Die Wellenbrecher (SZ)
Die Wellenbrecher
Serienklassiker des Fernsehens (4): Mit Knollennase Karl Malden und Jungspund Michael Douglas durch die "Straßen von San Francisco".
Von Sebastian Schoepp
Das Fernsehen als Sammelplatz der Familie - noch immer teilen sehr viele Menschen diese Erfahrung, und bereichert wird diese Erfahrung vor allem durch einige Serien, die über Jahre liefen, die die Gesprächskultur prägten und irgendwann Kult wurden. In einer Reihe beschreibt die SZ diese TV-Klassiker.
Vorspann ab: Jemand hämmert gnadenlos auf die Tasten eines getunten E-Pianos, und schon ist die Gänsehaut wieder da. Wackatschacka-Wackatschagatak: Fisherman’s Wharf, Golden Gate, Cable Car, Telegraph Hill blitzen in schnellen Schnitten auf. Der Gitarrist tritt sein Wah-wah-Pedal durch wie ein flüchtender Gangster das Gaspedal. Die Bläser setzen ein, und eine vertraute Knollennase erscheint auf dem Bildschirm: Karl Malden als Lieutenant Mike Stone. Danach ein blonder Jungspund namens Michael Douglas als Inspektor Steve Heller. Hallo Freunde!
Wer Die Straßen von San Francisco mit einem Abstand von 20 Jahren einschaltet, dem fallen zwei Dinge auf: Patrick Williams’ Funk-Intro würde noch heute die Playlist jedes Club-DJs adeln. Die Handlung hingegen kommt einem harmloser und vorhersehbarer vor als früher. Aber damals war man Sechstklässler und schreckte vor nichts zurück, um freitagabends länger aufbleiben zu dürfen. "Mama, wenn ich die Spülmaschine ausräume, darf ich dann Die Straßen von San Francisco sehen?"
Meistens durfte ich, denn Karl Malden und Michael Douglas gehörten zur Familie. Zwar wurde auch in dieser Serie gemordet und gestorben, doch das bekam man selten richtig mit. Und wie der väterliche Lieutenant dem nassforschen Inspektor Lebensweisheit und Gelassenheit beibrachte, davon konnte sogar Papa was lernen - auch wenn nicht alle Tipps jugendfrei waren. Bei Ermittlungen im Hippie-Milieu bietet ein sympathisch-ausgeflippter Dichter den beiden tatsächlich einen Joint an: "Probieren Sie meine Marke, Oregano!" Beim Rausgehen flüstert Heller seinem Vorgesetzten zu: "Das war doch Marihuana, was der da geraucht hat!" Stone: "Aber es hat wunderbar gerochen." Heller: "Willst du ihn nicht festnehmen?" Stone: Wegen was? Wegen Besitzes von Oregano?"
Das war aber schon das Maximum an Lässigkeit, weshalb Die Straßen von San Francisco - anders als die von der deutschen Synchro zu geschwätzigen Gagparaden aufgeblasenen Starsky und Hutch oder Die Zwei - nie eine Kultserie wurde. Ein Kritiker merkte an, eigentlich sei sie eher ein Werbespot für die Ford Motor Company. Wenn Stones’ und Hellers riesiger, weich gefederter LTD bei den Verfolgungsjagden durch die achterbahnartige Stadtarchitektur wie ein blecherner Haifisch in die asphaltenen Wellentäler tauchte, dass der Auspuff Funken schlug, kam mir Vaters Opel Rekord noch kleinpopliger vor als sonst. Alles war größer und breiter, amerikanischer eben: die Koteletten in den Gesichtern der Bösewichte, die Krawatten und die Schlaghosen sowieso.
Väterliche Contenance
Zum ersten Mal flimmerte hier der blumige Geist von Haight-Ashbury durch deutsche Wohnzimmer. Noch 1995 hieß es im Reiseteil der Süddeutschen, San Francisco sei den Deutschen durch die Serie eine "vertraute Welt". Es war der kalifornisch-sonnige Gegenpol zu den düsteren Straßenschluchten Manhattans, wo der Zyniker Theo Kojak ermittelte. Der gütige Lieutenant Stone hingegen hatte die Fähigkeit, noch im übelsten Verbrecher den guten Kern zu erkennen und ihn zur Aufgabe zu überreden, bevor der forsche Heller die 32er zücken konnte - auch die Waffen schienen damals harmloser. Dass Stone seine altväterliche Contenance bei keiner Verfolgungsjagd verlor, brachte ihm Mutters Bewunderung ein: "Wie macht er das nur, dass er nie den Hut verliert?"
Als Karl Malden die Rolle als 60-Jähriger annahm, hatte er eine Laufbahn als Charakterdarsteller hinter sich, hatte mit Elia Kazan gefilmt und für den bösen Mitch in Endstation Sehnsucht 1951 den Oscar für die beste Nebenrolle erhalten. Michael Douglas hingegen war 1972 nur der Sohn des großen Kirk. Für ihn bedeutete die Serie den Durchbruch. 1975 produzierte er nebenbei Einer flog übers Kuckucksnest, qualifizierte sich fürs ernsthafte Genre und nahm seinen Abschied vom SFPoliceDepartment.
Die letzte Folge mit ihm war die einzige, die ich damals nicht sehen wollte. Inspektor Heller sollte eine Kugel in die Brust bekommen und sich laut Drehbuch nach seiner Genesung als Dozent an die Polizeischule verabschieden, stand in der Vorankündigung der Hörzu. Und das wäre so gewesen, wie hilflos zuzusehen, wenn der beste Freund von den großen bösen Jungs auf dem Schulhof verprügelt wird. Nachfolger Richard Hatch gefiel noch Mama, während Vater und Sohn die Nase rümpften über den weichen Schönling. Und Karl Malden musste erkennen, dass er nur die Hälfte des Ganzen gewesen war.
Die Quoten schmierten ab, 1977 wurde die Serie eingestellt. Hatch flog mit Kampfstern Galactica ins schauspielerische Abseits, und Malden beendete seine Karriere als Reklamefigur für Kreditkarten. Michael Douglas ging auf die Jagd nach dem grünen Diamanten und wurde ein Star. Doch wer mit Inspektor Heller aufgewachsen war, hatte noch Jahre das Gefühl, irgendetwas fehle an seiner Seite.
Serienklassiker des Fernsehens (4): Mit Knollennase Karl Malden und Jungspund Michael Douglas durch die "Straßen von San Francisco".
Von Sebastian Schoepp
Das Fernsehen als Sammelplatz der Familie - noch immer teilen sehr viele Menschen diese Erfahrung, und bereichert wird diese Erfahrung vor allem durch einige Serien, die über Jahre liefen, die die Gesprächskultur prägten und irgendwann Kult wurden. In einer Reihe beschreibt die SZ diese TV-Klassiker.
Vorspann ab: Jemand hämmert gnadenlos auf die Tasten eines getunten E-Pianos, und schon ist die Gänsehaut wieder da. Wackatschacka-Wackatschagatak: Fisherman’s Wharf, Golden Gate, Cable Car, Telegraph Hill blitzen in schnellen Schnitten auf. Der Gitarrist tritt sein Wah-wah-Pedal durch wie ein flüchtender Gangster das Gaspedal. Die Bläser setzen ein, und eine vertraute Knollennase erscheint auf dem Bildschirm: Karl Malden als Lieutenant Mike Stone. Danach ein blonder Jungspund namens Michael Douglas als Inspektor Steve Heller. Hallo Freunde!
Wer Die Straßen von San Francisco mit einem Abstand von 20 Jahren einschaltet, dem fallen zwei Dinge auf: Patrick Williams’ Funk-Intro würde noch heute die Playlist jedes Club-DJs adeln. Die Handlung hingegen kommt einem harmloser und vorhersehbarer vor als früher. Aber damals war man Sechstklässler und schreckte vor nichts zurück, um freitagabends länger aufbleiben zu dürfen. "Mama, wenn ich die Spülmaschine ausräume, darf ich dann Die Straßen von San Francisco sehen?"
Meistens durfte ich, denn Karl Malden und Michael Douglas gehörten zur Familie. Zwar wurde auch in dieser Serie gemordet und gestorben, doch das bekam man selten richtig mit. Und wie der väterliche Lieutenant dem nassforschen Inspektor Lebensweisheit und Gelassenheit beibrachte, davon konnte sogar Papa was lernen - auch wenn nicht alle Tipps jugendfrei waren. Bei Ermittlungen im Hippie-Milieu bietet ein sympathisch-ausgeflippter Dichter den beiden tatsächlich einen Joint an: "Probieren Sie meine Marke, Oregano!" Beim Rausgehen flüstert Heller seinem Vorgesetzten zu: "Das war doch Marihuana, was der da geraucht hat!" Stone: "Aber es hat wunderbar gerochen." Heller: "Willst du ihn nicht festnehmen?" Stone: Wegen was? Wegen Besitzes von Oregano?"
Das war aber schon das Maximum an Lässigkeit, weshalb Die Straßen von San Francisco - anders als die von der deutschen Synchro zu geschwätzigen Gagparaden aufgeblasenen Starsky und Hutch oder Die Zwei - nie eine Kultserie wurde. Ein Kritiker merkte an, eigentlich sei sie eher ein Werbespot für die Ford Motor Company. Wenn Stones’ und Hellers riesiger, weich gefederter LTD bei den Verfolgungsjagden durch die achterbahnartige Stadtarchitektur wie ein blecherner Haifisch in die asphaltenen Wellentäler tauchte, dass der Auspuff Funken schlug, kam mir Vaters Opel Rekord noch kleinpopliger vor als sonst. Alles war größer und breiter, amerikanischer eben: die Koteletten in den Gesichtern der Bösewichte, die Krawatten und die Schlaghosen sowieso.
Väterliche Contenance
Zum ersten Mal flimmerte hier der blumige Geist von Haight-Ashbury durch deutsche Wohnzimmer. Noch 1995 hieß es im Reiseteil der Süddeutschen, San Francisco sei den Deutschen durch die Serie eine "vertraute Welt". Es war der kalifornisch-sonnige Gegenpol zu den düsteren Straßenschluchten Manhattans, wo der Zyniker Theo Kojak ermittelte. Der gütige Lieutenant Stone hingegen hatte die Fähigkeit, noch im übelsten Verbrecher den guten Kern zu erkennen und ihn zur Aufgabe zu überreden, bevor der forsche Heller die 32er zücken konnte - auch die Waffen schienen damals harmloser. Dass Stone seine altväterliche Contenance bei keiner Verfolgungsjagd verlor, brachte ihm Mutters Bewunderung ein: "Wie macht er das nur, dass er nie den Hut verliert?"
Als Karl Malden die Rolle als 60-Jähriger annahm, hatte er eine Laufbahn als Charakterdarsteller hinter sich, hatte mit Elia Kazan gefilmt und für den bösen Mitch in Endstation Sehnsucht 1951 den Oscar für die beste Nebenrolle erhalten. Michael Douglas hingegen war 1972 nur der Sohn des großen Kirk. Für ihn bedeutete die Serie den Durchbruch. 1975 produzierte er nebenbei Einer flog übers Kuckucksnest, qualifizierte sich fürs ernsthafte Genre und nahm seinen Abschied vom SFPoliceDepartment.
Die letzte Folge mit ihm war die einzige, die ich damals nicht sehen wollte. Inspektor Heller sollte eine Kugel in die Brust bekommen und sich laut Drehbuch nach seiner Genesung als Dozent an die Polizeischule verabschieden, stand in der Vorankündigung der Hörzu. Und das wäre so gewesen, wie hilflos zuzusehen, wenn der beste Freund von den großen bösen Jungs auf dem Schulhof verprügelt wird. Nachfolger Richard Hatch gefiel noch Mama, während Vater und Sohn die Nase rümpften über den weichen Schönling. Und Karl Malden musste erkennen, dass er nur die Hälfte des Ganzen gewesen war.
Die Quoten schmierten ab, 1977 wurde die Serie eingestellt. Hatch flog mit Kampfstern Galactica ins schauspielerische Abseits, und Malden beendete seine Karriere als Reklamefigur für Kreditkarten. Michael Douglas ging auf die Jagd nach dem grünen Diamanten und wurde ein Star. Doch wer mit Inspektor Heller aufgewachsen war, hatte noch Jahre das Gefühl, irgendetwas fehle an seiner Seite.
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