Knaller an der Zeitungsfront

Wednesday, August 01, 2007

„Ostdeutsche verstehen keine Ironie" (Welt)

31. Juli 2007, 14:34 Uhr
Von Josef Engels
Funny van Dannen

„Ostdeutsche verstehen keine Ironie"

"Nana Mouskouri" oder "Gutes Tun" heißen bekannte Hits von Funny van Dannen. Im Interview mit WELT Online erzählt der Liedermacher von seinen Abneigungen gegen Herbert Grönemeyer und Berlin – und warum man in der DDR mit Ironie nichts anfangen konnte.

Stacheliger Charmeur: Auf den ersten Blick wirkt Funny van Dannen harmlos und lieb. In seinen Texten und bei Interviews kann der Liedermacher aber auch ganz schön bissig sein.
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Mit Songs wie „Als Willy Brandt noch Bundeskanzler war“ machte Funny van Dannen den vom Aussterben bedrohten Beruf des Liedermachers im Deutschland der Neunziger wieder populär. Er wurden von Udo Lindenberg oder den Toten Hosen nachgespielt.
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Jetzt veröffentlicht der Sänger und Buchautor, der 1958 als Franz-Josef Hagmanns im deutsch-niederländischen Grenzgebiet geboren wurde, seine zehnte CD. Die Stücke auf „Trotzdem Danke“ (JKP/Warner) handeln von Sandra Bullock, Hartz IV und Hunden mit dem Namen Gazprom.
WELT ONLINE: Dem Pressetext zu Ihrer neuen CD lässt sich entnehmen, dass Ihr zweitgeborener Sohn Dionysos bei der Aufnahme behilflich war. Heißt der wirklich so?
Funny van Dannen: Ja. Der Name rührt von Dion and the Belmonts her, „Why must I be a teenager in love“. Mein Sohn kommt gut mit dem Namen zurecht. Er hat sich im Keller ein kleines Studio eingerichtet für seinen HipHop, und da hat er mich jetzt aufgenommen. Normalerweise macht er für seinen älteren Bruder die Samples und die Beats. Der Große tritt auf damit.
WELT ONLINE: HipHop? Gibt es da keine musikalischen Generationenkonflikte in der Familie?
Funny: Gut, ich find an dem HipHop jetzt nicht groß was. Ich dachte ja, dass der schon vor zehn Jahren gegessen wäre. In der Einschätzung war ich wohl nicht so kompetent. Ich glaube, meine Musik mögen meine Söhne schon. Die sind ja damit aufgewachsen. Es gab zumindest nie den Punkt, an dem einer gesagt hätte: Alter, bleib uns von der Jacke mit dem Zeug.
WELT ONLINE: Haben Ihre Kinder Sie bei Ihren manchmal doch recht albernen Texten beeinflusst?
Funny: Denken viele. Aber das ist nicht so. Obwohl: Einmal habe ich von Dion den Spruch übernommen für einen Song, dass Jesus und Tarzan die gleichen Unterhosen haben. Eine sehr gute Beobachtung.
WELT ONLINE: Bei Ihren Konzerten trifft man hauptsächlich jüngere Leute. Finden Sie das seltsam?
Funny: Ist schon erstaunlich. Ich wundere mich selber. Allerdings, wenn man sich mal das aus dem Aspekt der Liedermacher-Geschichte anschaut – Leute aus meiner Generation sind da sehr vorbelastet. Sobald du mit einer Gitarre die Bühne betrittst und dir dazu eine Mundharmonika umhängst, bis du Bob Dylan. Und dann kommen noch Namen wie Degenhardt, Wader, Biermann – also Leute, mit denen ich im Grunde nix zu schaffen habe. Das blockiert die Wahrnehmung meiner Sachen. Man wird irgendwo in die Schublade gesteckt und ist dann der zweite Reinhard Mey oder so ein Blödsinn. Die jüngeren Leute sind da freier im Kopf. Die sehen das als frische Alternative zu diesem durchtechnisierten Pop, den sie normalerweise hören.
WELT ONLINE: Was hat Ihr Erfolg mit der viel beschworenen Ironie der Neunzigerjahre zu tun?
Funny:: Das Ironische ist auf jeden Fall da. Das hatte ich aber immer schon. Das hat nichts mit den Neunzigern oder mit der Comedywelle zu schaffen. Und was die Ironie angeht: Im Osten funktioniert die gar nicht. Die Leute, die im Osten groß geworden sind, haben für Ironie keine Antennen.
WELT ONLINE: Wirklich?
Funny: Das ist tatsächlich so. Das merkt man immer wieder. Die im Osten haben anscheinend eine andere Art zu denken entwickelt. Wahrscheinlich war für die, wenn die in der DDR oppositionell waren, das Ironische auch schon zu offensichtlich. So doof ist die Diktatur dann doch nicht. Deshalb müssen die ganz andere Dinge entwickelt haben, Code-Geschichten, ich habe mich damit noch nicht so eingehend befasst. Möchte ich eigentlich auch nicht.
WELT ONLINE: Wie wichtig ist es für Ihr Schaffen, dass Sie Rheinländer sind?
Funny: Das sieht man an meinem Anspruch, die Leute zu unterhalten, ruhig auch karnevalistisch. Da habe ich auch meine Wurzeln. Ich habe ja schon mit neun Jahren beim Kinderkarneval mitgemacht, mit Büttenreden oder Playback-Auftritten als Heino. Da musste ich vorher immer zum Küster zum Üben. Der hatte die künstlerische Leitung. War toll.
WELT ONLINE: Beim Küster haben sich gewisse Scherze wohl verboten?
Funny: Nö. Rheinischer Katholizismus. Da geht alles.
WELT ONLINE: Wie halten Sie es mit dem rheinischen Buddhismus, der Gelassenheit, alles mit dem gleichen Wohlgefallen zu betrachten?
Funny: Die Menschenfreundlichkeit, die der Rheinländer hat, dass er die anderen erst mal so sein lässt, wie sie sind – die spielt da auch schon so eine Rolle bei mir. Obwohl die bei mir auch ihre Grenzen hat (lacht).
WELT ONLINE: Das macht das Berliner Exil.
Funny: Ja, vielleicht. Mit dieser Distanz hier kann man niemals warm werden. Ich werde Berlin auch niemals als meine Heimat empfinden. Obwohl: Wenn man manchmal aus dem Rheinland zurückkommt, freut man sich. Endlich, diese Enge ist futsch. Aber die Schroffheit in der Kommunikation ist nicht so lustig. Beim Berliner hast du das Gefühl: Alles, was zum Gelderwerb notwendig ist, wird gemacht. Jeder Satz, der darüber hinausgeht, ist Luxus.
WELT ONLINE: Was hat Sie zur Liedermacherei gebracht?
Funny: Herbert Grönemeyer und Marius Müller-Westernhagen. Die fand ich Mitte der Achtziger derart ätzend, dass ich dachte: Da muss ich mir die Lieder selber machen.
WELT ONLINE: War das nicht extrem punkig, im Berlin der Achtzigerjahre als Liedermacher aufzutreten?
Funny: Ja, schon. Aber ich war nie Punk im eigentlichen Sinn. Ich bin 1978 nach Berlin gezogen, richtig angekommen bin ich 1980. Da war Punk schon wieder Geschichte.
WELT ONLINE: Parallel fing ja auch die Neue Deutsche Welle an...
Funny: Ja, Bands wie „Ideal“.
WELT ONLINE: Das war doch eigentlich das erste Mal, dass man nach dem Krieg auf Deutsch singen konnte und dabei cool wirkte.
Funny: Moment, man sollte nicht die Hildegard Knef vergessen! Ich finde, Knef-Songs ragen heraus. Für mich ist es immer noch das Beste, was es gibt. „Ideal“ und Rio Reiser waren auch nicht schlecht, auch die Liedermacher hatten gute Sachen, das will ich gar nicht bestreiten. Was bei mir noch hinzukommt, ist der Schlagereinfluss. Da gibt's punktuell ganz wunderbare Sachen. Adamo etwa. Oder Kurt Hertha, der leider unlängst verstorben ist: „Dich erkenne ich mit verbundenen Augen, ohne Licht und in der Dunkelheit“. Perlen deutscher Poesie, herrlich!
WELT ONLINE: Würde es Sie reizen, wie Kollege Peter Licht mal in Klagenfurt aufzutreten?
Funny: So was würde ich nie machen. Mit Jury-Geschichten habe ich nix am Hut. Ich lasse mir auch nicht gerne Preise verleihen. Da habe ich schon einiges abgesagt.
WELT ONLINE: Was halten Sie von dem Vorwurf, dass Ihre Stücke immer gleich klingen?
Funny: Meine Stimme ist, wie sie ist. Ich geh nicht über drei Oktaven. Aber ich finde, meine Stücke haben einen eigenen Charakter und unterscheiden sich sehr. Weshalb es auch nicht einfach ist, die im Konzert so hintereinander zu spielen. Die Leute fragen mich ja immer: Warum trittst du nicht öfter auf? Singst du die Liedchen mal... Von wegen Liedchen! Hildegard Knef meinte das auch mal: Wie anstrengend das ist, ständig die Welten zu wechseln. Mal Melancholie, im nächsten Moment musst du wieder was Albernes bringen. Das ist schon Arbeit.
WELT ONLINE: Die Texte auf der neuen CD prangern grassierenden Zynismus und miese Stimmung an. Ist Deutschland momentan wirklich so schlimm?
Funny: Stimmt, ich denke, das Gemeckere ist vorbei und auch die Zeit, sich über das Gemecker aufzuregen. Aber das kann sich schnell ändern. Den Aufschwung halte ich nicht für allzu stabil.
WELT ONLINE: Wie könnte man die Laune denn grundsätzlich verbessern?
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Funny: Bescheidenheit finde ich immer ganz gut. Das ist ein Rezept für bessere Laune. Wenn man sich mal auf die grundlegenden Dinge des Lebens konzentriert. Ich sage das aus meiner persönlichen Erfahrung. Ich war als Kind oft krank. Ich hatte ständig Bronchitis. Wenn du keine Luft kriegst, weißt du es zu schätzen, wie es ist, frei atmen zu können. Ich ärgere mich, wenn ich ganz gesunde Leute sehe, die das nicht zu schätzen wissen. Die sich nicht über einen neuen Tag in Gesundheit freuen können, wenn die Sonne scheint.
Funny van Dannen: Trotzdem Danke (JKP/Warner)

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