Der Zweifel fährt mit (Tagesspiegel)
Doping im Radsport
Der Zweifel fährt mit
Von Frank Bachner 09.06.2007 16:51 Uhr
Berlin - Einen genauen Terminplan gibt es wahrscheinlich noch nicht, aber Erik Zabel wird bald auftauchen. Das hat er versprochen. Er wird an Elite-Sportschulen und an Olympiastützpunkten über Doping reden. Er will aufklären, warnen, vorbeugen. Er wird über sich erzählen. Über die Geschichte des Rad-Profis Zabel, Dopingsünder. Er hat die Geschichte schon mal erzählt, weinend, aufgewühlt, vor einem Dutzend Kameras. Die Geschichte geht so: Der Telekom-Radprofi Zabel, exzellenter Sprinter, habe eine Woche lang Epo genommen, weil das doch alle nahmen. Aber dann kamen die Nebenwirkungen – „erhöhte Körpertemperatur, niedrigeren Ruhepuls morgens, Übelkeit“ –, und er habe das Zeug wieder abgesetzt. Neben Zabel saß sein früherer Team- und Zimmerkollege Rolf Aldag, gestand jahrelangen Epo-Konsum und sagte, er habe von Zabels Doping-Versuch nichts gewusst. Zabels Karriere schadete der angebliche Verzicht auf Epo nichts. Punktbester bei der Tour de France 1996 bis 2001, viermal Sieger von Mailand – San Remo (1997, 1998, 2000, 2001), Sieger Amstel Gold Race (2000). Sieger Paris – Tours (2003, 2005). Erik Zabel, ein sportlicher Star, auch ungedopt. Dieses Bild zeichnet er. Auch Jef d'Hont, der frühere Telekom-Masseur, der mit seinem Enthüllungsbuch die Geständnis-Welle erst ausgelöst hatte, erklärte: „Zabel war einer der saubersten Athleten seiner Generation. Ein einziges Mal hat er sich vor und während einer Tour de France einer Epo-Kur unterzogen. Danach wollte er noch nicht einmal die Minimum-Einheiten haben. er siegte weiterhin,(...), sein Körper blieb sauber.“
Aber es gibt viele Leute, die sehr daran zweifeln, dass Zabel die ganze Wahrheit gesagt hat. Zum Beispiel ein früherer, erfolgreicher Profi, der seinen Epo-Konsum auch eingestanden hat, der aber ungenannt bleiben möchte. Dem Tagesspiegel sagte er: „Die Nebenwirkungen, die Zabel da erwähnte, habe ich noch nie von irgendwelchen anderen Fahrern gehört. Und dass beste Freunde und Zimmerkollegen vor 1998 nichts voneinander gewusst haben, ist ein absoluter Witz. Jeder in einem Teams hat gewusst, wer dopt und wer nicht.“ Aldag und Zabel haben aber klar gesagt, keiner habe vom anderen etwas gewusst. Der Profi, der ihnen das nicht glaubt, ist selber Mailand – San Remo gefahren, den 290-Kilometer-Klassiker mit dem giftigen 3,7-Kilometer- Steilstück Poggio am Ende. Der Profi sagt: „Ich hätte nie und nimmer ohne Epo nach mehr als 280 Kilometern in der Spitzengruppe den letzten Berg hochfahren können.“ Zabel dagegen sagt, er sei nur bei der Tour de France 1996 gedopt gewesen.
Aber auch Dieter Quarz, Radsporttrainer mit Diplom und langjähriger Dopingexperte mit besten Kontakten zur Profiszene, sagt: „Ich habe größte Zweifel an Zabels Angaben.“ Denn am Poggio, bei teilweise sieben Prozent Steigung, fahren die Profis mit rund 30 Stundenkilometern den Berg hoch und treten dabei im Schnitt rund sechs Minuten lang über 400 Watt. „Allein das ist schon abartig, nach rund 280 Kilometern“, sagt Quarz. „Wenn sie dann auch noch Attacken machen, kommen sie bis auf 600 Watt. Diese Leistung ist trainingsmethodisch allein nicht mehr zu erklären.“ Der Schweizer Manfred Nüscheler, der hoch angesehene biomechanische Untersuchungen bei Radprofis vorgenommen hat, sagt: „Wenn einer in Führung liegend den Poggio hochfährt und dann noch gewinnt, ist das meiner Ansicht nach sauber fast nicht machbar. Das könnte nur gehen, wenn einer im Windschatten fährt und so Kraft spart.“ Doch Windschatten ist am Poggio kaum zu spüren, sagt Quarz: „Da kämpft sich im Prinzip jeder allein hoch, da ist kaum Windschatteneffekt. Falls leichter Wind von der Seite kommt, sowieso nicht.“ Zabel gewann Mailand – San Remo viermal. Nach seinen Angaben immer ungedopt. Auch das Amstel Gold Race gewann Zabel. Ungewöhnlich für einen Sprinter. Die Strecke hat 26 Steigungen, 3000 Höhenmeter sind zu überwinden. „Ein sehr anspruchsvolles Terrain“, sagt Quarz. „Man findet keinen Rhythmus, und das ist nach 250 Kilometern schon brutal.“ Das könne sich kein Fahrer im Feld verstecken und im Windschatten mitrollen. Der Schweizer Rolf Järmann hat das Amstel Gold Race zweimal gewonnen – er gestand Epo-Doping. Bjarne Riis hat einmal gewonnen – auch er gab Epo-Konsum zu.
Am bemerkenswertesten empfand Quarz allerdings eine Szene bei der Tour de France Mitte der Neunzigerjahre. Er erinnert sich, dass Zabel im Grünen Trikot des Punktbesten „am Ende einer Bergetappe zu der Gruppe auffuhr, in der die Führenden der Gesamtwertung waren und richtig Gas gegeben haben“. Da, sagt Quarz, „habe ich nur noch den Kopf geschüttelt. Trainingsmethodisch kann man das nicht erklären.“ Vor allem habe Zabel ja auch bei den Mannschaftszeitfahren mithalten müssen. „Andere Telekom-Profis gaben Doping zu, und Zabel hielt ungedopt mit, das soll gehen?", sagt Quarz ironisch. Nach Zabels Angaben war es aber so.
Auch Horst Pagel, Stellvertretender Direktor des Instituts für Physiologie an der Uni Lübeck und einer der profiliertesten deutschen Epo-Forscher, sagt: „Mir kommt die Erklärung von Zabel sehr ungewöhnlich vor. Denn kurzfristig gibt es bei Epo keine Nebenwirkungen. Sie sind nur langfristig erkennbar, und dabei handelt sich in erster Linie um Bluthochdruck.“ Die erhöhte Körpertemperatur die Zabel als Grund für sein Abbrechen des Epo-Konsums benannte, überzeugt ihn nicht: „Diese Begründung ist viel zu allgemein. Diese Symptome hängen aber ganz sicher nicht ursächlich nicht mit Epo zusammen.“ Auch Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Forschung in Nürnberg, der die umfassendsten Epo-Studien in Deutschland gemacht hat, sagt: „Die Erklärung Übelkeit ist mir zu lehrbuchhaft. Das kommt mir so vor, als hätte sich da einer erkundigt, was man als Nebenwirkung nennen kann. Das ist zu wenig individuell. Dass jemandem übel wird, beobachten wir immer wieder." Aber aus Zabels Sicht waren die Symptome bei ihm nun mal zu bemerken. Der Dopingexperte Ralf Meutgens, Herausgeber des Buchs „Doping im Radsport“, muss beim Gedanken an Zabels Outing sogar lachen: „Das war eine Showveranstaltung. Ich halte den ganzen Auftritt für inszeniert. Die haben genau darauf geachtet, dass ihnen nichts mehr passieren kann. Sowohl sportpolitisch wie auch strafrechtlich ist alles verjährt. Die haben doch nur einen kleinen Ausschnitt dessen zugegeben, was damals genommen wurde.“ Sattsam bekannt sei es, dass viele Profis neben Epo auch Wachstumshormon und Insulin genommen haben. Zabel betont aber, dass er nur eine Woche lang Epo konsumiert habe. Erik Zabel als Aufklärer an Schulen? Da bekommt die Stimme von Gert Hillringhaus einen harten Klang. Hillringhaus ist Cheftrainer des Radsportteam Lübeck, er arbeitet in der Doping-Prävention, seine Thesen zur Aufklärung in Sachen Doping sollen ins Trainingskonzept des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) aufgenommen werden. Hillringhaus ist vom Fach. Er sagt zornig: „Man darf ehemalige Gladiatoren nicht zu Ordensrittern im Kampf gegen Doping schlagen.“ Der Zweifel fährt mit
Der Zweifel fährt mit
Von Frank Bachner 09.06.2007 16:51 Uhr
Berlin - Einen genauen Terminplan gibt es wahrscheinlich noch nicht, aber Erik Zabel wird bald auftauchen. Das hat er versprochen. Er wird an Elite-Sportschulen und an Olympiastützpunkten über Doping reden. Er will aufklären, warnen, vorbeugen. Er wird über sich erzählen. Über die Geschichte des Rad-Profis Zabel, Dopingsünder. Er hat die Geschichte schon mal erzählt, weinend, aufgewühlt, vor einem Dutzend Kameras. Die Geschichte geht so: Der Telekom-Radprofi Zabel, exzellenter Sprinter, habe eine Woche lang Epo genommen, weil das doch alle nahmen. Aber dann kamen die Nebenwirkungen – „erhöhte Körpertemperatur, niedrigeren Ruhepuls morgens, Übelkeit“ –, und er habe das Zeug wieder abgesetzt. Neben Zabel saß sein früherer Team- und Zimmerkollege Rolf Aldag, gestand jahrelangen Epo-Konsum und sagte, er habe von Zabels Doping-Versuch nichts gewusst. Zabels Karriere schadete der angebliche Verzicht auf Epo nichts. Punktbester bei der Tour de France 1996 bis 2001, viermal Sieger von Mailand – San Remo (1997, 1998, 2000, 2001), Sieger Amstel Gold Race (2000). Sieger Paris – Tours (2003, 2005). Erik Zabel, ein sportlicher Star, auch ungedopt. Dieses Bild zeichnet er. Auch Jef d'Hont, der frühere Telekom-Masseur, der mit seinem Enthüllungsbuch die Geständnis-Welle erst ausgelöst hatte, erklärte: „Zabel war einer der saubersten Athleten seiner Generation. Ein einziges Mal hat er sich vor und während einer Tour de France einer Epo-Kur unterzogen. Danach wollte er noch nicht einmal die Minimum-Einheiten haben. er siegte weiterhin,(...), sein Körper blieb sauber.“
Aber es gibt viele Leute, die sehr daran zweifeln, dass Zabel die ganze Wahrheit gesagt hat. Zum Beispiel ein früherer, erfolgreicher Profi, der seinen Epo-Konsum auch eingestanden hat, der aber ungenannt bleiben möchte. Dem Tagesspiegel sagte er: „Die Nebenwirkungen, die Zabel da erwähnte, habe ich noch nie von irgendwelchen anderen Fahrern gehört. Und dass beste Freunde und Zimmerkollegen vor 1998 nichts voneinander gewusst haben, ist ein absoluter Witz. Jeder in einem Teams hat gewusst, wer dopt und wer nicht.“ Aldag und Zabel haben aber klar gesagt, keiner habe vom anderen etwas gewusst. Der Profi, der ihnen das nicht glaubt, ist selber Mailand – San Remo gefahren, den 290-Kilometer-Klassiker mit dem giftigen 3,7-Kilometer- Steilstück Poggio am Ende. Der Profi sagt: „Ich hätte nie und nimmer ohne Epo nach mehr als 280 Kilometern in der Spitzengruppe den letzten Berg hochfahren können.“ Zabel dagegen sagt, er sei nur bei der Tour de France 1996 gedopt gewesen.
Aber auch Dieter Quarz, Radsporttrainer mit Diplom und langjähriger Dopingexperte mit besten Kontakten zur Profiszene, sagt: „Ich habe größte Zweifel an Zabels Angaben.“ Denn am Poggio, bei teilweise sieben Prozent Steigung, fahren die Profis mit rund 30 Stundenkilometern den Berg hoch und treten dabei im Schnitt rund sechs Minuten lang über 400 Watt. „Allein das ist schon abartig, nach rund 280 Kilometern“, sagt Quarz. „Wenn sie dann auch noch Attacken machen, kommen sie bis auf 600 Watt. Diese Leistung ist trainingsmethodisch allein nicht mehr zu erklären.“ Der Schweizer Manfred Nüscheler, der hoch angesehene biomechanische Untersuchungen bei Radprofis vorgenommen hat, sagt: „Wenn einer in Führung liegend den Poggio hochfährt und dann noch gewinnt, ist das meiner Ansicht nach sauber fast nicht machbar. Das könnte nur gehen, wenn einer im Windschatten fährt und so Kraft spart.“ Doch Windschatten ist am Poggio kaum zu spüren, sagt Quarz: „Da kämpft sich im Prinzip jeder allein hoch, da ist kaum Windschatteneffekt. Falls leichter Wind von der Seite kommt, sowieso nicht.“ Zabel gewann Mailand – San Remo viermal. Nach seinen Angaben immer ungedopt. Auch das Amstel Gold Race gewann Zabel. Ungewöhnlich für einen Sprinter. Die Strecke hat 26 Steigungen, 3000 Höhenmeter sind zu überwinden. „Ein sehr anspruchsvolles Terrain“, sagt Quarz. „Man findet keinen Rhythmus, und das ist nach 250 Kilometern schon brutal.“ Das könne sich kein Fahrer im Feld verstecken und im Windschatten mitrollen. Der Schweizer Rolf Järmann hat das Amstel Gold Race zweimal gewonnen – er gestand Epo-Doping. Bjarne Riis hat einmal gewonnen – auch er gab Epo-Konsum zu.
Am bemerkenswertesten empfand Quarz allerdings eine Szene bei der Tour de France Mitte der Neunzigerjahre. Er erinnert sich, dass Zabel im Grünen Trikot des Punktbesten „am Ende einer Bergetappe zu der Gruppe auffuhr, in der die Führenden der Gesamtwertung waren und richtig Gas gegeben haben“. Da, sagt Quarz, „habe ich nur noch den Kopf geschüttelt. Trainingsmethodisch kann man das nicht erklären.“ Vor allem habe Zabel ja auch bei den Mannschaftszeitfahren mithalten müssen. „Andere Telekom-Profis gaben Doping zu, und Zabel hielt ungedopt mit, das soll gehen?", sagt Quarz ironisch. Nach Zabels Angaben war es aber so.
Auch Horst Pagel, Stellvertretender Direktor des Instituts für Physiologie an der Uni Lübeck und einer der profiliertesten deutschen Epo-Forscher, sagt: „Mir kommt die Erklärung von Zabel sehr ungewöhnlich vor. Denn kurzfristig gibt es bei Epo keine Nebenwirkungen. Sie sind nur langfristig erkennbar, und dabei handelt sich in erster Linie um Bluthochdruck.“ Die erhöhte Körpertemperatur die Zabel als Grund für sein Abbrechen des Epo-Konsums benannte, überzeugt ihn nicht: „Diese Begründung ist viel zu allgemein. Diese Symptome hängen aber ganz sicher nicht ursächlich nicht mit Epo zusammen.“ Auch Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Forschung in Nürnberg, der die umfassendsten Epo-Studien in Deutschland gemacht hat, sagt: „Die Erklärung Übelkeit ist mir zu lehrbuchhaft. Das kommt mir so vor, als hätte sich da einer erkundigt, was man als Nebenwirkung nennen kann. Das ist zu wenig individuell. Dass jemandem übel wird, beobachten wir immer wieder." Aber aus Zabels Sicht waren die Symptome bei ihm nun mal zu bemerken. Der Dopingexperte Ralf Meutgens, Herausgeber des Buchs „Doping im Radsport“, muss beim Gedanken an Zabels Outing sogar lachen: „Das war eine Showveranstaltung. Ich halte den ganzen Auftritt für inszeniert. Die haben genau darauf geachtet, dass ihnen nichts mehr passieren kann. Sowohl sportpolitisch wie auch strafrechtlich ist alles verjährt. Die haben doch nur einen kleinen Ausschnitt dessen zugegeben, was damals genommen wurde.“ Sattsam bekannt sei es, dass viele Profis neben Epo auch Wachstumshormon und Insulin genommen haben. Zabel betont aber, dass er nur eine Woche lang Epo konsumiert habe. Erik Zabel als Aufklärer an Schulen? Da bekommt die Stimme von Gert Hillringhaus einen harten Klang. Hillringhaus ist Cheftrainer des Radsportteam Lübeck, er arbeitet in der Doping-Prävention, seine Thesen zur Aufklärung in Sachen Doping sollen ins Trainingskonzept des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) aufgenommen werden. Hillringhaus ist vom Fach. Er sagt zornig: „Man darf ehemalige Gladiatoren nicht zu Ordensrittern im Kampf gegen Doping schlagen.“ Der Zweifel fährt mit
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