der Innenhof des Bendlerblocks, in dem Stauffenberg erschossen wurde. Anders jedoch als die Furcht, dass "Walküre" reines Identifikationskino wird, ist dieses Argument äußerst fragwürdig. Den Einwand kennt man von Holocaustfilmen: der authentische Leidensort wird durch den inszenierenden Blick des Regisseurs zur Kulisse.
Doch schon diese Assoziation zeigt, wie falsch die Rede von der Würde dieses Ortes hier ist. Wer den Bendlerblock nur zum Symbol des Widerstandes macht, unterschlägt die Geschichte des Ortes. Denn hier plante das Oberkommando der Wehrmacht nach 1938 den Überfall auf die Sowjetunion, der Millionen Zivilisten das Leben kostete. Den Bendlerblock zum "sakralen Heiligtum der Nation" zu veredeln, wie Josef Joffe in der Zeit schreibt, ist eine Fälschung. In dieser selbst religiös gefärbten Metaphorik wird der Bendlerblock als Ort der Planung von Verbrechen durch das Opfer Stauffenbergs reingewaschen. In dieser Assoziationskette erscheinen Stauffenberg & Co. als Figuren, deren Opfergang die Schuld der militärischen Elite überdeckt und deren Tod ein Operationszentrum des Terrorkrieges in einen geweihten Ort verwandelt hat. Das Gerede von Stauffenberg als adeligem "Übermenschen" (Henckel von Donnersmarck) ist eine Verzerrung, die viel über eine unstillbare Sehnsucht nach Normalisierung erzählt - und nichts über die historischen Fakten.
Zu diesen Fakten gehört auch eine Figur wie Arthur Nebe, hingerichtet als Mitverschwörer des 20. Juli und einer der übelsten Massenmörder des NS-Systems. Nebe war Führer der Einsatzgruppe B, die 1941 etwa 45.000 Menschen im Osten ermordete, er unterstützte Versuche an KZ-Häftlingen und verbesserte mit viel Energie Tötungsverfahren. Nebe war nur eine Randfigur des 20. Juli. Doch auch im Zentrum der Verschwörer gab es Leute wie Henning von Tresckow, der die Partisanenbekämpfung im Osten betrieb - oft nichts anderes als blanker Terror gegen Zivilisten. Gewiss gab es sehr viele, die aus Abscheu vor dem Völkermord zu Hitler-Gegnern wurden. Und viele waren beides: moralisch entsetzt über die NS-Kriegsführung - und Teil der Maschine, die den Krieg in Gang hielt.
Alle Reinheitsideen und Idealisierungen des 20. Juli sind Trugbilder. Die Attentäter des 20. Juli waren ambivalente Figuren. Viele hingen antidemokratischen Ideen an, ihr Aufstand kam spät, viel zu spät. Vielleicht war er eher eine letzte moralische Geste als ein aussichtsreicher Staatsstreich. So waren die Leute des 20. Juli Teil des NS-Systems, die in einer Extremsituation ihr Leben gaben. Sie taugen als Denkanstöße über die Grenzen soldatischen Gehorsams, nicht als Heiligenbilder.
Kein Missverständnis: Wir sind jedem, der gegen Hitler sein Leben einsetzte, Respekt schuldig, unabhängig von seinen Motiven. Das gilt für Zeugen Jehovas, die den Militärdienst verweigerten und dafür ermordet wurden, für doktrinäre Kommunisten und auch für Militärs, die Teil des Terrorkriegsapparates waren. Sie alle waren geprägt durch ihre Zeit. Die Idee, dass sie unseren Werten genügen müssen, ist dumm. Warum aber soll der lange so zögerliche militärische Widerstand zum Nationalepos verklärt werden?
So vermittelt die Debatte um Cruise die ernüchternde Botschaft, dass die Erkenntnisse der kritischen Täterforschung, die Historiker wie Christian Gerlach seit 10 Jahren publizieren, beim Publikum nicht angekommen sind. Zu unangenehm ist die Erkenntnis, dass die NS-Geschichte keinen moralischen Fluchtweg bereit hält und dass kein Oskar Schindler und kein Stauffenberg das deutsche Desaster heilen.
Die Debatte hat ein altes Bedürfnis zum Vorschein gebracht hat: den heißen Wunsch, endlich eine Nationalhistorie mit universell verfilmbarem, vorzeigbarem Identifikationspersonal zu haben. Doch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ist nur ramponiert und gebrochen zu haben.
Sehnsucht nach deutschen Helden
KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Heute vor 63 Jahren missglückte ein Anschlag auf Hitler. Der Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde verhaftet und mit einigen Widerständlern im Bendlerblock in Berlin hingerichtet. In den 50er-Jahren hielten viele Stauffenberg & Co. für Verräter, später avancierten sie zu Gründungsfiguren der Bundesrepublik. Doch der Streit, welcher Widerstand der richtige war, geht auch 2007 weiter.
Stefan Reinecke ist Redakteur der taz und Autor des Buches "Otto Schily. Vom RAF-Anwalt zum Innenminister". Foto: taz
Aktueller Anlass ist der US-Films "Walküre", in dem der bekennende Scientologe Tom Cruise den Grafen Stauffenberg spielt. Denn deutsche Behörden haben, auch wegen Cruise aggressiver Werbung für die Sekte, die Drehgenehmigung für den Bendlerblock verweigert. Deutsche Engstirnigkeit gegen die libertäre US-Religionsauffassung, so hat das deutsche Feuilleton diesen Konflikt gedeutet und sich auf die Seite von Cruise geschlagen.
Doch so abseitig ist der Vorbehalt gegen Cruise nicht: Die Stauffenberg-Rolle ist, anders als etwa die "Mission Impossible"-Fantasy, mit historischer Bedeutung aufgeladen. Ein echter Kämpfer gegen das Böse - dies kann Cruise bei seiner Scientology-Propaganda nützlich sein.
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Zudem steht der rhetorische Aufwand der Cruise-Verteidiger in seltsamem Missverhältnis zu dem Fall, um den es geht - eine Drehgenehmigung für einen Originalschauplatz, der ohne Schaden für den Film andernorts nachgebaut werden kann. Cruise wird keineswegs von deutschen Behörden, in denen offenbar unausrottbar der Kleingeist des Wilhelminismus weiterwest, aus weltanschaulichen Gründen in seiner Berufspraxis boykottiert.
Im Gegenteil: Das US-Projekt wird vom deutschen Staat großzügig mit fast fünf Millionen Euro gefördert. Die Hausherren im Bendlerblock, Finanz- und Verteidigungsministerium, vergehen sich auch nicht an der Verfassung, nur weil sie nicht jeder kommerziellen Filmproduktion ihre Türen öffnen, wie ein eifriger feuilletonistischer Freiheitskämpfer in der FAZ meint. In den USA käme ein ausländisches Filmteam mit einem weltanschaulich obskuren Hauptdarsteller, das im Pentagon drehen will, kaum bis zum Hausmeister. Worum geht es also?
Ein Subtext der Debatte ist der Zwist zwischen Popkultur und historischer Wissenschaft, zwischen Bildermachern und textfixierten Wissenschaftlern. Peter Steinbach, der engagierte Leiter der Gedenkstätte deutscher Widerstand im Bendlerblock, meint, dass "Walküre" nur ein Spektakel wird. Diese Furcht treibt Zeithistoriker um, seit die US-Serie "Holocaust" 1979 das deutsche Publikum anrührte - und die kränkende Frage stellte, warum die deutschen Zeitgeschichtler und Regisseure nichts vergleichbar Effektvolles zu Wege gebracht hatten. Diese Debatte wiederholte sich bei Spielbergs "Schindlers Liste" und Daniel Goldhagens Buch "Hitlers willige Helfer". Die seriösen Zeithistoriker zogen dabei stets den Kürzeren. Wo es um Effekte, emotionale Aufheizungen und eindeutige moralische Botschaften geht, haben sie immer schon verloren. Zudem, so Steinbach, seien die Dreharbeiten mit der "Würde des Ortes" unvereinbar. Der Ort, der durch den Dreh entweiht werden könnte, ist der Innenhof des Bendlerblocks, in dem Stauffenberg erschossen wurde. Anders jedoch als die Furcht, dass "Walküre" reines Identifikationskino wird, ist dieses Argument äußerst fragwürdig. Den Einwand kennt man von Holocaustfilmen: der authentische Leidensort wird durch den inszenierenden Blick des Regisseurs zur Kulisse.
Doch schon diese Assoziation zeigt, wie falsch die Rede von der Würde dieses Ortes hier ist. Wer den Bendlerblock nur zum Symbol des Widerstandes macht, unterschlägt die Geschichte des Ortes. Denn hier plante das Oberkommando der Wehrmacht nach 1938 den Überfall auf die Sowjetunion, der Millionen Zivilisten das Leben kostete. Den Bendlerblock zum "sakralen Heiligtum der Nation" zu veredeln, wie Josef Joffe in der Zeit schreibt, ist eine Fälschung. In dieser selbst religiös gefärbten Metaphorik wird der Bendlerblock als Ort der Planung von Verbrechen durch das Opfer Stauffenbergs reingewaschen. In dieser Assoziationskette erscheinen Stauffenberg & Co. als Figuren, deren Opfergang die Schuld der militärischen Elite überdeckt und deren Tod ein Operationszentrum des Terrorkrieges in einen geweihten Ort verwandelt hat. Das Gerede von Stauffenberg als adeligem "Übermenschen" (Henckel von Donnersmarck) ist eine Verzerrung, die viel über eine unstillbare Sehnsucht nach Normalisierung erzählt - und nichts über die historischen Fakten.
Zu diesen Fakten gehört auch eine Figur wie Arthur Nebe, hingerichtet als Mitverschwörer des 20. Juli und einer der übelsten Massenmörder des NS-Systems. Nebe war Führer der Einsatzgruppe B, die 1941 etwa 45.000 Menschen im Osten ermordete, er unterstützte Versuche an KZ-Häftlingen und verbesserte mit viel Energie Tötungsverfahren. Nebe war nur eine Randfigur des 20. Juli. Doch auch im Zentrum der Verschwörer gab es Leute wie Henning von Tresckow, der die Partisanenbekämpfung im Osten betrieb - oft nichts anderes als blanker Terror gegen Zivilisten. Gewiss gab es sehr viele, die aus Abscheu vor dem Völkermord zu Hitler-Gegnern wurden. Und viele waren beides: moralisch entsetzt über die NS-Kriegsführung - und Teil der Maschine, die den Krieg in Gang hielt.
Alle Reinheitsideen und Idealisierungen des 20. Juli sind Trugbilder. Die Attentäter des 20. Juli waren ambivalente Figuren. Viele hingen antidemokratischen Ideen an, ihr Aufstand kam spät, viel zu spät. Vielleicht war er eher eine letzte moralische Geste als ein aussichtsreicher Staatsstreich. So waren die Leute des 20. Juli Teil des NS-Systems, die in einer Extremsituation ihr Leben gaben. Sie taugen als Denkanstöße über die Grenzen soldatischen Gehorsams, nicht als Heiligenbilder.
Kein Missverständnis: Wir sind jedem, der gegen Hitler sein Leben einsetzte, Respekt schuldig, unabhängig von seinen Motiven. Das gilt für Zeugen Jehovas, die den Militärdienst verweigerten und dafür ermordet wurden, für doktrinäre Kommunisten und auch für Militärs, die Teil des Terrorkriegsapparates waren. Sie alle waren geprägt durch ihre Zeit. Die Idee, dass sie unseren Werten genügen müssen, ist dumm. Warum aber soll der lange so zögerliche militärische Widerstand zum Nationalepos verklärt werden?
So vermittelt die Debatte um Cruise die ernüchternde Botschaft, dass die Erkenntnisse der kritischen Täterforschung, die Historiker wie Christian Gerlach seit 10 Jahren publizieren, beim Publikum nicht angekommen sind. Zu unangenehm ist die Erkenntnis, dass die NS-Geschichte keinen moralischen Fluchtweg bereit hält und dass kein Oskar Schindler und kein Stauffenberg das deutsche Desaster heilen.
Die Debatte hat ein altes Bedürfnis zum Vorschein gebracht hat: den heißen Wunsch, endlich eine Nationalhistorie mit universell verfilmbarem, vorzeigbarem Identifikationspersonal zu haben. Doch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ist nur ramponiert und gebrochen zu haben.
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