Knaller an der Zeitungsfront

Wednesday, January 31, 2007

Das Schöne und der Pate (Berliner Zeitung)

Das Schöne und der Pate
27.01.2007
Politik - Seite 04
Jens Weinreich

Im Fußball ist, wie im richtigen Leben, nichts daran auszusetzen, wenn ein 77-jähriger Präsident von einem 51-jährigen abgelöst wird. Zumal wenn der Jüngere Michel Platini heißt, dessen Spielweise noch heute betörend wirkt - vor allem auf Frauen. Platini wirkte einst verwegen wie D'Artagnon. Sein Spiel war Mitte der achtziger Jahre ein Versprechen darauf, dass manchmal das Gute und Schöne siegt, im Fußball zumindest. Nun ist dieser Michel Platini Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa) geworden, eines Verbandes, der Milliarden umsetzt. Er löste den 26 Jahre älteren Schweden Lennart Johansson ab. Johansson versuchte auf dem Uefa-Kongress in Düsseldorf mit seiner Ehrlichkeit Eindruck zu machen - und mit einer unbedingt tadellosen Buchführung. Beides aber zählte nichts gegen Platini, dieses charismatische, Fleisch gewordene Versprechen.

Platinis Sieg macht weltweit Schlagzeilen. Das Volk dürstet nach Helden. Man hat ihn ja schon immer jubeln sehen. Als Spieler mit der französischen Nationalmannschaft, die 1984 im heimischen Prinzenpark Europameister wurde. Mit Juventus Turin, wo Platini Millionen verdiente. Als Organisationschef der Weltmeisterschaft 1998, die mit einem französischen Sieg im, natürlich, Stade de France gekrönt wurde. Das ist Platini, ein Gewinner, ein Genießer. Ein Romantiker, wie er immer wieder beteuert. Er verkauft sich gut, anders als der etwas bräsige Johansson. Die Geschichte hinter der Geschichte aber ist interessanter als Jubelposen. Und Platini hat in der Stunde seines größten persönlichen Triumphs als Fußballfunktionär selbst die Fährte gelegt, wenngleich etwas unfreiwillig: Er bezeichnete den langjährigen Fiat-Patron Gianni Agnelli, der ihn einst in die Hauptstadt des Piemont, nach Turin, gelotst hatte, als seinen Paten, dem er ewig dankbar sei.

Der Pate? Eine derartige Titulierung für den inzwischen verstorbenen Agnelli, der bei Juventus uneingeschränkt das Sagen hatte und ein mafioses System installierte, ist kein Verbrechen. Diese Bezeichnung passt perfekt zur Lage der Branche: Juventus wurde wegen Korruption in die zweite Liga verbannt. Und Platinis Aufstieg zum Uefa-Präsidenten wurde erst möglich durch das würdelose Wirken eines anderen Paten. Die Rede ist von Joseph Blatter, Präsident des Weltverbandes Fifa, der in bislang beispielloser Weise Partei ergriffen hatte in einem Wahlkampf, in dem er eigentlich zu Neutralität verpflichtet war. Doch Blatter hatte mit Johansson noch eine Rechnung offen. Die wurde nun beglichen.

Johansson, der sich demokratischen Grundsätzen verpflichtet fühlt, war vor einigen Jahren der Gegenentwurf zum Autokraten Blatter. Beide kandidierten für die Präsidentschaft im Fußball-Weltverband. Es war ein Wettbewerb der Intrigen, über dem immer der Schatten der Bestechung schweben wird. In der Nacht vor der Wahl, Anfang Juni 1998, sollen viele Briefumschläge mit dicken Geldbündeln ihre Besitzer gewechselt haben. Auf dem Fifa-Kongress in Paris gab sogar eine obskure Figur ihre Stimme für einen fremden Nationalverband ab, und am Ende, kein Wunder, siegte Blatter. Johansson war geschockt. Seine kleine Rache bestand nur noch darin, eine Personalie zu verhindern: Blatter wollte eigentlich Michel Platini zum Technischen Direktor der Fifa machen.

Neun Jahre ist das her, doch Blatter vergisst selbst kleinste Niederlagen nicht. Er pflegt sich zu rächen. Das hat er getan, in Düsseldorf. Und er machte gute Miene zum erbärmlichen Spiel. Endlich sei das Kriegsbeil zwischen der Uefa und der Fifa begraben, sagte er. Gleiches hat er zu verschiedenen Anlässen schon oft behauptet. Vor drei Jahren beispielsweise inszenierte er im Fifa-Hauptquartier in Zürich eine Versöhnungsgeste mit Johansson. Es war eine Finte, denn Blatter hat eine spezielle Art, sich mit Menschen zu versöhnen: Seine Versöhnung setzt voraus, dass die Gegner geschlagen am Boden liegen.

Vielleicht tut man Michel Platini Unrecht, wenn man ihn als trojanisches Pferd des Joseph Blatter bezeichnet. Wenn ja, dann kann Platini in den nächsten Jahren das Gegenteil beweisen. Vorerst aber gibt es gute Gründe, skeptisch zu sein. Ausgerechnet Blatter kontrolliert nun nicht nur die Milliarden der Fifa, sondern auch die Geldströme im reichsten Kontinentalverband. Das ist ein Rückschlag für all jene Funktionäre, die sich Transparenz und Demokratie verschrieben haben. Es ist ein weiteres Alarmzeichen. Nichts für Romantiker.

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