"Stoiber konnte einfach nicht, was Strauß konnte" (Welt)
Gerhard Polt: "Stoiber konnte einfach nicht, was Strauß konnte"
Nach dem angekündigten Rückzug des bayerischen Ministerpräsidenten von seinen Spitzenämtern bricht eine Welle des Hohns über ihm zusammen. Warum die Bayern einen Volkstribun wie Strauß und Stoiber dringend brauchen, erklärt im Gespräch mit WELT.de der bayerische Kabarettist Gerhard Polt.
Von Franz Solms-Laubach
Schliersee/Berlin - Gerhard Polt ist der unangefochtene König des bayerischen Humors. Und er spricht Deutsch. Wie kaum ein anderer verkörpert Polt die Zerrissenheit des bayerischen Wesens zwischen Spießertum und Anarchie. Deshalb ist er auch der Einzige, der das Verhältnis der Bayern zu Edmund Stoiber, Franz Josef Strauß und der lokalen Einheitspartei CSU erklären kann.
WELT.de: Warum wollen die Bayern eigentlich nichts anderes wählen als die CSU?
Gerhard Polt: Ja, da fragt man sich natürlich, was das für ein Zustand und ein Volk ist, das fünfzig Jahre lang bereit ist, nur eine einzige Partei regieren zu lassen, die mehr oder weniger ganz ohne Opposition auskommt. Die Bayern können sich eine Demokratie ja überhaupt nur ohne Opposition vorstellen. Das ist ein Phänomen, das in der bayerischen Bevölkerung tief verwurzelt ist. Die Bayern sind eben unpolitisch und sagen sich: „Wir brauchen nur wenig Kontrolle der Regierungsmacht!“ Und so macht die Verfilzung von Administration, Verwaltung und Politik Bayern eigentlich aus.
WELT.de: Ist das, was in Bayern und mit Edmund Stoiber passiert ist, jetzt ein Drama oder eher ein Komödiantenstadl?
Polt: Für mich ist es auf alle Fälle noch nicht einmal das. Ein Komödiantenstadl kann ja sehr schön und witzig sein, aber das was jetzt passiert ist, ist doch eher eine Schmiere. Die ist auf ihre Art zwar auch komisch, aber sie ist eben eine Schmiere. So ähnlich wie im italienischen Volkstheater eben, wo man kein richtiges Konzept hat, sondern extemporiert. Die Schauspieler improvisieren und schlüpfen von Rolle zu Rolle. Es gibt da die Diadochen, die hauen und stechen und fragen sich immer, „Wer wird jetzt der Nachfolger?“, und wie zur Antwort werden die jeweiligen Bataillone aufgestellt. Für den Seehofer, für den Huber und wie sie alle heißen. Ich lehne mich da zurück, schau mir das an und find die Situation saukomisch. Es ist eigentlich das, was Sie bei uns auf dem Nockerberg als politisches Theater sehen können.
WELT.de: Nimmt der Bayer das jetzt als Krise war?
Polt: Wissen kann ich das nicht, aber ich glaube, dass es wirklich einfach nur ein schlichter Machtwechsel ist. Das, was da jetzt vor sich geht, wird die bayerische Gesellschaft nicht erschüttern.
WELT.de: Wie geht es denn mit Stoiber weiter? Werden ihn die Bayern jetzt glorifizieren, oder wird er davongejagt?
Polt: Weder noch, glaube ich. Was bleiben wird, ist der Begriff des Sommer-Stoibers. Das ist dieser Sommer-Trachten-Janker, den er immer anhat. Der Sommer-Stoiber wird auch weiterhin getragen werden und wird auch so heißen. Dass Stoiber selbst verewigt wird, glaube ich nicht. Standbilder wird man ihm zumindest nicht errichten.
WELT.de: Was bleibt von Stoiber als kabarettistischem Charakter?
Polt: Es gibt ja Figuren, die sind unvergänglich. Wie etwa die berühmten Gestalten des Lehrer Lempel, des Schneider Böck und des Pater Filucius von Wilhelm Busch. Wenn Sie diese drei Figuren genau anschauen und sehen dann den Stoiber, dann haben Sie ein Aha-Erlebnis. Dann ist doch das „Heureka!“ sofort da.
WELT.de: Und wer sind dann die Maikäfer, die ihn in der Nacht in den Fuß zwicken?
Polt: [Lacht] Ja, Maikäfer gibt es immer. Manchmal sind es Wanzen, manchmal sind es Maikäfer. Es sind meistens Insekten.
WELT.de: Wer war der größere Monarch für Bayern: Edmund Stoiber oder Franz Josef Strauß?Polt: Natürlich der Franz Josef Strauß. Der große Unterschied ist doch der: Der Strauß war wirklich eine Art Volkstribun. Er war ein sehr gebildeter Mann und hatte, für süddeutsche Verhältnisse jedenfalls, eine sehr starke rhetorische Kraft. Der konnte formulieren, der konnte Bilder entstehen lassen, der konnte einfach reden. Er war wirklich ein großer Bierzelt-Entertainer. Ich werde nie vergessen, als er mal ein Interview in der „Zeit“ gegeben hat und die Gräfin Dönhoff und der Herr Sommer ihn zerlegen und zeigen wollten, wes Geistes Kind er ist. Aber es ging nicht. Er war einfach stärker. Er war ein ganz starker Erzähler und Narrateur.
WELT.de: Und was ist mit Stoiber?
Polt: All diese volkstribunhaften, nennen wir es ruhig mal demagogischen Eigenschaften von Franz Josef Strauß, die hat der Stoiber nicht. Das muss man ja vielleicht sogar zu seinen Gunsten sagen. Ich war einmal in einem Bierzelt, als der Mann versucht hat, die Leute bierzeltmäßig zu überzeugen. Da ging das dann eigentlich mit ein paar Verbalinjurien für den politischen Gegner auch ganz gut los, und es kam am Anfang sogar ein bisserl Stimmung auf, aber dann hat der Mann dieses Bierzelt eine Stunde lang zum Schlafen gebracht. Er hat die Leute mit Prozenten, Rechnungen und Vergleichen, also so wirtschaftlichen Kenndaten wie, „Von vier Prozent auf 3,2 Prozent, und wenn wir schon acht Prozent haben, dann haben die nur ein Prozent“, gelangweilt. Und da habe ich gesehen, wie die Leute langsam am Bierkrug eingeschlafen sind. Der konnte einfach nicht, was der Strauß konnte. Da kommt natürlich noch dazu, dass zu Zeiten von Strauß die Bundesrepublik die alte Bundesrepublik war. Da war Bayern die Hausmacht und die CSU hatte damals wesentlich größeren Einfluss auf die Politik. Seit der Wiedervereinigung ist die CSU marginalisiert worden. Logischerweise.
WELT.de: Wenn man mal bei der Formulierungskunst bleibt, da hat Stoiber doch durchaus kabarettistisches Talent...
Polt: ...denken Sie doch daran, dass er immerhin neben Kardinal Ratzinger ein Träger des Karl-Valentin-Ordens ist. Ob man ihm den für unfreiwilligen Humor gegeben hat oder warum, das weiß ich nicht.
WELT.de: Dass in der jetzigen Situation eigentlich niemanden Herrn Franz Maget fragt, geschweige denn wahrnimmt, ist das bezeichnend für Bayern?
Polt: Leider ist das so. Der von mir persönlich sehr geschätzte Maget hat das gleiche Problem wie alle Sozialdemokraten in Bayern, sie werden einfach nicht wahrgenommen. Es gibt bei uns sogar ein Wettrennen, wer der unbekannteste Oppositionspolitiker ist. Medienmäßig schneiden die SPD-Kandidaten in Bayern einfach immer schlecht ab. Und ich nehme an, das bleibt auch so.
WELT.de: War das Skript für Stoibers Rücktritt gut geschrieben, oder war es eher beschämend?
Polt: Die CSU und allen voran Edmund Stoiber haben die Parole ausgegeben, „staatsmännisch“ wirken und auftreten zu wollen. Und das gelingt nicht allen Leuten immer gleich gut. Das kann eben nicht jeder. Und man hat schon gemerkt, dass da etwas geschrumpft ist. Staatsmännische Würde ist dabei nicht so ganz zur Geltung gekommen.
WELT.de: Hätte er früher gehen sollen?
Polt: Das weiß ich nicht. Ich habe mir aber schon gedacht, dass es vorbei ist mit ihm, nachdem alle anderen die Posten in Berlin verteilt haben, er nein gesagt hat und wieder nach Bayern zurückgekommen ist. Das war politisch wohl ein großer Fehler. Aber der Mann ist eben ein alter Zauderer. Er war in vielen Dingen immer sehr unentschlossen.
Artikel erschienen am 20.01.2007
Nach dem angekündigten Rückzug des bayerischen Ministerpräsidenten von seinen Spitzenämtern bricht eine Welle des Hohns über ihm zusammen. Warum die Bayern einen Volkstribun wie Strauß und Stoiber dringend brauchen, erklärt im Gespräch mit WELT.de der bayerische Kabarettist Gerhard Polt.
Von Franz Solms-Laubach
Schliersee/Berlin - Gerhard Polt ist der unangefochtene König des bayerischen Humors. Und er spricht Deutsch. Wie kaum ein anderer verkörpert Polt die Zerrissenheit des bayerischen Wesens zwischen Spießertum und Anarchie. Deshalb ist er auch der Einzige, der das Verhältnis der Bayern zu Edmund Stoiber, Franz Josef Strauß und der lokalen Einheitspartei CSU erklären kann.
WELT.de: Warum wollen die Bayern eigentlich nichts anderes wählen als die CSU?
Gerhard Polt: Ja, da fragt man sich natürlich, was das für ein Zustand und ein Volk ist, das fünfzig Jahre lang bereit ist, nur eine einzige Partei regieren zu lassen, die mehr oder weniger ganz ohne Opposition auskommt. Die Bayern können sich eine Demokratie ja überhaupt nur ohne Opposition vorstellen. Das ist ein Phänomen, das in der bayerischen Bevölkerung tief verwurzelt ist. Die Bayern sind eben unpolitisch und sagen sich: „Wir brauchen nur wenig Kontrolle der Regierungsmacht!“ Und so macht die Verfilzung von Administration, Verwaltung und Politik Bayern eigentlich aus.
WELT.de: Ist das, was in Bayern und mit Edmund Stoiber passiert ist, jetzt ein Drama oder eher ein Komödiantenstadl?
Polt: Für mich ist es auf alle Fälle noch nicht einmal das. Ein Komödiantenstadl kann ja sehr schön und witzig sein, aber das was jetzt passiert ist, ist doch eher eine Schmiere. Die ist auf ihre Art zwar auch komisch, aber sie ist eben eine Schmiere. So ähnlich wie im italienischen Volkstheater eben, wo man kein richtiges Konzept hat, sondern extemporiert. Die Schauspieler improvisieren und schlüpfen von Rolle zu Rolle. Es gibt da die Diadochen, die hauen und stechen und fragen sich immer, „Wer wird jetzt der Nachfolger?“, und wie zur Antwort werden die jeweiligen Bataillone aufgestellt. Für den Seehofer, für den Huber und wie sie alle heißen. Ich lehne mich da zurück, schau mir das an und find die Situation saukomisch. Es ist eigentlich das, was Sie bei uns auf dem Nockerberg als politisches Theater sehen können.
WELT.de: Nimmt der Bayer das jetzt als Krise war?
Polt: Wissen kann ich das nicht, aber ich glaube, dass es wirklich einfach nur ein schlichter Machtwechsel ist. Das, was da jetzt vor sich geht, wird die bayerische Gesellschaft nicht erschüttern.
WELT.de: Wie geht es denn mit Stoiber weiter? Werden ihn die Bayern jetzt glorifizieren, oder wird er davongejagt?
Polt: Weder noch, glaube ich. Was bleiben wird, ist der Begriff des Sommer-Stoibers. Das ist dieser Sommer-Trachten-Janker, den er immer anhat. Der Sommer-Stoiber wird auch weiterhin getragen werden und wird auch so heißen. Dass Stoiber selbst verewigt wird, glaube ich nicht. Standbilder wird man ihm zumindest nicht errichten.
WELT.de: Was bleibt von Stoiber als kabarettistischem Charakter?
Polt: Es gibt ja Figuren, die sind unvergänglich. Wie etwa die berühmten Gestalten des Lehrer Lempel, des Schneider Böck und des Pater Filucius von Wilhelm Busch. Wenn Sie diese drei Figuren genau anschauen und sehen dann den Stoiber, dann haben Sie ein Aha-Erlebnis. Dann ist doch das „Heureka!“ sofort da.
WELT.de: Und wer sind dann die Maikäfer, die ihn in der Nacht in den Fuß zwicken?
Polt: [Lacht] Ja, Maikäfer gibt es immer. Manchmal sind es Wanzen, manchmal sind es Maikäfer. Es sind meistens Insekten.
WELT.de: Wer war der größere Monarch für Bayern: Edmund Stoiber oder Franz Josef Strauß?Polt: Natürlich der Franz Josef Strauß. Der große Unterschied ist doch der: Der Strauß war wirklich eine Art Volkstribun. Er war ein sehr gebildeter Mann und hatte, für süddeutsche Verhältnisse jedenfalls, eine sehr starke rhetorische Kraft. Der konnte formulieren, der konnte Bilder entstehen lassen, der konnte einfach reden. Er war wirklich ein großer Bierzelt-Entertainer. Ich werde nie vergessen, als er mal ein Interview in der „Zeit“ gegeben hat und die Gräfin Dönhoff und der Herr Sommer ihn zerlegen und zeigen wollten, wes Geistes Kind er ist. Aber es ging nicht. Er war einfach stärker. Er war ein ganz starker Erzähler und Narrateur.
WELT.de: Und was ist mit Stoiber?
Polt: All diese volkstribunhaften, nennen wir es ruhig mal demagogischen Eigenschaften von Franz Josef Strauß, die hat der Stoiber nicht. Das muss man ja vielleicht sogar zu seinen Gunsten sagen. Ich war einmal in einem Bierzelt, als der Mann versucht hat, die Leute bierzeltmäßig zu überzeugen. Da ging das dann eigentlich mit ein paar Verbalinjurien für den politischen Gegner auch ganz gut los, und es kam am Anfang sogar ein bisserl Stimmung auf, aber dann hat der Mann dieses Bierzelt eine Stunde lang zum Schlafen gebracht. Er hat die Leute mit Prozenten, Rechnungen und Vergleichen, also so wirtschaftlichen Kenndaten wie, „Von vier Prozent auf 3,2 Prozent, und wenn wir schon acht Prozent haben, dann haben die nur ein Prozent“, gelangweilt. Und da habe ich gesehen, wie die Leute langsam am Bierkrug eingeschlafen sind. Der konnte einfach nicht, was der Strauß konnte. Da kommt natürlich noch dazu, dass zu Zeiten von Strauß die Bundesrepublik die alte Bundesrepublik war. Da war Bayern die Hausmacht und die CSU hatte damals wesentlich größeren Einfluss auf die Politik. Seit der Wiedervereinigung ist die CSU marginalisiert worden. Logischerweise.
WELT.de: Wenn man mal bei der Formulierungskunst bleibt, da hat Stoiber doch durchaus kabarettistisches Talent...
Polt: ...denken Sie doch daran, dass er immerhin neben Kardinal Ratzinger ein Träger des Karl-Valentin-Ordens ist. Ob man ihm den für unfreiwilligen Humor gegeben hat oder warum, das weiß ich nicht.
WELT.de: Dass in der jetzigen Situation eigentlich niemanden Herrn Franz Maget fragt, geschweige denn wahrnimmt, ist das bezeichnend für Bayern?
Polt: Leider ist das so. Der von mir persönlich sehr geschätzte Maget hat das gleiche Problem wie alle Sozialdemokraten in Bayern, sie werden einfach nicht wahrgenommen. Es gibt bei uns sogar ein Wettrennen, wer der unbekannteste Oppositionspolitiker ist. Medienmäßig schneiden die SPD-Kandidaten in Bayern einfach immer schlecht ab. Und ich nehme an, das bleibt auch so.
WELT.de: War das Skript für Stoibers Rücktritt gut geschrieben, oder war es eher beschämend?
Polt: Die CSU und allen voran Edmund Stoiber haben die Parole ausgegeben, „staatsmännisch“ wirken und auftreten zu wollen. Und das gelingt nicht allen Leuten immer gleich gut. Das kann eben nicht jeder. Und man hat schon gemerkt, dass da etwas geschrumpft ist. Staatsmännische Würde ist dabei nicht so ganz zur Geltung gekommen.
WELT.de: Hätte er früher gehen sollen?
Polt: Das weiß ich nicht. Ich habe mir aber schon gedacht, dass es vorbei ist mit ihm, nachdem alle anderen die Posten in Berlin verteilt haben, er nein gesagt hat und wieder nach Bayern zurückgekommen ist. Das war politisch wohl ein großer Fehler. Aber der Mann ist eben ein alter Zauderer. Er war in vielen Dingen immer sehr unentschlossen.
Artikel erschienen am 20.01.2007
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