"Haut ab, ihr Ego-Typen!" (taz)
"Haut ab, ihr Ego-Typen!"
Demonstration mit zwei Gesichtern: Während eine Minderheit in Rostock Krawalle anzettelte, kämpfte die Mehrheit darum, dass es friedlich blieb. Dennoch sind die Globalisierungskritiker besorgt, dass die Inhalte des Protests gegen den G-8-Gipfel nach der Randale niemanden mehr interessieren
AUS Rostock NIKOLAI FICHTNER UND HEIKE HAARHOFF
Am Morgen danach sieht der Rostocker Stadthafen aus wie ein Schlachtfeld. Zerhackte Pflastersteine, kaputte Flaschen, aufgeweichte Flugblätter. Die Stadtreinigung ist unterwegs. Schon bald wird sie das Rostocker Stadtbild wiederhergestellt haben. In der Protestbewegung dagegen dürften die Aufräumarbeiten noch lange andauern.
Hinter der Bühne versuchen die Demo-Organisatoren auf einer Pressekonferenz ihren Frust zu verstecken. Man demonstriert Zusammenhalt. Karsten Smid von Greenpeace spricht von einer "Demo mit zwei Gesichtern", dem friedlichen, bunten Zeichen für eine andere Welt - und den Krawallen. Dann redet er noch von Klimaschutz, aber das schreiben die Journalisten nicht mehr mit. Später spricht Tim Laumeyer. Er sitzt für das linksradikale Spektrum in der Demoleitung und sieht aus, als hätte er nicht geschlafen. Vielleicht ist dieser großgewachsene junge Mann das beeindruckendste Symbol für die Breite des Bündnisses. Wann sieht man schon einen Autonomen, der sich nach Krawallen auf einer Pressekonferenz rechtfertigt? Aber vielleicht ist Tim Laumeyer auch ein Symbol für die Naivität, zu glauben, man könne die Autonomen durch Absprachen auf friedlichen Protest verpflichten. Er sagt: "Wir hätten schneller reagieren müssen."
Seit mehr als einem Jahr stehen Demoleitung und die Polizei-Sondereinheit Kavala in engem Kontakt. Man kennt sich, vereinzelt schätzt man sich sogar. Auf beiden Seiten waren sie zuversichtlich, dass der Tag der Demo friedlich verlaufen würde.
Am Samstagvormittag um 11 Uhr beobachtet ein Kavala-Sprecher auf der Hamburger Straße die Vorbereitungen auf den Demozug. Er sieht entspannt aus. "Wir wollen denen das überlassen", sagt er. Die Polizei ist in den folgenden Stunden fast unsichtbar. Bis auf das bedeckte Wetter stört nichts die gute Laune der Gipfelkritiker.
Sie verwandeln das Schutower Kreuz im Westen und den Platz vor dem Hauptbahnhof im Süden in ein buntes Meer: Könige lassen sich von Sklaven durch die Menge ziehen, Kommunisten singen Arbeiterlieder, über Greenpeace schwebt ein schmelzender Schneemann. Als die beiden bunten Demozüge durch Rostock ziehen, sieht es für eine Weile so aus, als sei der Protest in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Viele Rostocker schließen sich spontan dem Protestzug an. Einige aus Neugierde: "Man muss ja mitreden können, wenn so ein Großereignis schon mal bei einem vor der Haustür passiert", wie eine 61-jährige Anwohnerin sagt. Andere hatten den Zug von ihrem Balkon aus beobachtet und waren überrascht, wie friedlich die vielen bunt gekleideten Menschen zu diesem Zeitpunkt noch in Richtung Stadthafen zogen. Es sei gut, dass so viele junge Menschen protestieren, sagt ein 80-jähriger Rentner, "denn wir Alten können das nicht mehr".
Vielleicht lag es an der Angst vor Polizei und Autonomen, vielleicht einfach nur an der Randlage Rostocks: Das Ziel, 100.000 Menschen auf die Straße zu bekommen, hat die Protestleitung verfehlt. Es waren wohl um die 50.000, auch wenn Attac die Zahl viel höher und die Polizei sie weit niedriger ansetzt. Aber am Tag nach der Demo fragt niemand nach dieser Zahl. Alle fragen nach der Zahl der Autonomen (2.000 bis 3.000) und der Zahl der Verletzten (etwa 1.000).
Im Vorfeld der Demo hatten sich die Veranstalter immer wieder beschwert, dass die Behörden die Protestbewegung "kriminalisieren" würden. Am Ende sind es die Autonomen, die den Protest kriminalisieren.
Vor dem Stadthafen kommt es am Nachmittag deshalb fast zur Schlägerei: zwischen denen, die friedlich und für ihre Inhalte auf die Straße gehen wollen, und denen, die den Krawall suchen. Aus einem Auto steigen Rauchsäulen auf. Ein paar schwarz Gekleidete, die Mützen tief ins Gesicht gezogen, feixen. "Haut ab, ihr egoistischen Typen, haut ab, ihr macht alles kaputt!", brüllt eine junge Frau mit Dreadlocks sie an und macht einen Schritt auf das grinsende Grüppchen zu. "Verpiss dich!", schleudern ihr die anderen entgegen, bevor sie sich in der Menge zerstreuen.
Robert Sander dachte, dass er die Gewalt aufhalten kann. Als die ersten Steine und Holzlatten aus den Reihen der Demonstrierenden in Richtung Polizei fliegen, steht der 26-jährige Biologiestudent aus Frankfurt am Main am Rand des autonomen Blocks, zufällig, wie er sagt, "ich wollte für die Freunde daheim ein bisschen filmen". Doch daraus wird nichts. Die Polizei stürmt die Reihen der Demonstranten, Sander reißt die Hände hoch, "Nichts tun!", brüllt er noch. Dann sieht er nichts mehr. Das Reizgas vernebelt ihm den Blick, er hustet und spuckt, einer neben ihm zerrt ihn weg. Sander heult. "Scheiße", ruft er, "ich stelle mich dazwischen, und die sprühen trotzdem!" Es ist seine erste Gipfeldemo, "und ich war mir schon bewusst, dass es da auch Steinewerfer gibt", sagt er, "aber ich habe gedacht, wir schaffen es, die zu isolieren".
Die Steine der Autonomen treffen nicht Polizisten und friedliche Demonstranten gleichermaßen. Die Antwort der Polizei, Wasserwerfer und Tränengassalven, treffen nicht nur die Randalierer, sondern auch Konzertbesucher, Fernsehteams und Imbissstände. Es gibt allerdings auch Orte, an denen man von den Krawallen fast nichts mitbekommt. Auf der Bühne, wo Kundgebung und Konzert stattfinden, ist so ein Ort. Dort sprechen Rednerinnen von den Ungerechtigkeiten des Patentschutzes und ihrer "Vorfreude auf eine bunte Woche", während ein paar hundert Meter vor ihnen ein Auto brennt.
Hinter der Bühne im Zirkuszelt diskutieren die Veranstalter aufgeregt: Sollen sie die Kundgebung abbrechen? Die Polizei zum Rückzug bewegen? Und vor allem: Wie bekommen wir die Autonomen unter Kontrolle? Die Demoleitung unterbricht die Kundgebung immer wieder mit Durchsagen. Erst sagen sie noch: Die Polizei solle abziehen, nicht weiter provozieren. Gegen 18 Uhr dann der Kurswechsel. Christoph Kleine tritt auf die Bühne, eine Integrationsfigur der radikalen Linken. Er sagt: "Wir werden die Polizeipräsenz nicht länger verhindern können." Und: "Tut das Eure dafür, dass das nicht eskaliert." Die Leute vorne klatschen. Die Leute weiter hinten hören ihn womöglich nicht.
Die Szenerie in den kleinen Seitenstraßen neben dem Stadthafen ist am frühen Abend gespenstisch. Von einem auf einem Behindertenparkplatz abgestellten Auto existiert nur noch das Gerippe, nebenan kokeln angezündete Mülltonnen vor sich hin. An einem verbogenen Straßenschild haben ein paar Jungs in dunklen Kapuzenpullis herumliegende Holzlatten gestapelt und sie angezündet. "Was soll das", schreit eine dunkelhaarige Frau sie an, "ihr Arschlöcher, was soll das? Müsst ihr alles kaputt machen?" Sie bekommt keine Antwort. Die schwarzgekleideten Jungs trollen sich. "Ich bin so furchtbar enttäuscht", sagt die Frau, die mit ihrem Mann aus Potsdam gekommen ist, "da sind wenige Leute, die mutwillig zerstören, und wir, die wir einfach nur friedlich auf die Straße gehen wollen, können nichts dagegen unternehmen."
Etwas später traut sich ein junger Rostocker wieder aus seiner Wohnung am Stadthafen, um die Scherben aus seinem demolierten Auto zu fegen. Er sieht blass aus. "Damit hätte ich nie gerechnet", sagt er. Er glaubt nicht, dass seine Versicherung den Schaden zahlt.
Doch der ideelle Schaden ist weit größer als der materielle. Ein Mitarbeiter der ansässigen Norddeutschen Neuesten Nachrichten schüttelt immer wieder mit dem Kopf: "Sechs Monate habe ich den Rostockern erzählt, das seien alles friedliche Demonstranten. Und jetzt das."
Auf einer Pressekonferenz am frühen Abend versuchen sich die Veranstalter in Schadensbegrenzung. Manfred Stenner, der Mann aus der Friedensbewegung, übernimmt schon hier. "Wir haben bis zu Beginn der heftigen Auseinandersetzungen der Polizei keinen Vorwurf zu machen", sagt er. Er habe Verständnis für das Verhalten der Polizei. Zuvor hatte er gesehen, wie Autonome Polizisten verfolgt haben.
Andere hatten anderes gesehen. Der Rostocker Demoleiter Monty Schädel gab auch der Polizei die Schuld. Beim Versuch, zwischen Protestlern und Beamten zu schlichten, bekam er Pfefferspray ins Gesicht. Doch die Schuldfrage ist angesichts der Ereignisse für die Beteiligten nebensächlich.
"Dass jetzt über die Randale berichtet wird und nicht über die Reden, daran haben wir schwer zu tragen", sagt Stenner. Werden sie von nun an als Chaoten dastehen in der Öffentlichkeit? Was ist mit den Inhalten?
Es wirkt fast so, als erwarte die Protestleitung einen Richterspruch, als um acht Uhr die "Tagesschau" angesehen wird. Man kann ein kleines Aufatmen vernehmen. Ein Satz zur Demo. Ein Satz zum Inhalt. Dann erst kommt die Einschränkung: "Überschattet wurde …"
MITARBEIT: THORBEN IBSMALTE KREUTZFELDT
taz vom 4.6.2007, S. III, 307 Z. (TAZ-Bericht), NIKOLAI FICHTNER / HEIKE HAARHOFF MITARBEIT: THORBEN IBS MALTE KREUTZFELDT
Demonstration mit zwei Gesichtern: Während eine Minderheit in Rostock Krawalle anzettelte, kämpfte die Mehrheit darum, dass es friedlich blieb. Dennoch sind die Globalisierungskritiker besorgt, dass die Inhalte des Protests gegen den G-8-Gipfel nach der Randale niemanden mehr interessieren
AUS Rostock NIKOLAI FICHTNER UND HEIKE HAARHOFF
Am Morgen danach sieht der Rostocker Stadthafen aus wie ein Schlachtfeld. Zerhackte Pflastersteine, kaputte Flaschen, aufgeweichte Flugblätter. Die Stadtreinigung ist unterwegs. Schon bald wird sie das Rostocker Stadtbild wiederhergestellt haben. In der Protestbewegung dagegen dürften die Aufräumarbeiten noch lange andauern.
Hinter der Bühne versuchen die Demo-Organisatoren auf einer Pressekonferenz ihren Frust zu verstecken. Man demonstriert Zusammenhalt. Karsten Smid von Greenpeace spricht von einer "Demo mit zwei Gesichtern", dem friedlichen, bunten Zeichen für eine andere Welt - und den Krawallen. Dann redet er noch von Klimaschutz, aber das schreiben die Journalisten nicht mehr mit. Später spricht Tim Laumeyer. Er sitzt für das linksradikale Spektrum in der Demoleitung und sieht aus, als hätte er nicht geschlafen. Vielleicht ist dieser großgewachsene junge Mann das beeindruckendste Symbol für die Breite des Bündnisses. Wann sieht man schon einen Autonomen, der sich nach Krawallen auf einer Pressekonferenz rechtfertigt? Aber vielleicht ist Tim Laumeyer auch ein Symbol für die Naivität, zu glauben, man könne die Autonomen durch Absprachen auf friedlichen Protest verpflichten. Er sagt: "Wir hätten schneller reagieren müssen."
Seit mehr als einem Jahr stehen Demoleitung und die Polizei-Sondereinheit Kavala in engem Kontakt. Man kennt sich, vereinzelt schätzt man sich sogar. Auf beiden Seiten waren sie zuversichtlich, dass der Tag der Demo friedlich verlaufen würde.
Am Samstagvormittag um 11 Uhr beobachtet ein Kavala-Sprecher auf der Hamburger Straße die Vorbereitungen auf den Demozug. Er sieht entspannt aus. "Wir wollen denen das überlassen", sagt er. Die Polizei ist in den folgenden Stunden fast unsichtbar. Bis auf das bedeckte Wetter stört nichts die gute Laune der Gipfelkritiker.
Sie verwandeln das Schutower Kreuz im Westen und den Platz vor dem Hauptbahnhof im Süden in ein buntes Meer: Könige lassen sich von Sklaven durch die Menge ziehen, Kommunisten singen Arbeiterlieder, über Greenpeace schwebt ein schmelzender Schneemann. Als die beiden bunten Demozüge durch Rostock ziehen, sieht es für eine Weile so aus, als sei der Protest in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Viele Rostocker schließen sich spontan dem Protestzug an. Einige aus Neugierde: "Man muss ja mitreden können, wenn so ein Großereignis schon mal bei einem vor der Haustür passiert", wie eine 61-jährige Anwohnerin sagt. Andere hatten den Zug von ihrem Balkon aus beobachtet und waren überrascht, wie friedlich die vielen bunt gekleideten Menschen zu diesem Zeitpunkt noch in Richtung Stadthafen zogen. Es sei gut, dass so viele junge Menschen protestieren, sagt ein 80-jähriger Rentner, "denn wir Alten können das nicht mehr".
Vielleicht lag es an der Angst vor Polizei und Autonomen, vielleicht einfach nur an der Randlage Rostocks: Das Ziel, 100.000 Menschen auf die Straße zu bekommen, hat die Protestleitung verfehlt. Es waren wohl um die 50.000, auch wenn Attac die Zahl viel höher und die Polizei sie weit niedriger ansetzt. Aber am Tag nach der Demo fragt niemand nach dieser Zahl. Alle fragen nach der Zahl der Autonomen (2.000 bis 3.000) und der Zahl der Verletzten (etwa 1.000).
Im Vorfeld der Demo hatten sich die Veranstalter immer wieder beschwert, dass die Behörden die Protestbewegung "kriminalisieren" würden. Am Ende sind es die Autonomen, die den Protest kriminalisieren.
Vor dem Stadthafen kommt es am Nachmittag deshalb fast zur Schlägerei: zwischen denen, die friedlich und für ihre Inhalte auf die Straße gehen wollen, und denen, die den Krawall suchen. Aus einem Auto steigen Rauchsäulen auf. Ein paar schwarz Gekleidete, die Mützen tief ins Gesicht gezogen, feixen. "Haut ab, ihr egoistischen Typen, haut ab, ihr macht alles kaputt!", brüllt eine junge Frau mit Dreadlocks sie an und macht einen Schritt auf das grinsende Grüppchen zu. "Verpiss dich!", schleudern ihr die anderen entgegen, bevor sie sich in der Menge zerstreuen.
Robert Sander dachte, dass er die Gewalt aufhalten kann. Als die ersten Steine und Holzlatten aus den Reihen der Demonstrierenden in Richtung Polizei fliegen, steht der 26-jährige Biologiestudent aus Frankfurt am Main am Rand des autonomen Blocks, zufällig, wie er sagt, "ich wollte für die Freunde daheim ein bisschen filmen". Doch daraus wird nichts. Die Polizei stürmt die Reihen der Demonstranten, Sander reißt die Hände hoch, "Nichts tun!", brüllt er noch. Dann sieht er nichts mehr. Das Reizgas vernebelt ihm den Blick, er hustet und spuckt, einer neben ihm zerrt ihn weg. Sander heult. "Scheiße", ruft er, "ich stelle mich dazwischen, und die sprühen trotzdem!" Es ist seine erste Gipfeldemo, "und ich war mir schon bewusst, dass es da auch Steinewerfer gibt", sagt er, "aber ich habe gedacht, wir schaffen es, die zu isolieren".
Die Steine der Autonomen treffen nicht Polizisten und friedliche Demonstranten gleichermaßen. Die Antwort der Polizei, Wasserwerfer und Tränengassalven, treffen nicht nur die Randalierer, sondern auch Konzertbesucher, Fernsehteams und Imbissstände. Es gibt allerdings auch Orte, an denen man von den Krawallen fast nichts mitbekommt. Auf der Bühne, wo Kundgebung und Konzert stattfinden, ist so ein Ort. Dort sprechen Rednerinnen von den Ungerechtigkeiten des Patentschutzes und ihrer "Vorfreude auf eine bunte Woche", während ein paar hundert Meter vor ihnen ein Auto brennt.
Hinter der Bühne im Zirkuszelt diskutieren die Veranstalter aufgeregt: Sollen sie die Kundgebung abbrechen? Die Polizei zum Rückzug bewegen? Und vor allem: Wie bekommen wir die Autonomen unter Kontrolle? Die Demoleitung unterbricht die Kundgebung immer wieder mit Durchsagen. Erst sagen sie noch: Die Polizei solle abziehen, nicht weiter provozieren. Gegen 18 Uhr dann der Kurswechsel. Christoph Kleine tritt auf die Bühne, eine Integrationsfigur der radikalen Linken. Er sagt: "Wir werden die Polizeipräsenz nicht länger verhindern können." Und: "Tut das Eure dafür, dass das nicht eskaliert." Die Leute vorne klatschen. Die Leute weiter hinten hören ihn womöglich nicht.
Die Szenerie in den kleinen Seitenstraßen neben dem Stadthafen ist am frühen Abend gespenstisch. Von einem auf einem Behindertenparkplatz abgestellten Auto existiert nur noch das Gerippe, nebenan kokeln angezündete Mülltonnen vor sich hin. An einem verbogenen Straßenschild haben ein paar Jungs in dunklen Kapuzenpullis herumliegende Holzlatten gestapelt und sie angezündet. "Was soll das", schreit eine dunkelhaarige Frau sie an, "ihr Arschlöcher, was soll das? Müsst ihr alles kaputt machen?" Sie bekommt keine Antwort. Die schwarzgekleideten Jungs trollen sich. "Ich bin so furchtbar enttäuscht", sagt die Frau, die mit ihrem Mann aus Potsdam gekommen ist, "da sind wenige Leute, die mutwillig zerstören, und wir, die wir einfach nur friedlich auf die Straße gehen wollen, können nichts dagegen unternehmen."
Etwas später traut sich ein junger Rostocker wieder aus seiner Wohnung am Stadthafen, um die Scherben aus seinem demolierten Auto zu fegen. Er sieht blass aus. "Damit hätte ich nie gerechnet", sagt er. Er glaubt nicht, dass seine Versicherung den Schaden zahlt.
Doch der ideelle Schaden ist weit größer als der materielle. Ein Mitarbeiter der ansässigen Norddeutschen Neuesten Nachrichten schüttelt immer wieder mit dem Kopf: "Sechs Monate habe ich den Rostockern erzählt, das seien alles friedliche Demonstranten. Und jetzt das."
Auf einer Pressekonferenz am frühen Abend versuchen sich die Veranstalter in Schadensbegrenzung. Manfred Stenner, der Mann aus der Friedensbewegung, übernimmt schon hier. "Wir haben bis zu Beginn der heftigen Auseinandersetzungen der Polizei keinen Vorwurf zu machen", sagt er. Er habe Verständnis für das Verhalten der Polizei. Zuvor hatte er gesehen, wie Autonome Polizisten verfolgt haben.
Andere hatten anderes gesehen. Der Rostocker Demoleiter Monty Schädel gab auch der Polizei die Schuld. Beim Versuch, zwischen Protestlern und Beamten zu schlichten, bekam er Pfefferspray ins Gesicht. Doch die Schuldfrage ist angesichts der Ereignisse für die Beteiligten nebensächlich.
"Dass jetzt über die Randale berichtet wird und nicht über die Reden, daran haben wir schwer zu tragen", sagt Stenner. Werden sie von nun an als Chaoten dastehen in der Öffentlichkeit? Was ist mit den Inhalten?
Es wirkt fast so, als erwarte die Protestleitung einen Richterspruch, als um acht Uhr die "Tagesschau" angesehen wird. Man kann ein kleines Aufatmen vernehmen. Ein Satz zur Demo. Ein Satz zum Inhalt. Dann erst kommt die Einschränkung: "Überschattet wurde …"
MITARBEIT: THORBEN IBSMALTE KREUTZFELDT
taz vom 4.6.2007, S. III, 307 Z. (TAZ-Bericht), NIKOLAI FICHTNER / HEIKE HAARHOFF MITARBEIT: THORBEN IBS MALTE KREUTZFELDT
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